Kalt-Verguss, Schutzlack und Niederdruck-Verguss Die drei Möglichkeiten für den Komponentenschutz
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Elektronische Bauteile können durch unterschiedliche Verfahren geschützt werden, um Lebensdauer, Funktion und Zuverlässigkeit zu steigern. Potting, Conformal Coating und Hotmelt Moulding sind drei gängige Möglichkeiten. Wann sollten Sie welches Verfahren anwenden?

Elektronische Bauteile lassen sich vor Schock, Vibration, Feuchtigkeit, Schmutz, hohen Temperaturen, anhaltenden Temperaturschwankungen und deren Folgeschäden durch verschiedene Verfahren schützen. Ein solcher Komponentenschutz trägt also wesentlich zur Verbesserung von Lebensdauer, Funktionssicherheit und Zuverlässigkeit der Endprodukte bei.
Aus diesem Grund kommen Komponentenschutzverfahren in vielen Anwendungen bereits regelmäßig zum Einsatz: Beispiele finden sich in der Elektromobilität, Industrie-Automation, Bahnanwendung, Medizintechnik, Windkraft und Solartechnik, Kommunikationselektronik genauso wie in der Landwirtschaft und bei Haushaltsgeräten.
Immer kleiner werdende elektronische Komponenten erfordern unterschiedliche Schutzmaßnahmen, um Kriechstrecken wieder zu vergrößern und Luftstrecken zu eliminieren.
Je nach Beanspruchung und Einsatz der Komponenten wählt der Konstrukteur beispielsweise zwischen den Verfahren Potting (Kalt-Verguss), Conformal Coating (Dünn- und Dickschichten) und Hotmelt Moulding (Niederdruck-Verguss).
Potting: Die Vorteile des Kalt-Vergusses
Beim Potting werden sehr häufig 1- und 2-Komponenten-Vergussstoffe, sogenannte Potting Compounds, eingesetzt. Bei den 2-Komponenten-Vergussstoffen vermischt man Harz und Härter in einem definierten Mischungsverhältnis mit entsprechender Maschinentechnik und gießt die Mischung über ein statisches Mischrohr in die Kavität (Hohlraum).
Dieser Kalt-Verguss gehört zu den nicht-formgebenden Verfahren und benötigt einen Hohlraum (Gehäuse), in den die Vergussmasse eingefüllt wird.
Potting bietet viele Vorteile: Der Kalt-Verguss sorgt für eine gute elektrische Isolation, hohe Wärmeableitung und reduziert Vibrationen und Schockeinwirkungen. Er ist beständig gegen Chemikalien, Feuchtigkeit, Thermoschock und Biegezyklen und schützt die Elektronik vor Staub und besitzt darüber hinaus flammhemmende Eigenschaften.
Standardmäßig kommen dabei je nach spezifischer Anforderung Epoxid-, Polyurethan- und Silikonharze zum Einsatz. Sie alle unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Eigenschaften (Tabelle 1).
Neben den genannten Materialien gibt es auch noch Spezial-Vergussstoffe und Gießharze. Diese kommen jedoch nur unter Extrembedingungen zum Einsatz. So schützen sie gemäß der ATEX-Anforderungen beispielsweise vor Explosionen, indem sie die chemische Reaktion von Zündquelle, brennbarem Stoff und Sauerstoff unterbinden.
Außerdem ermöglichen sie eine elektrische Isolierung gegen Hochspannung (bis 30 kV/mm), schützen gegen Überhitzung durch partielle Wärmeentwicklung und bieten mit der Schutzklasse IP68 Schutz gegen Staub sowie gegen dauerhaftes Untertauchen.
Ein Kalt-Verguss bietet dem Anwender viele Möglichkeiten. Typische Produkte, bei denen das Verfahren angewandt wird, sind Akkupacks, Leistungs- und Steuerelektronik, Ladegeräte, Explsionsgeschützte Elektronik, Sensoren, Monitore und Displays.
Conformal Coating: Die Möglichkeiten mit Schutzschichten
Mit dem sogenannten „Conformal Coating“ werden Leiterplatten vollständig oder selektiv mit einer Schutzschicht versehen. In der Regel unterscheidet man zwischen zwei Varianten der Beschichtung: Die Dünnschichtbeschichtung verspricht mit ihrer schnellen Härtung und der angepassten Viskosität eine hohe Wirtschaftlichkeit der Fertigungsprozesse.
