EMS-Tag: Wertvolle Vorträge, clevere Ideen, gute Gespräche

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Was müssen Entscheider über den EMS-Markt wissen, wo sind die Stellschrauben im Geschäft, welche Entwicklungen muss man kennen und wie lässt sich der digitale Wandel meistern – das zeigten neun Redner beim 17. Würzburger EMS-Tag, darunter fünf Topmanager aus der EMS-Branche.

Rekordbesuch: Mit über 90 Teilnehmern war der EMS-Tag so gut besucht wie noch nie.
Rekordbesuch: Mit über 90 Teilnehmern war der EMS-Tag so gut besucht wie noch nie.
(Bild: Stefan Bausewein)

Selbstbewusst und positiv gestimmt zeigte sich die EMS-Branche beim 17. Würzburger EMS-Tag am 4. Juli im Vogel Convention Center. Mehr als 90 Entscheider nahmen an der Tagung teil. In der Ausstellung präsentierten sich die Unternehmen LPKF, CircuitByte, Flatfield, JTAG, Lackwerke Peters, NCAB, Perzeptron, Seho Systems sowie die Messe SMTconnect.

Einmal mehr bestätigt das Echo, wie wichtig und wertvoll dieser Branchenplattform ist. Die Möglichkeit, Ideen und Erfahrungen austauschen und voneinander lernen, bringt alle Marktteilnehmer weiter. Denn das EMS-Geschäft ist so komplex, dass sich Prozesse nicht beliebig kopieren lassen.

Dieter G. Weiss, in4ma: „Wer seine Kosten nicht im Blick hat, geht in die Verlustfalle.“
Dieter G. Weiss, in4ma: „Wer seine Kosten nicht im Blick hat, geht in die Verlustfalle.“
(Bild: Stefan Bausewein)

„Nur Firmen, die wissen, was um sie herum im Markt passiert, können gezielt ihre Strategie definieren und erfolgreich umsetzen“, sagte Dieter G. Weiss, Autor der in4ma-Statistik zum europäischen EMS-Markt. Dieter Weiss hat die Branche akribisch analysiert, Bilanzen recherchiert und nachgerechnet. Erstmals legt seine Analyse Entscheidern valide Zahlen und Daten vor, die es für die deutsche und europäische EMS-Industrie bis vor drei Jahren so nicht gab.

2018 war ein Rekordjahr für die EMS-Branche

Eigens für die Teilnehmer am EMS-Tag hatte der Marktforscher eine 26-seitige Analyse erarbeitet und Schlüsselstellen erklärt. „Die EMS-Branche hat ein Rekordjahr zurückgelegt und EMS in Europa verzeichnen viel höhere Wachstumsraten als OEM“, resümierte Weiss. Der Grund: Es werden mehr Produkte transferiert und EMS fertigen neue Produkte für Start-up-Unternehmen, die keine eigene Produktion haben. Neue Elektronikanwendungen und Technologien konkret 5G, IoT Telemedizin, Logistik, Sicherheit Kommunikation und Verkehr bringen neue EMS-Kunden auf den Markt, die selbst nie eine eigene Produktion hatten, aber klare Anforderungen an die Produkte stellen.

In Deutschland stieg die EMS-Produktion in den letzten 5 Jahren um 26,8%. Die deutsche Elektroindustrie legte dagegen „nur“ um 17,3% zu. Deutschland ist nach wie vor der größte europäische EMS-Hersteller mit 17,6% der gesamten europäischen EMS-Produktion und 6% Wachstum im Jahr 2018. „Das europäische EMS-Produktionsvolumen lag 2017 bei 36,1 Milliarden Euro und erste Berechnungen, zeigen ein Wachstum von 5% auf 37,9 Milliarden Euro“, prognostiziert Weiss. Scharfer Wind weht aus Asien. Der globale Wettbewerb in Europa kommt hauptsächlich von asiatischen EMS, die für die Automobilindustrie fertigen. „Einige asiatische EMS erzielen bereits 30% ihrer weltweiten Einnahmen in Europa“, hat der Marktbeobachter recherchiert.

