EP Basics: Gehäusesysteme 19-Zoll-Systeme kurz erklärt: Backplane-Architekturstandards (Teil 3)

Von Sebastian Schenk *

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Im letzten Teil der Serie zu 19-Zoll Backplane-Standards konzentrieren wir uns auf die Architekturen AdvancedTCA und MicroTCA, welche überwiegend in der Telekommunikationsbranche zum Einsatz kommen.

19-Zoll-Backplanes: Die Architekturen AdvancedTCA und MicroTCA werden überwiegend in der 
Telekommunikationsbranche eingesetzt.
19-Zoll-Backplanes: Die Architekturen AdvancedTCA und MicroTCA werden überwiegend in der 
Telekommunikationsbranche eingesetzt.
(Bild: Heitec)

Die Advanced Telecom Computing Architecture (AdvancedTCA) oder auch ATCA-Spezifikationen – bezeichnet als PICMG 3.X – wurden Ende 2002 von der PICMG verabschiedet, um eine offene, herstellerübergreifende Architektur bereitzustellen, die speziell auf die Anforderungen der Netzbetreiber im Bereich Ausfallsicherheit zugeschnitten ist.

Sie gehen auf eine umfassende Initiative der ITK-Industrie zurück, um den Entwicklungen bei Hochgeschwindigkeits-Verbindungstechnologien, Prozessoren der nächsten Generation und den erhöhten Anforderungen an Datendurchsatz, Zuverlässigkeit, Verwaltbarkeit und Wartungsfreundlichkeit der Systeme zu entsprechen.

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Die Architektur ist so ausgelegt, dass die Geräte auch bei Ausfall einzelner Komponenten oder Subsysteme weiterlaufen können und im Jahr durchschnittlich weniger als 5 Minuten ausfallen. Das entspricht einer Verfügbarkeit von 99,999 Prozent der Gesamtzeit, was auch als „carrier grade“, also für Netzbetreiber geeignet, bezeichnet wird.

Die Gehäuseabmessungen sind im Standard nicht vorgegeben, aber ein 19-Zoll-AdvancedTCA-Gehäuse ist häufig 12 bis 14 HE hoch und verfügt über 14 jeweils 30,48 mm (6 TE) breite Steckplätze. Auch kleinere Gehäuse in 3 HE oder 6 HE mit zwei oder sechs Steckplätzen, in denen die Boards horizontal angebracht werden, sind möglich.

AdvancedTCA – das sind die Erweiterungen

Ein AdvancedTCA-Board ist 280 mm tief und 322 mm hoch, der dafür verfügbare Slot 30,48 mm (6 TE) breit. Die Kartenfläche wurde um den Faktor 2,5 vergrößert, der Stromverbrauch auf 400 W pro Karte erhöht und ein fortschrittliches Plattformmanagement eingeführt. Die in der ursprünglichen Standardisierung definierte Datentransferrate betrug 10 GBit/s und wurde seither ständig erweitert.

Charakteristisch bei klassischen Gehäusen ist die Luftkühlung, bei der der Luftstrom von der Vorderseite des Shelfs über die Karten von unten nach oben geleitet wird und an der Rückseite wieder austritt.

Eine weitere Besonderheit: Ein Injektor-Auswurfgriff (Hebel) betätigt einen Mikroschalter, um dem Intelligent Platform Management Controller (IPMC) mitzuteilen, dass ein Bediener eine Platine entfernen möchte oder dass die Platine gerade installiert wurde, wodurch der Hot-Swap-Vorgang aktiviert wird.

AdvancedTCA-Karten unterstützen die Verwendung von PCI Mezzanine Card (PMC) oder Advanced Mezzanine Card (AMC) Erweiterungsmezzaninen. Das Systemmanagement ist per I²C-Bus mit jeder Karte und allen tragenden Komponenten verbunden, um den korrekten Betrieb zu überwachen.

Die AdvancedTCA-Backplane verwendet keinen Datenbus, sondern ein Interconnect-Schema mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen den Karten.

Steckverbinder für die drei Zonen der Backplane

Die Backplane-Definition ist in drei Zonen unterteilt. Die Steckverbinder in Zone-1 stellen die redundante 48-V-DC-Stromversorgung und die Shelf-Management-Signale für die Karten bereit. Die Anschlüsse in Zone-2 stellen die Verbindungen zum Base Interface und zum Fabric Interface her.

Die Steckverbinder in Zone-3 sind benutzerdefinierbar. Die Fabric-Schnittstelle auf der Backplane unterstützt viele verschiedene Fabrics wie Dual-Star, Dual-Dual-Star, Mesh oder andere Architekturen. Die Schnittstelle wird normalerweise für die Datenübertragung zwischen den Karten und dem externen Netzwerk verwendet. Insgesamt verfügt ein AdvancedTCA-System über 200 differentielle Leitungspaare. Pro Link kann ein Datendurchsatz von 40 GBit/s erzeugt werden.

Spezifikation PICMG 3.7-ATCA Extensions

Auch die Entwicklung in der Advanced­TCA-Welt steht nicht still: Durch den Bedarf an höherer Bandbreite in den Bereichen Mobilität, Video und Sicherheit wurde die Kapazität der ATCA-Plattform mittels Unterstützung von 100 GBit Backplane Ethernet verbessert.

