3D-Druck in der Elektronik Wie man Halbleiter nachhaltiger und flexibler fertigt

Von Simone Käfer

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ALAM heißt das additive Fertigungsverfahren mit dem Halbleiter künftig günstiger und nachhaltiger herstellbar sind. Solarzellen, Batterien und Linsen sollen davon profitieren. Das Besondere: Nicht mit Werkstoffen, sondern mit Chemikalien wird gedruckt.

Beim ALAM-Verfahren werden Atommoleküle in Linien abgelegt. So können auch Geometrien 3D-gedruckt werden.
Beim ALAM-Verfahren werden Atommoleküle in Linien abgelegt. So können auch Geometrien 3D-gedruckt werden.
(Bild: Friedrich-Alexander-Universität)

In der klassischen Halbleiterherstellung wird ein Substrat zuerst aufgetragen, um dann wieder abgetragen zu werden – mehrfach. Dabei geht sehr viel Material verloren. Das klingt nicht nach Kosten sparen, Ressourcen schonen und nachhaltig Produzieren.

Zudem bestehen Halbleiter aus problematischen Materialien, die hochrein, teuer oder toxisch sind, wie Platin, Kobalt oder Arsen. Halbleiter für Solarzellen werden aus hochreinem Silicium gefertigt. Der Herstellungsprozess für Silizium mit dem benötigten Reinheitsgrad von 99, 999 % ist sehr aufwendig; und spielt stark in die Energy Payback Time der Solarzelle mit rein. Das ist Zeit, die eine Solarzelle braucht, um die zu ihrer Herstellung nötige Energie auszugleichen. Von ehemals drei Jahren ist diese schon auf gut 1 Jahr gesunken.

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Aber es geht noch besser. Davon ist zumindest Prof. Dr. Julien Bachmann von der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) überzeugt. Um es auch zu beweisen, entwickelt und nutzt er einen 3D-Drucker, der Chemikalien anstatt Werkstoffe verarbeitet und auf dem ALD-Verfahren (Atomic Layer Deposition, Atomlagenabscheidung) basiert.

Atom für Atom entsteht ein Film – der Vorläufer

ALD wird seit rund 40 Jahren eingesetzt. Bei diesem Verfahren werden nicht Werkstoffe aufgetragen, sondern aus molekularen Reagenzien Atom für Atom aufgebaut. In eine Vakuumkammer werden beispielsweise Wasser und Diethylzinkmoleküle eingeleitet. Diese verbinden sich selbstständig und ohne weitere Hilfsmittel miteinander zu einer Schicht Zinkoxid. Es sind also zwei Atomlagen, die eine Schicht des Festkörpers ergeben. So entsteht Atom für Atom ein Zinkoxidfilm.

Zwar wird ALD für die Halbleiterproduktion bereits eingesetzt, es ist aber Grenzen. Denn mit diesem Verfahren lassen sich nur Flächen fertigen, also sehr dünne Schichten. Aber ein Muster mit komplexer Geometrie kann es nicht aufbauen. Zudem ist die Fertigung mit ALD recht umständlich. Ein Vakuum ist erforderlich. Nachdem die erste Lage aufgebracht wurde, werden überschüssige Moleküle abgesaugt. Die zweite Lage folgt, ebenso das anschließende Absaugen. Bis zur ersten Festkörperschicht sind also vier Arbeitsschritte nötig. Das kann bis zu einer Minute pro Zyklus dauern – für eine Schicht von 0,1 nm.

Um Energie wie bei Solarzellen umzuwandeln, müssen an definierten Grenzflächen Elektronen durchtreten. „Wenn wir diese Grenzflächen kontrollieren, dann können wir vielleicht aus unkritischen Materialien Energieumwandler herstellen, die fast so gut funktionieren, wie die aktuellen“, ist Bachmann überzeugt. Dazu muss sowohl die chemische Zusammensetzung der Halbleiter als auch die Geometrie ihrer Grenzflächen genau austariert werden. Momentan ist das noch nicht möglich. Aber Bachmann arbeitet bereits daran.

ALAM – mit Atomlinien zum Halbleiter

Um die Geometrie der Halbleiter genau bestimmen und schnell variieren zu können, benötigt er einen Drucker, der die Atome nicht auf der gesamten Fläche des Substrates, sondern als Linien, viereckigen Flächen oder Muster abscheidet. Seine Lösung heißt ALAM (Atomic Layer Additive Manufacturing). Das Verfahren wurde am Lehrstuhl für Chemistry of Thin Film Materials der FAU entwickelt, zusammen mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, der TU Dänemark und dem Startup Atlant 3D Nanosystems.

Aus der Düse kommen beide Molekülsorten – während eines Durchlaufs. Die Düse hat einander konzentrisch zugeordnete Ausgänge. Damit sich die Moleküle nicht in der Düse verbinden, werden sie dort räumlich voneinander getrennt. In den Zwischenräumen befindet sich ein Vakuum, das die überschüssigen Moleküle einsaugt. Den Überschuss muss niemand im Vorfeld berechnen, denn die Anzahl der sich verbindenden Moleküle ist durch die Chemikalie bzw. ihre Eigenschaften selbst exakt bestimmt. Liegen zum Beispiel keine freien Sauerstoff-Atome mehr auf dem Substrat, kann sich kein Zink-Atom mehr mit ihnen verbinden. Da in der Düse sowohl beide Chemikalien als auch die Absaug-Vorrichtung vorhanden ist, werden in einem Durchgang zwei Atomlagen abgelegt. So entsteht in einem Arbeitsschritt eine komplette Festkörperschicht.