Aufträge und Produkte stehen unter Preisdruck

„Bestehende EMS-Aufträge und Produkte stehen unter Preisdruck“, erklärte Dieter Weiss mit Blick auf den Materialanteil, der sich bei einer elektronischen Baugruppe auf 60 bis 70% der Gesamtkosten beläuft. „Wer seine Kosten nicht im Blick hat, geht in die Verlustfalle“, mahnte Weiss. Seine Faustformel: Wenn Material und Personalkosten über 90% des Umsatzes ausmachen, ist für Firmen unter 200 Mio. Euro Umsatz kein Geld mehr zu verdienen. „Zollner kann auch noch mit 94% Gewinn machen, Flex und Jabil sogar mit 96%“, so Weiss.

Das größte Verbesserungspotenzial und auch in der Vergangenheit vielfach beim EMS-Tag gezeigt, liegt im Optimieren der Versorgungskette und Einkaufsprozessen, dem Einsatz effizienter ERP-Tools und Prozessverkettungen. Lösungen wie aktives Materialmanagement und effiziente Tools zeigten die Aussteller in den Vortragspausen.

Michael Kollasa, Verkaufsleiter bei Lackwerke Peters: „ Schutzlacke sind in der Elektronikfertigung ein Muss.“
Michael Kollasa, Verkaufsleiter bei Lackwerke Peters: „ Schutzlacke sind in der Elektronikfertigung ein Muss.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Was Entscheider über Coating wissen müssen, erklärte Michael Kollasa, Vertriebsleiter bei Lackwerke Peters. „Schutzlacke“, so Kollasa, „sind in der Elektronikfertigung ein Muss.“ Nur so lassen sich elektronische Baugruppen im Betrieb vor Schäden durch Klimaeinflüsse schützen. Für eine wirtschaftliche Lösung im Hinblick auf Materialkosten, Prozesszeiten und Handling-Kosten gilt es das richtige Material für die Anwendung mit der passenden Anlage und Prozessführung zu kombinieren.

Jeannine Budelmann, Budelmann Elektronik: „Software, die auf einem PC oder einer Datenbrille läuft, unterstützt den Mitarbeiter beim Bestücken der Bauteile.“
Jeannine Budelmann, Budelmann Elektronik: „Software, die auf einem PC oder einer Datenbrille läuft, unterstützt den Mitarbeiter beim Bestücken der Bauteile.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Den Handbestückprozess mit Datenbrillen optimieren war das Thema von Jeannine Budelmann, Geschäftsführerin der Budelmann Elektronik GmbH in Münster. In dem vom BMBF geförderten Forschungsprojektes OptED hat Budelmann Elektronik eine Software entwickelt, die durch den Bestückvorgang führt. Vorteil: das Handbestücken vereinfacht sich für den Mitarbeiter, das Fehlerrisiko sinkt und der Mitarbeiter kann sich schneller auf der Baugruppe orientieren. Die Software kann sowohl auf einem PC laufen als auch auf einer Datenbrille. Allerdings war die Wahrnehmung der Software auf dem PC für die Mitarbeiter deutlich positiver ist als auf der Datenbrille. Noch stellt die Performance der verfügbaren Datenbrillen nicht zufrieden.

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Erfolgreiche EMS brauchen starke Lieferanten

Michael Gasch, Data4PCB: „Europas Leiterplattenhersteller müssen am Geschäft teilhaben.“
Michael Gasch, Data4PCB: „Europas Leiterplattenhersteller müssen am Geschäft teilhaben.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Wie sich die Veränderungen in der Leiterplattenindustrie weltweit, auf die Elektronikbranche in Europa auswirken, analysierte Michael Gasch, Data4PCB. Seit über 15 Jahren erstellt Gasch die Statistiken für die Leiterplattenindustrie. „Wenn wir in Europa eine gewisse Kapazität sichern wollen, müssen strategischen Entscheidungen getroffen werden und europäische Hersteller am Geschäft teilhaben“, mahnt der Branchenkenner. Fakt ist: In China werden 54% aller weltweit gefertigten Leiterplatten produziert, gerade mal 1% in Deutschland. Von 2000 bis 2018 hat sich die Anzahl der deutschen mehr als halbiert von 134 Firmen auf nur noch 59 Hersteller. „Dabei braucht Europa eine starke Leiterplattenproduktion“, betonte Gasch.