Ein besonders hoher Kanten- und Flächenschutz, der elektronische Baugruppen insbesondere vor extremer Feuchte bewahrt, wird dagegen mit der Dickschichtbeschichtung erzielt. In beiden Fällen sind die Schutzschichten nach der Trocknung zwischen 30 und 2.000 µm dick. Somit kann die elektronische Baugruppe immer noch bei engen Platzverhältnissen verbaut werden.
Aufgrund der unterschiedlichen Viskosität der Schutzlacke und somit ihrem unterschiedlichen Ausfließverhalten, wird gerne das Prinzip Dam & Fill auf den bestückten elektronischen Baugruppen angewandt.
Dabei nutzt man ein unterschiedliches Fließverhalten aus, die Thixotropie: Ein thixotropes Material wird während seiner Verformung flüssig, kehrt nach Beendigung der Belastung zur Ausgangsviskosität zurück und verhärtet sich.
Bei Dam & Fill wird mit einem thixotrop eingestellten Schutzlack ein „Dam“ (dt.: Damm) um die Bauteile gelegt, die nicht vergossen werden dürfen, beispielsweise den Steckverbinder. Die übrigen Komponenten werden anschließend mit einem niedrigviskosen Schutzlack benetzt („Fill“, dt.: Füllung).
Für das Conformal Coating nutzt man verschiedene Polymere. Anwender können zwischen silikonbasierten und UV-vernetzenden Produkten wählen. Erstere eignen sich aufgrund ihres breiten Temperaturspektrums von –40 bis 200 °C gut für harsche Einsatzbedingungen wie in der Luft-und Raumfahrt oder für Offshore-Anwendungen.
UV-vernetzende Polymere bestehen aus Acrylaten und Polyurethanen oder Hybriden beider Kunststoffe. Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie durch UV-Bestrahlung sehr schnell aushärten und eine sehr gute thermische Schockbeständigkeit mitbringen.
Die Einsatzgebiete des Conformal Coatings sind vielfältig und reichen vom Automotive-Bereich bis hin zur Bahntechnik, Sensorik, Industrieelektronik, Medizintechnik sowie Offshore-Windkraft und Luft- und Raumfahrttechnik.
Hotmelt Moulding: Die besondere Vergussform mit Niederdruck
Eine besondere Form des Vergusses ist das Hotmelt Moulding. Bei diesem Niederdruck-Vergussverfahren wird in einem Arbeitsschritt die Baugruppe mit einem Material umhüllt, wobei eine „Gehäusestruktur“ entsteht, die die Baugruppe gleichzeitig schützt.
Die Elektronik wird dabei nicht beschädigt, da die niederviskosen, thermoplastischen Materialien eine niedrige Verarbeitungstemperatur aufweisen und mit einem weitaus geringeren Einspritzdruck als beim normalen Kunststoffspritzguss verarbeitet werden. Das schont zum einen die Bauteile, lässt zugleich die Thermoplaste schnell aushärten und macht das Verfahren relativ preiswert.
Der Niederdruck-Spritzguss ermöglicht somit, dass selbst sensible Bauteile wie Kontakte, Sensoren, Leiterplatten und Spulen umweltfreundlich umhüllt, verklebt oder nach IP68 abgedichtet werden und damit auch vor stärksten Beanspruchungen geschützt sind.
Hotmelt Moulding eignet sich sehr gut für den Schutz elektronischer Komponenten in landwirtschaftlichen Maschinen: Es bewahrt zuverlässig und langanhaltend vor Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Korrosion und Erschütterungen.
Potting, Conformal Coating oder Hotmelt Moulding: Welches Komponentenschutzverfahren sich am besten eignet, ist immer vom jeweiligen Einsatzgebiet der Elektronik und den damit verbundenen Anforderungen abhängig. Eine One-Size-Fits-All-Lösung gibt es nicht.
Komponentenschutz bei Steckverbindern
Extreme Temperaturen, Schmutz und Feuchtigkeit, chemischer oder mechanischer Beanspruchung: Mit dem geeigneten Komponentenschutzverfahren ist die Elektronik vor nahezu jeder äußeren Einwirkung geschützt. Ein Verguss ist allerdings nur dann möglich, wenn die Funktion der verbauten Komponenten durch die eingesetzten Werkstoffe nicht eingeschränkt wird.
