Eine Billiardstel-Sekunde in Zeitlupe
Photosynthese verstehen – und schnellere Computer-Chips bauen: Neue Messtechnik soll das Beobachten und Kontrollieren von ultraschnellen Prozessen mit Attosekunden-Auflösung ermöglichen.
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Viele chemische Prozesse sind so schnell, dass nur ihr ungefährer Ablauf bekannt ist. Bisherige Messmethoden sind schlicht zu langsam, sie zu erfassen. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat nun eine Technik entwickelt, die Trillionstel-Sekunden auflösen kann – und damit Einblick in ultraschnelle Vorgänge ermöglicht. Sie soll helfen, Prozesse wie die Photosynthese besser zu verstehen – und auch schnellere Computerchips zu entwickeln.
Ein wichtiger Teilschritt vieler chemischer Prozesse sind Ionisierungen. Ein typisches Beispiel dafür ist die Photosynthese. Diese Reaktionen dauern nur wenige Femto- (Billiardstel-Sekunden) oder sogar nur einige hundert Attosekunden (Trillionstel-Sekunden). Weil sie so extrem schnell ablaufen, sind zwar Anfangs- und Endprodukte der Reaktionen bekannt, nicht jedoch die Reaktionswege und Zwischenprodukte.
Zum Verfolgen solcher ultraschnellen Prozesse benötigen Wissenschaftler eine Messtechnik, die noch schneller ist als der beobachtete Prozess selbst. Eine solche Messtechnik ist die „Pump-Probe Spektroskopie“: Dabei wird die Probe von einem ersten Laserpuls angeregt und die Reaktion in Gang gesetzt. Ein zweiter, zeitversetzter Puls „fragt“ dann den aktuellen Zustand des Prozesses ab. Durch Wiederholungen der Reaktion mit unterschiedlichen Zeitverzögerungen ergeben sich viele einzelne Momentaufnahmen, die sich schließlich zu einer flüssigen Bildfolge zusammensetzen lassen.
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Nun ist es Wissenschaftlern um Birgitta Bernhardt, ehemals Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Laser- und Röntgenphysik der TU München und inzwischen Junior-Professorin am Institut für Angewandte Physik der Universität Jena, am Beispiel des Edelgases Krypton erstmals gelungen, zwei verschiedene Pump-Probe-Spektroskopietechniken zu kombinieren und so die ultraschnellen Ionisierungsprozesse in zuvor nicht möglicher Genauigkeit sichtbar zu machen.
„Vor unserem Experiment konnte man entweder betrachten welcher Anteil des anregenden Lichtes über die Zeit von der Probe absorbiert wird oder messen welche und wie viele Ionentypen dabei entstehen“, erklärt Bernhardt. „Wir haben nun beide Techniken vereint und können auf diese Weise sehen, über welche genauen Schritte die Ionisierung abläuft, wie lange diese Zwischenprodukte bestehen bleiben und was genau der anregende Laserpuls in der Probe tut.“
Kontrolle ultraschneller Prozesse
Mit der Kombination der beiden Messtechniken können die Wissenschaftler jedoch nicht nur ultraschnelle Ionisierungsprozesse aufzeichnen. Durch die Variation der Intensität des zweiten, abfragenden Laserpulses können sie erstmals auch die Ionisierungsdynamik gezielt kontrollieren und auf diese Weise beeinflussen. „Diese Kontrolle ist ein sehr starkes Instrument“, erklärt Bernhardt. „Wenn wir schnelle Ionisierungsprozesse genau nachvollziehen und sogar beeinflussen können, lernen wir viel Neues über lichtgesteuerte Prozesse wie die Photosynthese – gerade über jene ersten Momente, die diese komplexe Maschinerie in Gang setzen und die bislang kaum verstanden sind.“
Auch für das Entwickeln neuer, schnellerer Computerchips, in denen die Ionisierung von Silizium eine wesentliche Rolle spielt, ist die von Bernhardt und ihren Kollegen entwickelte Technik interessant. Kann man Ionisierungszustände von Silizium innerhalb eines so kurzen Zeitfensters nicht nur abfragen, sondern auch kontrolliert setzen – wie es die ersten Experimente am Krypton nahelegen – könnten Wissenschaftler dies vielleicht einmal nutzen, um neuartige und noch schnellere Computertechnologien zu entwickeln.
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