Das Problem: Knapp 20% des in Europa gefertigten Umsatzes entfallen auf Prototypen. Nur: ohne Prototypen keine Neuentwicklungen. Etwa 35 bis 40% der Leiterplatten aus europäischer Produktion sind Aufträge zwischen 1 und 10 Quadratmeter. Doch ohne Kleinmengen keine Vorserien. Die in Europa gefertigten Großserien (Anteil 40%) sind nicht zu vergleichen mit den Mengen, die in Asien produziert werden. Aber: ohne Serienfähigkeit europäischer Hersteller keine Hilfe bei Problemen in Asien, so Gasch.

Hermann Reiter, Digi-Key: „Zwischenlieferanten müssen Mehrwert definieren.“
Hermann Reiter, Digi-Key: „Zwischenlieferanten müssen Mehrwert definieren.“
(Bild: Stefan Bausewein)

„Der Wandel in der Distribution und Bauteileherstellerwelt geht weiter“, resümierte Hermann W. Reiter, Global Strategic Business Development für Zentral-, Ost- und Südeuropa sowie Geschäftsführer der Digi-Key Electronics Germany GmbH. Reiter, der mehr als drei Jahrzehnte in der Branche tätig ist, erklärte wie sich die Landschaft der Distributoren und Halbleiterhersteller verändert hat und wie Digitalisierung, Ökologie und makroökonomische Einflüsse die Entwicklung prägen und verändern. „Auch die Distributoren müssen sich neu erfinden und ihren Platz in der Lieferkette rechtfertigen. Zwischenlieferanten müssen für ihre Kunden einen Mehrwert definieren und bieten“, sagte Reiter.

Digitale Transformation im EMS-Geschäft

Johann Weber, Zollner Elektronik: „Fatal ist, wenn digitale Transformation bzw. Industrie 4.0 auf Management 1.0 trifft.“
Johann Weber, Zollner Elektronik: „Fatal ist, wenn digitale Transformation bzw. Industrie 4.0 auf Management 1.0 trifft.“
(Bild: Stefan Bausewein)

„Digitalisierung ist keine App, die man kaufen kann“, eröffnete Johann Weber, seine Keynote Digitalisierung in der EMS-Industrie. „Die EMS Industrie muss Werkzeuge und Verfahren einsetzen, um bestehende Prozesse anzupassen und durch wesentlich effizientere, digitale Prozesse ablösen, um den Herausforderungen gerecht zu werden“, sagte der Vorstandsvorsitzender der Zollner Elektronik AG und Vorsitzender des ZVEI Fachverbands PCB and Electronic Systems.

Diese Herausforderungen erklärte Weber an einem ganzheitlichen Regelkreis aus Megatrends, Märkten, Kunden und Produkte, Lösungen, Prozesse und Daten sowie den Fähigkeiten von Hardware, Software und den Menschen. Konkret umgesetzt und eindrucksvoll an Beispielen bei Zollner Elektronik ganzheitliche Traceability, digitale Prozessplanung und digitale Fabrik. Johann Weber lenkte das Augenmerk auch auf die unternehmerische Sicht und erklärte welche Fragen das Management stellen und beantworten muss und listete die unternehmerischen Erfolgskriterien bei der Digitalisierungsstrategie auf. „Digitale Transformation muss man selbst vollziehen. Sie beginnt ganz oben im Unternehmen und man macht es nicht nebenbei“, gab Weber den Teilnehmern mit.