Die neueste Spezifikation PICMG 3.7-ATCA Extensions bietet die Möglichkeit, doppelseitige Gehäuse zu verwenden, bei denen ATCA-Karten an der Vorderseite und der Rückseite eines doppelt-tiefen Racks eingesteckt und über die Backplane miteinander verbunden werden können.

Darüber hinaus erlaubt die Extensions-Spezifikation auch ein so genanntes Extended Transition Module (ETM), das über
Zone-3 Konnektoren mit einer Frontplatine verbunden wird.

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Dadurch können mehrere Prozessoren, größere Kühlkörper, billigere Speichermodule und mehrere Festplattenlaufwerke auf einer einzigen Baugruppe genutzt werden. Zusätzlich können auch doppelt breite Module mit einer maximalen Leistung von bis zu 800 W verwendet werden, falls das Rack dafür ausgelegt ist.

MicroTCA: Die kleine Variante von AdvancedTCA

MicroTCA (Micro Telecommunications Computing Architecture) ist ein modularer, offener Standard für den Aufbau hochleistungsfähiger, vernetzter Computersysteme mit kleineren Abmessungen als Advanced­TCA. MicroTCA-Systeme sind sowohl physisch kleiner als auch kostengünstiger als AdvancedTCA-Systeme, obwohl ihre internen Strukturen und das Plattformmanagement weitgehend identisch sind.

Ein vertikales 19-Zoll MicroTCA-Gehäuse ist typischerweise 8 HE bis 9 HE hoch und beherbergt bis zu 12 standardmäßige AMCs (Advanced Mezzanine Cards). Für miniaturisierte Anwendungen besteht jedoch auch die Möglichkeit einer horizontalen Implementierung ohne Rear I/O.

Den Kern bilden die AMCs, die Datenverarbeitungs- und Ein-/Ausgabe-Funktionen ohne aufwändige Trägerboards bereitstellen und die direkt auf die Backplane gesteckt werden können. Ein Systemdesigner kann durch Auswahl unterschiedlich großer AMC-Module nur so viel oder so wenig Rechenleistung sowie Ein- und Ausgänge wie nötig verwenden.

Eine mittelgroße AMC hat die Maße 73,8 mm x 18,96 mm x 181,5 mm, es gibt am Markt aber auch kompakte AMCs mit einer Breite von 3 TE (13,88 mm) und 6 TE (28,95 mm), dies ist jedoch kein gängiges TE-Maß bzw. nicht kompatibel zu IEEE 1101. MicroTCA verfügt über 40 differentielle Leitungspaare und nutzt Gigabit Ethernet, PCIe, Rapid IO und andere serielle Kommunikationstechnologien. Die Spezifikation sieht maximal 80 W pro Slot vor.

Ursprünglich war dieser Standard für kleinere Telekommunikationssysteme am Rande eines Netzwerks konzipiert, er wird mittlerweile aber aufgrund seiner Modularität und Flexibilität auch neben der Telekommunikation für Anwendungen in der Industrie, bei Test- und Prüfsystemen sowie Avionik und Verkehrssteuerung eingesetzt.

19-Zoll-Backplanes: Warum das Ganze?

Einige Aspekte haben alle Standards, so sehr sie sich im Detail unterscheiden mögen, gemeinsam, ihr Ziel: In der Regel sollte es mit ihrer Hilfe für den Anwender einfach sein, ein Systembestandteil oder ein Board auszutauschen, oft mit minimaler Änderung der Anwendung und/oder der Konfiguration.

Sie eröffnen den Zugang zu einer Vielzahl von Komponenten und technischen Ökosystemen. Technologieübergänge sind möglichst risikolos zu bewerkstelligen, ohne dass der Austausch des gesamten Systems durch eine neue Architektur notwendig wird.

Höhere Anforderungen an Bandbreite, Geschwindigkeit, zu verarbeitende Datenmengen und (dezentrale) Vernetzung haben zu neuen seriellen Highspeed-Backplane-Architekturen wie VPX, CPCI-Serial und xTCA sowie innerhalb der Standards zu neuen Anpassungen geführt.

Ausgehend von der Board-Level-Spezifikation haben sich Definitionen für die serielle Topologie nun auf Systemebene ausgedehnt, um die Interoperabilität zwischen allen Systemteilen zu optimieren und anwendungsspezifische Anforderungen noch besser und kostengünstiger zu bedienen.

Abschließend bleibt zu bemerken, dass diese Standards für 19-Zoll in der Welt der Spezifikationen für Systemarchitekturen keine Sackgasse bilden. Heute sehen wir viele neue Standards vor allem bei der Modultechnik, die jenseits von 19-Zoll ihren Platz in anderen Gehäusearchitekturen gefunden haben und Anwendern neue Anwendungs-Bereiche erschließen.

Wenn erforderlich, ist auch die Kombination verschiedener Standards möglich. Anbieter wie Heitec mit umfassendem Know-how in Gehäusetechnik, Elektronik und Systemintegration – außerdem langjähriges aktives Mitglied und Mitentscheider der PICMG, VITA und SGET – können hier passgenaue Lösungen bieten, die alle Vorteile der genannten Standards vereinen.

* Sebastian Schenk ist Produktmanager im Geschäftsgebiet Elektronik bei Heitec in Eckental.

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