Dazu ist jedoch auch ein entsprechend vergusskompatibler Anschluss notwendig – der Einsatz gewöhnlicher Leiterplatten-Steckverbinder ist damit ausgeschlossen. Grund hierfür ist die meist zweiteilige Feder-Messer-Kontakttechnik, bei der die Vergussmasse in den vulnerablen Steckbereich eindringen und somit die Kontaktierung behindern kann.
Bei herkömmlichen Steckverbindern muss daher mittels Dam & Fill der Kontaktbereich vor dem Verguss abgedichtet werden, damit er nicht durch die Vergussmasse kontaminiert wird (Bild 2). Hierbei geht es darum, dass die Vergussmasse im Kontaktbereich zum einen die Kontaktpunkte beeinträchtigen und damit eine Signalübertragung unterbrechen kann. Zum anderen würde sie die Relaxationseigenschaften der Feder hemmen.
Um einen Verguss dennoch zu ermöglichen und dabei die erforderliche Ausfallsicherheit zu gewährleisten, empfiehlt sich eine einteilige Anschlusslösung, also eines Steckverbinders, der ohne den herkömmlichen Steckbereich auskommt. Bei einem einteiligen Stecker ist ein Eindringen der Vergussmasse in den Kontaktbereich unmöglich.
Einpresstechnik als Anschlusstechnik der Wahl
Einteilige Steckverbinder bringen demnach die nötige IP-Schutzart für diese Werkstoffe mit, um einen Verguss – und damit eine dauerhafte und robuste Anschlusslösung – zu ermöglichen. Doch auch die Wahl der Anschlusstechnik spielt eine wichtige Rolle.
Mithilfe von beidseitigen Einpresszonen wird der Anschlussbereich aufgrund der Kaltverschweißung zwischen der Kupferhülse und der Einpresszone gasdicht und bildet somit eine vergießbare Verbindung zwischen zwei Leiterplatten, die sich im Feld bereits milliardenfach bewährt hat.
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Um diese gasdichte Verbindung zu gewährleisten, ist es jedoch notwendig, die Durchkontaktierung gemäß vorgegebener Spezifikation zu realisieren: Dadurch, dass der Steckbereich entfällt, hält ein Steckverbinder in Einpresstechnik Schockbelastungen bis zu 200 g stand. Auch Materialbewegungen in Folge großer Temperaturschwankungen sowie der Einfluss von Schadgas beeinträchtigen die Verbindung nicht.
Einpresstechnik: Bessere Zuverlässigkeit als beim Löten
Durch die Einpresstechnik erhöht sich die Zuverlässigkeit im Vergleich zur Löttechnik um ein Vielfaches, da weder kalte noch gebrochene Lötstellen auftreten können. Außerdem lassen sich so aufwendige selektive Lötarbeiten, teure Kabellösungen und Abstandshalter vermeiden, wodurch sich nicht nur Platz auf der Leiterplatte sparen lässt, sondern sich auch die Kosten um bis zu 50 Prozent senken lassen können.
Mit nur einem Bauteil wird sowohl eine mechanische als auch elektrische Verbindung hergestellt. Gerade bei modular gestalteten Baugruppen mit konfigurierbaren Funktionen oder unterschiedlichen Performance-Levels lässt sich der Einpressvorgang gut am Ende des Bestückungsprozesses einbringen.
Hier können nach Wahl unterschiedliche Module auf Basis-Leiterplatten aufgebracht werden. So lässt sich in einem schnellen Arbeitsschritt eine hohe Vielfalt an Produkten fertigen. Da auch ein abschließendes Vergießen der Baugruppe möglich ist, bleibt die elektrische und mechanische Verbindung zuverlässig bestehen.
Fazit: Durch einen Verguss können Anwender ihre elektronische Baugruppe vor aggressiven Umwelteinflüssen maximal schützen. Wer für seine Anwendung jedoch einen Komponentenschutz in Betracht zieht, muss auch einen geeigneten Steckverbinder in Kombination mit der geeigneten Anschlusstechnik auswählen. Einteilig, eingepresst und vergossen – in dieser Kombination sind elektronische Baugruppen gegen (fast) alle Einwirkungen gewappnet. (kr)
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