Ethernet-Vernetzung EMV: Gigabit-Ethernet effektiv entstören – Teil 2

Von Adrian Stirn Lesedauer: 5 min

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Gigabit-Ethernet hat sich als Vernetzungsstandard zwar weitgehend durchgesetzt, doch häufig erfüllen die Schnittstellen die EMV-Vorgaben mehr schlecht als recht. Aber es geht besser. Teil 2 befasst sich mit der Störaussendung und präsentiert Messdaten dazu.

EMV von GbE: In der Vernetzung von Büro- und Industrieumfeld hat sich Gigabit-Ethernet als Standard etabliert. Beim Design einer Gigabit-Ethernet-Schnittstelle kommen jedoch oftmals Fragen zum Schirmanschluss des Kabels und dem Design des Front-Ends auf.
EMV von GbE: In der Vernetzung von Büro- und Industrieumfeld hat sich Gigabit-Ethernet als Standard etabliert. Beim Design einer Gigabit-Ethernet-Schnittstelle kommen jedoch oftmals Fragen zum Schirmanschluss des Kabels und dem Design des Front-Ends auf.
(Bild: Würth)

Das EMV-Verhalten der Gigabit-Ethernet-Schnittstelle bei verschiedenen Schirmanschlüssen und Konfigurationen steht im Mittelpunkt dieser dreiteiligen Serie. In Teil 1 habe ich die Gigabit-Ethernet-Referenz-Designs von Würth Elektronik vorgestellt, die als Testvehikel für die Betrachtung des EMV-Verhaltens dienen. Dort wurde auch der Messaufbau erläutert und auf die relevanten Störgrößen und Fehlerkriterien eingegangen.

Teil 2 befasst sich nun mit der Störaussendung unter folgenden Gesichtspunkten: Einfluss des Leitungstyps auf die Störaussendung, Schirmkontaktierung, gestrahlte Störaussendung und leitungsgeführte Störaussendung.

Einfluss des Leitungstyps auf die Störaussendung

Zu Beginn der Messreihe betrachte ich den Einfluss verschiedener Leitungstypen auf die Störaussendung. Dies ist insbesondere bei der Prüfung der gestrahlten Störaussendung einfach, da hier die Leitung zwischen den Messungen getauscht werden kann und keine speziellen, auf den Leitungstyp angepassten, Koppelnetzwerke benötigt werden.

Wir können davon ausgehen, dass bei geschirmten Leitungen ein HF-gerechter Anschluss des Kabelschirms zur Masse (GND-Plane) des Prüflings zu einer minimalen Störaussendung führt. Für den Vergleich unterschiedlicher Leitungstypen wählen wir ein Board mit integriertem Schnittstellenaufbau (Übertrager und Drossel in der Ethernet-Buchse) und direktem Schirmanschluss (flächiger Kurzschluss zwischen Schirm und Masse) aus.

Vergleichen wir nun folgende geschirmte und ungeschirmte Leitungstypen. Zu den geschirmten Typen zählen CAT8.1 S/FTP und CAT5E SF/UTP.

CAT8.1 S/FTP: Geflechtschirm als Außenschirm. Die einzelnen differenziellen Paare als Twisted Pair sind mit Folie geschirmt. CAT5E SF/UTP: Standard Ethernet-Leitung im Gewerbe und Bürobereich. Einfache Schirmung aller Adern mit Folie und leichtem Geflecht. Die differenziellen Einzelpaare (Twisted Pair) sind nicht geschirmt, eine Kopplung zwischen den Paaren ist somit möglich.

Als ungeschirmte Variante haben wir den Leitungstyp CAT5E U/UTP verwendet. Dieser ist nicht geschirmt, die differenziellen Paare sind als Twisted Pair ausgeführt.

Die in den gestrahlten Prüfungen verwendete Leitungslänge beträgt 3 bis 5 m.

