40 Jahre Sony Walkman
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Der mobile, individuelle Musikgenuss vor iPod und Spotify: Mit dem Walkman erschien am 21. Juni 1979 erstmals ein echtes portables Musik-Abspielgerät. Einst nur ein „Billigteil aus Japan“, gilt es heute als eine Ikone der 80er-Jahre.

Musik hören zu jeder Zeit, an jedem Ort, ungestört von der Umgebung und in dem Stil, der einem gerade persönlich am Liebsten ist – dieser Menschheits-Wunsch ist wohl so alt wie die Musik selbst. Heute können wir dank Smartphones, mobilem Internet und Musik-Streaming-Diensten diesem Wunsch frönen, und unseren Lieblingsinterpreten lauschen, wann immer uns danach ist. Doch die Möglichkeit, seine eigenen, individuellen Musikzusammenstellungen mobil genießen zu können, ist gerade einmal 40 Jahre alt.
Der lange Weg zum Walkman
Der Weg zu einem Musikabspielgerät, dass nicht nur portabel und kompakt war, sondern auch die Möglichkeit bot, Musik individuell auswählen und abspielen zu können, war weit. Bereits 1857 ließ der Franzose Édouard-Léon Scott de Martinville sich mit dem Phonoautografen eine Technik patentieren, die es erlauben sollte, Töne aufzuzeichnen und zu einem späteren Zeitpunkt wiederzugeben. Das erste Produkt, dass es zur Marktreife schaffte, war der 20 Jahre später von Fhomas Edison entwickelte Phonograph, den er im Dezember 1877 erstmals demonstrierte. Erst auf Staniol, später auf Wachszylinder: Die ältesten überlebenden Musikaufzeichnungen für diese Technik stammen aus dem Jahr 1888. Kurze Zeit später brachten die vom Deutsch-Amerikaner Emil Berliner erfundene Schallplatte und das Grammophon Musik in heimische Wohnzimmer. Von echter Mobilität konnte hier aber nicht die Rede sein. Die zugrunde liegende Technologie war sehr empfindlich, sowohl was das Trägermedium als auch die Abspielgeräte betraf.
In den 20er Jahren erschienen mit den ersten Radio-Empfängern erstmals Geräte, die Ton auch ohne empfindliche Wachszylinder oder Schallplatten wiedergeben konnten. Noch in derselben Dekade kamen Unternehmer auf die Idee, tragbare Radios zu vermarkten, die Konsumenten die Möglichkeit gaben, Nachrichten und Musik auch im Freien zu hören. Diese noch auf Vakuumröhren-Technologie setzenden „Kofferradios“ waren allerdings sehr sperrig und schwer - und auf dem Empfang eines Radiosenders angewiesen. Von individueller Musikzusammenstellung konnte noch keine Rede sein.
1953 schließlich erschien mit dem Transistorradio das erste Rundfunkempfangsgerät, dass die Bezeichnung „portabel“ wirklich verdiente: Erstmals war ein Gerät auf dem Markt erschienen, dass auf Grund miniaturisierter Elektronik relativ leicht und von den Abmessungen her kompakt war Von einer individuellen Musikzusammenstellung war man aber weiterhin noch weit entfernt.
Für die echte Portabilität und den individuellen Musikgeschmack fehlte aber noch das richtige Trägermedium. 1935 brachte der deutsche Hersteller AEG mit dem Magnetophon K1 das erste Tonbandgerät auf dem Markt, dass auf Magnetbänder als Speichermedium setzte. Das Gerät in Truhenform wog mehrere Kilogramm und war nur als Tisch-Abspielgerät geeignet: Die Spulen für das Magnetband hatten einen Durchmesser von 25 cm, einen Bandwickel von 1000m und ermöglichten so eine Abspieldauer von maximal 20 Minuten (bei einem Frequenzgang 50 Hz bis 5 kHz und einem Geräusch-Spannungs-Abstand ca. 35 dB).
