Der Masterplan „made in China 2025“

Julia Schmidt |

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Zollstrafen, Handelskrieg, Technologie-Ausverkauf und der Verlust von Know-how: Wer ängstlicher Natur ist, mag sich aktuell große Sorgen, um die wirtschaftliche Zukunft Europas und Deutschlands machen. Für China-Experte Prof. Markus Taube ist Abschottung jedoch keine Lösung.

ELEKTRONIKPRAXIS hat sich mit dem China-Experten Prof. Markus Taube über die aktuelle Situation und den Masterplan 2025 unterhalten und ihn um eine Einschätzung gebetenn.
ELEKTRONIKPRAXIS hat sich mit dem China-Experten Prof. Markus Taube über die aktuelle Situation und den Masterplan 2025 unterhalten und ihn um eine Einschätzung gebetenn.
(Bild: clipdealer)

ELEKTRONIKPRAXIS hat sich mit dem China-Experten Prof. Markus Taube über die aktuelle Situation und den chinesischen Masterplan 2025 unterhalten und ihn um eine Einschätzung gebeten. Er ist seit 2009 Kodirektor des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr mit Sitz in Duisburg und verantwortlich für den Programmbereich „Wirtschaft China“.

ELEKTRONIKPRAXIS: Herr Prof. Taube, was ist der Masterplan 2025?

Prof. Markus Taube: Das ist im Endeffekt das große industriepolitische Programm – die große industriepolitische Vision Chinas für die nächsten Jahrzehnte – made in China 2025. Es ist nur der erste Teil eines faktisch 30-jährigen Plans, der bis ‘45 gehen soll, indem Chinas Industrie neu aufgesetzt werden kann, die gesamte Industrie in höhere Wertschöpfungsstufen hochgeführt werden soll, die Innovationsleistung gestärkt werden soll, etc.

Das heißt, es handelt sich in Wirklichkeit um einen Transformationsplan – nicht im Sinne von Marktplan – sondern im Sinne von geringerer Wertschöpfung zu höherer Wertschöpfung und höherer eigenständiger Innovationsleistung.

Es ist das zentrale industriepolitische Dokument, an dem alle Entscheidungsträger sich in China momentan ausrichten müssen. Entwickelt wurde es von der Zentralregierung in Kooperation mit den Industrieverbänden und den großen Unternehmen – den staatlichen und privaten bzw. semiprivaten. Der Plan wird sehr konsequent umgesetzt, auf allen politischen Ebenen, den Lokalregionen, Staatsunternehmen etc. Alle müssen sich darauf berufen. Banken sind gehalten, ihre Kreditvergaben nach Maßgabe dieses Planes auszurichten. Patentbehörden, Außenhandelsagenturen etc., alle sind danach ausgerichtet.

Und der Big Fund, der die Halbleiterindustrie stärken soll, ist ein Teil dieses Masterplan?

Genau. China ist keine Marktwirtschaft, das müssen wir festhalten. China ist eine eigenartige Mischung aus kollusivem Verhalten von Unternehmensführern, Unternehmenslenkern und der Partei bzw. der Regierung. Die Partei ist immer die entscheidende Größe. Und wir haben hier eine eigenartige Mischung aus Wettbewerb und staatlicher Steuerung.

Im Grunde genommen kann man sagen, dass China ein einziges riesiges Kartell ist. Der Wettbewerb der Unternehmen ist sehr gering, weil alle von einer zentralen Zielsetzung geeint sind. Das ist momentan „China 2025“. Daran hängen diverse Programme, die von den verschiedenen Agenturen aufgesetzt werden. Davon ist eines der Big Fund, mit dem die Halbleiterindustrie in China gestärkt werden soll.

Wie realistisch ist dieser Masterplan? Können die Chinesen den Plan verwirklichen?

Chinesische Pläne sind grundsätzlich nicht in Stahl gegossen, sondern werden während der Implementierungszeit permanent überarbeitet. Das heißt, auch der Masterplan „made in China 2025“ ist bereits in der Anpassung. Die Pläne werden im Laufe der Laufzeit permanent an sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst. Grundsätzlich glaube ich, dass das, was vorgesehen ist, durchaus machbar ist, mit den Verschiebungen, die wir jetzt bereits beobachten. Wir haben momentan als großen Destructor die Trump-Administration und unter anderem die verhängten Zölle, die mit rein spielen. Das verändert die Rahmenbedingungen und verändert auch die Umsetzbarkeit von „made in China 2025“.