Timo Dreyer, Beyers: „Digitale Transformation heißt Umdenken in der Führungsebene.“
Timo Dreyer, Beyers: „Digitale Transformation heißt Umdenken in der Führungsebene.“
(Bild: Stefan Bausewein)

„Digitale Transformation heißt Umdenken in der Führungsebene. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen“, sagte Timo Dreyer. Dreyer, leitet beim mittelständischen EMS Beyers in Mönchengladbach diverse Fachbereiche als Chief Operating Officer (COO). Entscheidend für den Erfolg sind die Mitarbeiter – von der Führungsriege bis hin zu jedem einzelnen Arbeiter. Offen schilderte Dreyer seine Methoden und Erfahrungen beim Führen und Motivieren der Mitarbeiter, um Veränderungen im Unternehmen und den Arbeitsabläufen neu zu gestalten.

Erfolgreiche Konzepte für die EMS-Branche

Thomas Müsch, Stemas: „Wir wollen lokale Arbeitsplätze erhalten.“
Thomas Müsch, Stemas: „Wir wollen lokale Arbeitsplätze erhalten.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Mittelständische Unternehmen im Gruppenverbund, ist das Erfolgskonzept der Stemas AG. „Unternehmen behalten ihre Eigenständigkeit, profitieren aber von der Zugehörigkeit zu einem starken Verbund in Einkauf, Wissenstransfer und Kapazitäten“, erklärte Thomas Müsch, Vorstand der inhabergeführten Industrieholding. Der Münchner Investor beteiligt sich mehrheitlich und dauerhaft an mittelständischen Unternehmen.

Die Sparte der EMS firmiert unter der Dachmarke „Elektronik Gruppe München“ (Stemas), zu der sechs EMS-Firmen mit zusammen 80 Mio. € Umsatz und 430 Mitarbeitern gehören. „Seit 12 Jahren wächst die Gruppe organisch und durch Beteiligung an neuen Gesellschaften“, zog Müsch Bilanz und stellte klar: „Wir sind keine Spekulanten, sondern Investoren.“ Ein gelebter Werte-Code verpflichtet zu zehn Punkten vom Erhalt lokaler Arbeitsplätze bis zum Umweltschutz. Mit erfolgreich umgesetzten Beispielen brachte Müsch die Zuhörer zum Staunen.

Rainer Koppitz, Katek: „Viele gängige Thesen über EMS sind falsch. Die EMS-Zahlen von Dieter Weiss stimmen dagegen genau.“
Rainer Koppitz, Katek: „Viele gängige Thesen über EMS sind falsch. Die EMS-Zahlen von Dieter Weiss stimmen dagegen genau.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Mit Zahlen und Fakten widerlegte Rainer Koppitz CEO bei KATEK SE gängige Vorurteile zum EMS-Geschäft. „Gegenwart und Zukunft der EMS-Industrie in Europa sind heiß diskutiert, doch viele gängige Thesen über das EMS-Geschäft sind falsch. EMS hat Sexappeal und Zukunft!“, konterte Koppitz. Der Manager will die Katek SE Group zu einem Branchenführer formen. Der zweitgrößte EMS in Deutschland und ein europäischen Champion soll entstehen und eine überdurchschnittliche Umsatzrendite >8% erzielen. Nach Katek, Steca und ETL will die Gruppe weitere europäische Spieler zukaufen. Anstatt einer großen Organisation setzt Koppitz auf „Schnellboote im Flottenverband“. Die eigenständischen GmbHs sollen schnell, flexibel und nah am Kunden sein, während zentrale Funktionen in der Gruppe und spezielle Aufgaben in Competence Center Aufgaben gebündelt sind.

Fortsetzung folgt: Der nächste EMS-Tag findet statt am 18. Juni 2020 wie immer im Vogel Convention Center Würzburg. Über Fragen, Anregungen und Themenvorschläge zur Veranstaltung freut sich die Redaktion: Johann Wiesböck, E-Mail: johann.wiesboeck@vogel.de.

Bildergalerie

Alle Informationen zum EMS-Tag 2020 sowie einen Rückblick auf 2019 mit Bildergalerie und zahlreichen Impressionen finden Sie unter www.ems-tag.de.

Die 26-seitige Marktanalyse von Dieter Weiss und die Vortragfolien der anderen acht Referenten erhalten Sie zum Preis von 80€ + MwSt. auf Anfrage an Catharina Hille, E-Mail: catharina.hille@vogel.de, per Download-Link.

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