Ein weiterer entscheidender Meilenstein auf dem Weg zur wirklich portablen Musik war die Erfindung der Kompaktkassette, die der niederländische Hersteller Philips am 28. August 1963 auf der deutschen Funk-Ausstellung in Berlin erstmals der Weltöffentlichkeit präsentierte. Der Magnetband-basierte Speicher maß gerade einmal 10,16 cm × 6,35 cm × 1,27 cm und war dadurch deutlich handhabbarer als sperrige Bandspulen. Zur selben Zeit stellte Philips den zugehörigen Kassettenrekorder Philips EL 3300 vor. An Musik dachten die Niederländer zu diesem Zeitpunkt erst einmal nicht – der Rekorder sollte in erster Linie für Interviews und Gesprächsaufzeichnungen dienen. Als die amerikanischen Dolby Laboratories mit Dolby B allerdings ein System zur Geräuschreduzierung in Aufzeichnungen präsentieren, wurde die Kassette auch für die Musikwiedergabe interessanter.
Design und Praktikabilität sollten entscheidend sein
Wie so oft bei Geräten mit besonders großem Erfolg lag das Geheimnis mehr in den Details als in einer grandiosen Innovation. So hatte bereits 1977 der Deutsche Andreas Pavel ein Gerät zum Patent angemeldet, dass auf Basis von Kompaktkassetten eine „körpergebundene Kleinanlage für hochwertige Wiedergabe von Hörereignissen“ ermöglichen sollte. Und auch bei Sony selbst gab es schon mobile Kassettengeräte im Programm, die allerdings in erster Linie – ähnlich wie bei Philips – als Diktiergeräte vermarktet wurden.
Eines davon trug Firmen-Mitgründer Masaru Ibuka auf seinen zahlreichen Geschäftsreisen mit sich – allerdings um unterwegs Musik zu hören. Der Legende nach wollte er etwas Kompakteres für den Zweck. Andere Quellen nennen Sony-Firmengründer Akio Morita selbst als Erfinder des Walkman: in seiner 1986 erschienenen Autobiografie „Made in Japan“ beschreibt er die Entstehung des Walkmans folgendermaßen: „Die Walkman-Idee nahm Gestalt an, als Ibuka eines Tages mit bekümmertem Gesicht eines unserer Tonbandgeräte in mein Büro brachte. Auf meine Frage nach dem Grund seiner Verstimmung meinte er: ‚Ich höre so gern Musik, aber ich möchte auch niemanden stören. Ich kann aber auch nicht den ganzen Tag zu Hause bleiben und Stereo hören. Deshalb nehme ich das Gerät zur Arbeit mit – bloß, es ist einfach zu schwer.‘“
Dieses Lamento habe ihn auf die Idee gebracht, den Walkman zu entwickeln. Im Februar 1979 weist Morita seine Ingenieure an, das Tonbandgerät TC-D5, ein Modell der „Pressman“-Reihe,, zu überarbeiten: Sie sollen aus dem hochwertigen, aber für mobile Nutzung zu schweren Kassettenrekorder Lautsprecher und Aufnahmeteil ausbauen und durch Stereo-Ausgänge für Kopfhörerbetrieb zu ersetzen. Innerhalb des Sony-Konzerns stößt diese Idee erst einmal auf Widerstand: der Verzicht auf Lautsprecher und Aufnahmefunktion wird als unnötige Beschränkung der technischen Möglichkeiten wahrgenommen. Doch letztlich setzt sich Morita mit der Idee eines kompakten, reinen Abspielgeräts durch.
Am 21. Juni 1979 stellte Akio Morita erstmals das Gerät TPS-L2 öffentlich vor. Aufgrund der kompakten Bauweise kommt der Ur-Walkman mit gerade einmal zwei AA-Batterien als Stromversorgung aus. Das Gerät wiegt gerade einmal 390 Gramm und ist mit Abmessungen von 3,50 cm × 14,00 cm × 9,50 cm nur unwesentlich größter als eine Kompaktkassette selbst. Dank einer zweiten Kopfhörer-Buchse konnten sogar zwei Menschen gleichzeitig die abgespielte Musik genießen. Ein zweifarbiges Gehäuse in Blau und Silber machte das Gerät auch optisch ansprechend. Der Preis betrug gerade einmal 33.000 Yen, knapp zu diesem Zeitpunkt umgerechnet etwa 125 US-$ – gerade einmal ein Drittel von dem, was der „Pressman“ TC-D5 kostete. Die ersten Geräte in Deutschland kosten im Frühjahr 1980 aufgrund hoher Import-Kosten noch 400 Mark.