Allerdings muss man auch feststellen – das konnte man bei der gesamten Episode rund um ZTE sehen: Die Sanktionen, die Zollstrafen, die von der Trump-Administration erlassen werden, führen eher dazu, dass die chinesische Seite noch mehr Ressourcen in die Entwicklung von eigenen technologischen Kapazitäten steckt.

Damit wird die Entwicklung von Innovation und Produktionskapazitäten weiter beschleunigt. Das heißt, man wird versuchen, nicht noch einmal in eine Situation zu kommen, in der man von Qualcomm-Chips abhängig ist. Sondern China wird versuchen, die gesamte Kompetenz so schnell wie möglich im eigenen Land vorzuhalten. Das heißt: Alles, was gerade von der Trump-Administration gegen China beschlossen wird, ist ein Beschleunigungsfaktor für die weitere Entwicklung in der Volksrepublik.

Auf der einen Seite will man unabhängig werden von westlichen Zulieferern, wie etwa mit dem Big Fund. Auf der anderen Seite kaufen die Chinesen massiv Knowhow ein, kleine, spezialisierte Firmen zum Beispiel in Europa. Will man damit auch außerhalb von China die wirtschaftliche Macht stärken?

Naja, das hat manchmal diesen Duktus des wirtschaftlichen Imperialismus. Das ist nur bedingt der Fall. Man muss verstehen, dass wir von sehr großen Konzernen sprechen, die teilweise finanziell super aufgestellt sind und die sich sagen: „Weshalb soll ich auf China beschränkt bleiben, wenn ich da draußen eine Weltwirtschaft habe. Da sind Märkte, die würden es mir erlauben, meine Umsätze zu erhöhen und meine Profite zu steigern.“ Das heißt, es ist teilweise normales kapitalistisches Kalkül, dass die Unternehmen auf die globalen Märkte gehen wollen, um zu wachsen, um ihre Möglichkeiten voll auszuspielen. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass wir eine neue Form von Arbeitsteilung haben und die Chinesen sagen: „Ok, das, was wir im eigenen Land nicht haben, versuchen wir eben, uns im Ausland zuzukaufen.“ Und das sind bislang noch, an dieser Stelle wohlgemerkt „noch“ (nicht in alle Ewigkeit), eine erhöhte Innovationskraft sowie eine erhöhte Kreativität der ausländischen Unternehmen. Wenn man das im eigenen Land nicht bekommt, weil dort die Rahmenbedingungen fehlen, man dort nicht die Ingenieure hat, wenn die Unternehmensstrukturen noch fehlen, die derartige Innovationsleistungen fördern, versucht man das im Ausland aufzukaufen.

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Deutschland ist aktuell ein Hauptziel, weil die Amerikaner die Chinesen momentan nicht reinlassen. Umso mehr Geld fließt nach Europa und nach Deutschland. Man kann aber nicht von vornherein sagen, dass die Chinesen versuchen die Welt zu erobern. Nein, das ist grundsätzlich ein ganz normales kapitalistisches Kalkül. Unsere Unternehmen haben das in der Vergangenheit ganz genauso gemacht.

Das Problem besteht darin, dass einige der Unternehmen, die hier aktiv sind, Gelder einsetzen, die vom Staat kommen oder die staatlich subventioniert worden sind. Dann haben wir jedes Recht der Welt zu sagen: Stopp, das hat mit fairem Marktwettbewerb nichts mehr zu tun. Sondern hier haben wir eine staatliche Agentur dahinter, die Unternehmen mit einer Finanzkraft und Wettbewerbsstärke ausstattet, die sie eigentlich nicht haben. Deshalb müsste man das unterbinden. Das ist das zentrale Argument und dieses ist in einigen Fällen mit Sicherheit auch korrekt.

China ist aber keine klassische Marktwirtschaft wie unsere. Wenn Sie mit den Leuten vor Ort reden, dann ist der Tenor immer: „Was willst Du denn? Das ist unsere Art von Marktwirtschaft. Was hast Du für ein Problem damit?“ Hier spielen auch die Unterschiede der Kulturen, der Normen und im Werteverständnis hinein. Die Chinesen sind der Ansicht, dass es ihr gutes Recht ist. Sie haben seit 40 Jahren einen riesigen Wirtschaftsboom. Das ist offensichtlich ein erfolgreiches Konzept. Die Meinung ist „Ihr solltet Euch ändern, nicht wir.“ Das sollte man auch durchaus mal überdenken.

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