Störabstrahlung von geschirmten und ungeschirmten Ethernet-Leitungen

Bild 1: Vergleich der gestrahlten Störungen verschiedener Leitungen bei inte­griertem Schnittstellendesign – horizontale Polarisation (vertikale Polarisation in [2; Abb. 13]).
Bild 1: Vergleich der gestrahlten Störungen verschiedener Leitungen bei inte­griertem Schnittstellendesign – horizontale Polarisation (vertikale Polarisation in [2; Abb. 13]).
(Bild: Würth)

Bild 1 zeigt die Störabstrahlung von verschiedenen Ethernet-Leitungen. Es zeigt sich, dass die gestrahlte Störaussendung bei ungeschirmter Ethernet-Leitung teilweise um bis zu 20 dB höher ist als bei den beiden geschirmten Varianten.

Die Unterschiede zwischen der CAT5E SF/UTP und der CAT8.1 S/FTP fallen dagegen geringer aus. Teilweise reduziert die deutlich höherwertige CAT8.1-Leitung die Störaussendung im Fernfeld um 5 dB. Beim Betrieb mit beiden geschirmten Leitungen befindet sich das Störspektrum nahe dem Grundrauschen.

Ethernet-Leitungen für die weitere Betrachtung

Da die Ergebnisse der beiden geschirmten Leitungen ähnlich sind, haben wir die weiteren Prüfungen und Messungen mit den Leitungen CAT5E SF/UTP (geschirmt) und CAT5E U/UTP durchgeführt. Das CAT5E-SF/UTP-Kabel ist nur mit einem beschichteten Kunststoff-Folienschirm versehen und damit aus EMV-Sicht durch das Auftreten eines Schlitzes im Schirm nicht geeignet.

Beim verwendeten Kabel hat der Hersteller allerdings durch den geschickten Einsatz eines zusätzlichen leichten Geflechts diesen Schlitz verschlossen und das Kabel somit effektiv geschirmt. Bei der Auswahl von geschirmten Kabeln sollten Sie generell darauf achten, dass sich keine Schlitze im Schirm befinden.

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Einfluss der Schirmkontakierung auf die EMV

Wie oben erwähnt, können verschiedene Anschlüsse bzw. Kontaktierungen des Schirms (Ethernet-Buchse) zur Elektronik (Groundplane) Auswirkungen auf das EMV-Verhalten haben. Hierzu vergleiche ich verschiedene Kontaktierungen:

  • Volle Kontaktierung: Schirm der Buchse (Chassis) wird direkt, flächig mit der Groundplane der Platine verbunden.
  • 1-nF-Y-Kondensator: Klassischer Anschluss, oftmals in Onlinequellen erwähnt und bestehend aus einem SMD-Y-Kondensator und einem parallel geschalteten 1-MΩ-SMD-Widerstand.
  • 2 x 10-nF-MLCC-Kondensatoren: Kapazitiver Schirmanschluss, bestehend aus zwei 10-nF-MLCCs (100-V-Typ) mit einem parallelen SMD-Varistor. Der Varistor schützt die Kondensatoren vor Beschädigungen transienter Überspannungen.

Nach CISPR 32 wird die asymmetrische Störung auf der Ethernet-Leitung mittels CDN geprüft. Wir vergleichen eine ungeschirmte Leitung CAT5E U/UTP mit einer geschirmten Leitung CAT5E SF/UTP mit verschiedenen Schirmanschlüssen.

Die Bilder 2 und 3 zeigen die Störaussendung des integrierten Gigabit-Ethernet-Designs bei verschiedenen Schirmanbindungen.

Bild 3: Gestrahlte Störaussendung in horizontaler Polarisation mit Kontaktierung des Ethernet-Leitungsschirms mit einem 10-nF-MLCC-Kondensator und einem Varistor, wobei beide Komponenten gegenüberliegend sind. Die Position der beiden Komponenten wird getauscht (rot vs. grau).
Bild 3: Gestrahlte Störaussendung in horizontaler Polarisation mit Kontaktierung des Ethernet-Leitungsschirms mit einem 10-nF-MLCC-Kondensator und einem Varistor, wobei beide Komponenten gegenüberliegend sind. Die Position der beiden Komponenten wird getauscht (rot vs. grau).
(Bild: Würth)

Die häufig erwähnte Kontaktierung mit einem 1-nF-Y-Kondensator hat im Frequenzbereich bis 30 MHz die höchste Störemission. Falls eine kapazitive Trennung zwischen Schirm und Masse benötigt wird, empfiehlt sich aus EMV-Sicht die Konfiguration mit zwei 10-nF-Kondensatoren und einem Varistor.