Trotzdem hielt sich bei Sony der Optimismus zunächst in Grenzen. Auf rund 5000 Stück pro Monat wurde die Nachfrage veranschlagt. Tatsächlich gingen bereits in den ersten beiden Monaten auf dem Markt rund 50.000 Geräte über den Ladentisch.
Der Walkman: Prägendes Musik-Element der 80er-Jahre
Sony gab sich größte Mühe, den Walkman zu vermarkten. Man setzte auf ein Konzept, dass das „typische japanische Elektronikgerät“ verkörpern sollte: Ein High-Tech-Gerät, dass aber klein und leichtgewichtig ist. Der Walkman sollte sich zudem in erster Linie an junge Käufer richten – und in dieser Zielgruppe schlägt das Konzept gewaltigen Erfolg.
Endlich bestand eine Möglichkeit, unabhängig vom festen Radioprogramm individuell zusammengestellte Musik überall mit hin zu nehmen und dort zu hören, wo man wollte. Eine Generation Jugendlicher erstellte eigene „Mixtapes“, Kassettenaufnahmen mit den Zusammenstellungen ihrer eigenen Lieblingssongs - was von Plattenlabels missliebig aufgenommen wurde. Ähnlich wie später bei den MP3s oder bei modernen Streamingportalen warnte die Musikindustrie Anfang der 1980er Jahre, dass diese heimischen Aufnahmen die Musikindustrie töten würde. „Home Taping Is Killing Music“ war etwa eine 1980 gestartete, oft parodierte Kampagne des Verbands der britischen Musikindustrie.
Dennoch war der Siegeszug der Walkmen nicht aufzuhalten. Mit dazu beigetragen hat sicher auch die in den 1980er-Jahren aufkommende Aerobic- und Fitnesswelle, die nach einem Musik-Abspielgerät für den mobilen Workout verlangte. Störungsfrei Musik beim Joggen oder im Bus hören zu können war erstmals wirklich möglich.
Der Walkman beschrieb letztlich nicht nur ein Produkt, der Begriff wurde so allgemein gebräuchlich, dass er zum herstellerunabhängigen Begriff für die allgemeine Gerätekategorie mutierte. 1986 zog das Wort sogar in das Oxford English Dictionary ein. Das hielt Sony nicht davon ab, den Namen weiter zu vermarkten: Das Unternehmen brachte nach dem ursprünglichen Gerät noch Dutzende Nachfolger unter dem Namen Walkman auf den Markt.
Als mit der CD ein Trägermedium mit potentiell besserer Tonqualität und einer höheren Speicherdichte auf den Markt kam, ging die Popularität von Kassetten-Abspielgeräten langsam zurück. Der Walkman blieb zunächst im Vergleich zum Pendant Discman weiter populär, da die Geräte weniger empfindlich bei Erschütterungen waren. Doch Ende der 1990er Jahre begannen MP3-Player den Markt zu erobern, die nicht nur leichter und kompakter waren, sondern auch Platz für mehr Musik und eine nicht-lineare Abspielmöglichkeit von Songs ermöglichten. Am 23. Oktober 2001 stellte Apple schließlich unter dem Konzept des „Walkman fürs 21. Jahrhundert“ den ersten iPod vor. Mit dem Versprechen, 1000 Songs einfach in der Tasche mit sich führen zu können, konnte kein kassettenbasiertes Gerät mehr mithalten.
2010 schlug für den Sony Walkman schließlich das letzte Stündchen: Nach einer Produktionszeit von mehr als 30 Jahren und einer Gesamtstückzahl von über 385 Millionen Geräten wurde die Produktion im Oktober des Jahres eingestellt. Eine Ära war zu Ende.
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