120 Tage Chef von Osram OS: Wie geht es weiter, Herr May?
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Ein Autofahrer fährt dann auf Sicht, wenn es die Witterung nicht anders zulässt – bei Osram Opto Semiconductors ist es die aktuelle wirtschaftliche Lage. Trotzdem hat der neue Osram-OS-Chef Dieter May zukunftsweisende Pläne für das Unternehmen.

Gut 120 Tage im Amt: Ein guter Anlass, über das bisher erreichte und künftige Strategien zu sprechen. Dieter May ist seit dem 1. Mai Chef von Osram Opto Semiconductors in Regensburg. Völlig unbekannt ist May die Halbleiter-Branche nicht. Als studierter Elektrotechniker gehören zu seinen Karriere-Stationen unter anderem Infineon und Nokia in Finnland. Im Jahr 2014 wechselte er schließlich zu BMW und war für den Automobilbauer als Senior Vice President für den Bereich Digital Services and Business Models verantwortlich.
Mit Digitalisierung und Fahrzeugen kennt May sich aus. Das wird ihm auch bei seinem neuen Arbeitgeber zugutekommen. Denn der Lichtspezialist setzt mit seinen LEDs, Infrarot-LEDs und Sensoren voll auf Licht-basierte Anwendungen. Im Gespräch berichtet May, wie er seine Osram-Geschäftseinheit für die nächsten Jahre aufstellen will; ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben „Photonik in der DNA“ hat.
Es ist geplant, Opto Semiconductors ab dem 1. Oktober organisatorisch neu zu strukturieren. Im Kern geht es darum, einen stärkeren Kundenfokus zu etablieren, interne Komplexität zu senken und um technologische Entwicklungen, die May unter dem Begriff „Komponente Plus“ zusammenfasst. Aktuell hat Osram Opto Semiconductors einen starken Fokus auf den Automobil-Bereich. Es sind immerhin um die 50% des Umsatzes, die das Photonik-Unternehmen in der Automobil-Branche erzielt. Solch eine hohe Abhängigkeit sei nicht immer von Vorteil, betont May – gerade jetzt, wo die Automobil-Branche im Umbruch ist.
Komponente Plus: Wirtschaftlicher Erfolg durch Vorwärtsintegration
Besonders stark ist das Unternehmen laut May bei Komponenten wie der Eviyos für Pixelscheinwerfer. Sie sind in der Lage, ganz gezielt Bereiche vor dem Fahrzeug auszublenden und andere wiederum stärker zu beleuchten. Seine Anfänge nahm das Produkt im sogenannten µAFS-Projekt in Kooperation mit einem Fraunhofer-Institut und weiteren Partnern aus der Industrie. Auch künftig sollen Kooperationen wie diese von zentraler Bedeutung sein.
Daneben setzen die Hersteller in ihren Fahrzeugen immer stärker auf Sicherheitsanwendungen – aktuell vor allem getrieben durch teilautonome Fahrzeuge. Optoelektronische Komponenten bilden hierfür die Grundlage. Die verbaute Sensorik arbeitet meist mit nicht-sichtbaren, infraroten Wellenlängen des Lichtspektrums. Mögliche Anwendungen sind beispielsweise die Fahrerüberwachung, oder das Driver Monitoring das erkennt, wenn der Fahrer müde wird und ihn dann rechtzeitig warnt.
Als zentrales Element für künftigen wirtschaftlichen Erfolg nennt May die Strategie „Komponente Plus“. Dahinter steckt eine Vorwärtsintegration innerhalb der Wertschöpfungskette, von der LED bis zur fertigen Anwendung. Der Kunde soll künftig mehr Funktionen aus einem Bauteil bekommen als nur Licht zu emittieren oder zu empfangen. Neben dem Auto-Markt sieht May für „Komponente Plus" beispielsweise auch den Smartphone-Markt als essentiell. Ähnlich wie im Fahrzeug ermöglichen Infrarot-Dioden Anwendungen wie die Gesichtserkennung oder kommen in der Virtual oder Augmented Reality zum Einsatz.
Wachstumschancen durch Interieur-Beleuchtung und Lidar
Für ein autonomes aber auch teilautonomes Fahrzeug spielt die Interieur-Beleuchtung eine wichtige Rolle. Dabei geht es nicht nur um den Design-Aspekt. Licht spielt auch eine immer größere Rolle für die Sicherheit der Insassen. Viele Möglichkeiten zur Differenzierung gibt es allerdings nicht. Also heißt es auch hier, enger mit dem jeweiligen Hersteller zusammenarbeiten.
Autonome und teilautonome Fahrzeuge benötigen nicht nur sichtbares Licht, sondern auch Komponenten wie Laser oder Dioden, die Licht im nicht-sichtbaren, infraroten Spektrum emittieren. Gerade Lidar-Systeme, mit Hilfe derer das Umfeld des Fahrzeugs gescannt wird, sind aktuell in aller Munde. Ob sich Lidar allein oder eine Kombination verschiedener Ansätze durchsetzen wird, zeige sich in den kommenden Jahren, glaubt May. „Wir sind mit unseren Komponenten gut unterwegs und unsere Kompetenzen werden sich bezahlt machen.“
Aber auch über das Automobilgeschäft hinweg will Osram seine Produkte anbieten. May spricht hier von den sogenannten High-Push-Themen: Beispiele dafür sind Laser- und Sensing-Module. Mit diesen optischen Komponenten ließen sich „Anwendungen ermöglichen, die weit über die Grenzen der ursprünglichen Endanwendung hinausgehen“, so May.
Fab in Malaysia und die Unsicherheiten des Marktes
May blickte im Interview auch auf die LED-Fertigung in Kulim/Malaysia. Die Fab hatte Osram komplett neu aus dem Boden gestampft, um damit auch in Asien LED-Chips produzieren zu können. Auch hier bleiben die aktuellen Unsicherheiten des Marktes nicht unbemerkt. May spricht von einer Produktion auf Sicht. Soll heißen: Man produziert, hat aber Kapazitäten frei. Auch das Geschäft mit China wartet auf Belebung. Das wirkt sich auch auf den Standort in Regensburg aus. Neueinstellungen schließt May derzeit aus. Vielmehr will er den bestehenden Mitarbeiterstamm mitnehmen und nach vorne gehen. Die Ziele seien dabei klar definiert, jetzt müssten sie umgesetzt werden. Er will mit gutem Beispiel vorangehen. „Leading by Example“ nennt May das, den Mitarbeitern ein Vorbild sein.
Angesprochen auf die etwaige Übernahme durch zwei amerikanische Finanzinvestoren oder einen österreichischen Sensor-Spezialisten betont May, dass die Entscheidung für eines der beiden Angebote bei den Aktionären liege. Er und sein global aufgestelltes Team konzentrierten sich indes auf das Geschäft. „Unser Ziel ist es, attraktive Produkte für unsere Kunden zu entwickeln. Wir sehen der Zukunft positiv entgegen.“
In Technik und Entwicklungen investieren
„Wir fahren aktuell auf Sicht“, so May. Es sei spürbar, dass sich die Kunden mit Aufträgen noch zurückhielten. Hier heiße es, weiter in Technik und Entwicklungen zu investieren. Auch Zukäufe von Start-up-Unternehmen kann sich May vorstellen. Doch er will dabei nicht ziellos agieren. „Wir wollen Firmen selektiv einkaufen.“ Sind es doch gerade die kleinen und unabhängigen Unternehmen auf dem Markt, die mit ganz spitzen Entwicklungen in das Portfolio eines gestandenen Unternehmens passen.
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