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Gestrahlte Störaussendung

Die Messergebnisse der gestrahlten Störaussendung haben wir mit den zutreffenden Klasse-B-Grenzwerten aus der Norm CISPR32 in Bild 2 verglichen.

Bild 4: Gestrahlte Störaussendung bei ungeschirmten Leitungen in horizontaler Antennenpolarisation (vertikale Antennenpolarisation [2; Abb. 23]).
Bild 4: Gestrahlte Störaussendung bei ungeschirmten Leitungen in horizontaler Antennenpolarisation (vertikale Antennenpolarisation [2; Abb. 23]).
(Bild: Würth)

Bild 4 zeigt, dass die Störaussendungen der beiden Designs beim Einsatz einer ungeschirmten Leitung vergleichbar sind. Das Board mit integrierter Ethernet-Buchse zeigt tendenziell in manchen Frequenzbereichen eine etwas höhere Emission. Beide Designs bleiben im Betrieb mit ungeschirmter Leitung unterhalb des Klasse-B-Grenzwerts für den Wohnbereich und bestehen die Prüfung, allerdings mit geringem Abstand zum Grenzwert. Der Einsatz geschirmter Leitungen reduziert das gestrahlte Störspektrum deutlich.

Die geringere Emission des Aufbaus mit diskreten Komponenten hat verschiedene Ursachen. Die Verwendung eines maschinell gewickelten Übertragers ermöglicht eine höhere Symmetrie der symmetrischen Schnittstelle. Hingegen führt die Integration der Komponenten zur inte­grierten Ethernet-Buchse zu einer hohen Packungsdichte der Bauelemente und so zu höheren Kopplungen von elektrischen und magnetischen Feldern zwischen den Bauelementen, wodurch die Abstrahlung über das Ethernet-Kabel steigt.

Leitungsgeführte Störaussendung

Wie zu erwarten, ist auch beim diskreten Design die Störaussendung bei geschirmter Leitung geringer. Im Vergleich einer Schnittstelle mit galvanischer, direkter Schirmkontaktierung und CAT5E-SF/UTP-Leitung mit einer Schnittstelle mit ungeschirmter CAT5E U/UTP Leitung [2; Abb. 28] zeigt sich deutlich, dass der Störpegel bei einer Schnittstelle mit geschirmten und galvanisch direkt angeschlossenem Kabelschirm über das gesamte Frequenzband niedriger ist.

Bild 2: Leitungsgeführte Störaussendung auf dem Ethernet-Kabel. Schirmanschluss mit 10-nF-MLCC und einem Varistor, wobei beide Komponenten gegenüberliegend sind. Graue vs. rote Kurve zeigt, die Position der beiden Komponenten wurde getauscht.
Bild 2: Leitungsgeführte Störaussendung auf dem Ethernet-Kabel. Schirmanschluss mit 10-nF-MLCC und einem Varistor, wobei beide Komponenten gegenüberliegend sind. Graue vs. rote Kurve zeigt, die Position der beiden Komponenten wurde getauscht.
(Bild: Würth)

Bild 2 zeigt, dass im diskreten Aufbau die Schirmkontaktierung mit einem 1-nF-Y-Kondensator eine höhere Störaussendung hat. Die Kontaktierung mit zwei 10-nF-Kondensatoren und einem Varistor ist zu bevorzugen. Die niedrigsten Störpegel treten bei einer direkten Schirmanbindung auf.

Bei der Verwendung ungeschirmter Leitungen sind die beiden Designs größtenteils ähnlich in ihrer Emission [2; Abb. 24]. Die Störaussendung im diskreten Aufbau ist teilweise geringfügig höher. Beide Designs bleiben durchgängig mindestens 10 dB unter den Klasse-B-Grenzwerten. Eine detailliertere Betrachtung der Störaussendung liefert die in [2] aufgeführte Applikationsschrift. (kr)

Literatur

[1] Referenz-Design RD016 – Gigabit-Ethernet Front-End: https://www.we-online.com/RD016
[2] Application Note ANP116 –Gigabit-Ethernet-Schnittstelle unter EMV-Gesichtspunkten: https://www.we-online.com/ANP116

 

* Adrian Stirn ist EMV-Spezialist bei Würth Elektronik in Waldenburg.

(ID:49470400)