Abhängig von der Funktion können die Schichtdicken zwischen 1 und 40 nm betragen, das sind fünf bis 200 Atome. Eine Schicht bei ALAM ist ca. 0,1 nm dick, , sodass die Gesamtdicke eines Musters mit extremer Genauigkeit eingestellt werden kann. Die Breite wird durch die Breite der Düse definiert. Sie liegt derzeit bei 100 µm. Atlant 3D Nanosystems arbeitet bereits an einer schmäleren Düse.

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Konstruiert wird in einem Standardprogramm, das SVG-Dateien überträgt. Für den Drucker, die Chemikalienkontrolle, das Beheizen der Substrat-/Bauplatte und zum Slicen (die Konstruktion in druckbare Schichten umwandeln) haben sie eigene Software entwickelt. Zudem arbeiten sie an einem Algorithmus zur Fehleranalyse und -vermeidung per KI (künstlicher Intelligenz).

Die Oberflächen von mit ALAM-gedruckten Elementen sind sehr glatt und die Kanten akkurat. Da sich ein Atom nur mit genau dem passenden anderen Atom verbinden kann, sind die Anfänge und Enden einer Linie sehr exakt definiert. So kann ALAM sehr genau an einer vorgegebenen Form entlang drucken und ist dadurch sehr gut für Beschichtungen auf strukturierten Flächen geeignet. Je nach Material muss die Oberfläche des Bauteils vorbehandelt werden, denn die Atome müssen miteinander reagieren, damit sie mit den ALAM-Reagenzien eine gute chemische Bindungen eingehen kann.

Eine wissenschaftlich Erläuterung des Verfahrens finden Sie in der Zeitschrift „Small Methods“

Sensoren mit ALAM – besser als das Original?

Die erste Anwendung, die das Team mit ALAM gedruckt hatte, war ein Temperatursensor, bestehend aus einer Platinlinie, die den sich verändernden Widerstand bei Temperaturänderungen misst. Um ein Vergleichsobjekt zu haben, wurde eine Platinlinie im klassischen Lithografieverfahren gefertigt. Bei Temperatursensoren ist der Industriestandard Pt 100. Das ist der nach IEC 751 (EN 60751) definierte Nennwiderstand bei Platin für einen Widerstandstemperaturfühler. In den Messungen mit dem Lithografie-Sensor und dem ALAM-Sensor kam heraus, dass der Sensor mit ALAM mindestens Pt 100 erreicht, aber auch bessere Werte möglich sind. „Der Sensor eignet sich zum Beispiel für Batterien,“ erklärt Bachmann, „man kann ihn direkt dort anbringen, wo er messen soll.“ Also in der Batterie und auch in gekrümmter Form.

Derzeit können Anwender 100 Materialien, vorwiegend Metalle, mit ALAM drucken. Voraussetzung: die passenden Chemikalien. Eigentlich ist es ein 2,5-D-Verfahren, denn Überhänge können nicht gedruckt werden, weil sich die Moleküle nur auf für sie passende Molekülen ablegen können. Bei einem Überhang fehlt dieser Untergrund. Aber das ALAM-Team arbeitet an einer Lösung, um mittels anderer Chemikalien Stützstrukturen zu bauen.

Prototypen für Solarzellen

Eine Solarzelle ist eine Aufschichtung von mehreren Halbleitern. Die Schichten der Halbleiter können glatt sein, strukturiert oder unterschiedlich dick. Auch die chemische Zusammensetzung variiert. Entwickler können also an einigen Parametern drehen. „Will ich die Schichtdicke verändern, teste ich vielleicht zehn unterschiedliche Dicken und stelle für jede zehn Proben her. Also fertige ich 100 Halbleiterproben wegen eines Parameters.“ Das dauert Wochen. Mit dem ALAM-Drucker kann Bachmann diese 100 Testteile in einem Druckjob herstellen. Denn im 3D-Drucker kann er zehn Reihen von Halbleitern mit unterschiedlichen Dicken drucken, wobei in jeder Reihe zehn gleich dicken Halbleiter aufgebaut werden. Bachmanns Solarzellen-Prototypen bestehen aus mindestens drei Halbleiter-Schichten. Dafür benötigt der ALAM-Drucker ein paar Tage. Noch. Wenn der Drucker weiter automatisiert ist, etwa bei der Chemikalienbefüllung, wird der Druckvorgang wesentlich schneller sein.

Anwendungen sieht Bachmann derzeit bei Sensoren, Halbleitern und Optiken. Ein erster Kunde con Atlant 3D Nanosystems ist die NASA. Sie nimmt eine sehr kompakte Version des ALAM-Druckers mit ins All, um dort beispielsweise kleine Kratzer in Teleskoplinsen zu reparieren.

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