EMV-Konformität sicherstellen Wie der EMV-Precompliance-Test im Entwickleralltag gelingt

Autor / Redakteur: Michael Mayerhofer und Josef Reicherzer * / Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Härter

Produkte mit Funkanbindung können stören, weshalb Entwickler EMV-konform entwickeln müssen. Doch der Gang in ein EMV-Testhaus ist nicht immer nötig. Wir geben Ihnen einen Überblick.

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Entwicklungsbegleitender Test: Geräte und Systeme müssen während der Entwicklung auf ihre Elektromagnetische Verträglichkeit geprüft werden.
Entwicklungsbegleitender Test: Geräte und Systeme müssen während der Entwicklung auf ihre Elektromagnetische Verträglichkeit geprüft werden.
(Bild: ALLDAQ)

Aufgrund immer höherer Taktfrequenzen in digitalen Schaltungen und der Verbreitung von Produkten mit Funkanbindung, wie WiFi, Bluetooth, NFC oder Mobilfunk, müssen sich Entwickler mit dem oft ungeliebten Thema der EMV-Konformität auseinandersetzen. Der Ingenieur eines kleinen oder mittleren Unternehmens greift auf seine Erfahrung und Best-Practice-Methoden zurück, um ein EMV-konformes Produkt zu entwickeln.

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Trotzdem wird geschätzt, dass mehr als 50 Prozent der Produkte beim ersten Konformitätstest durchfallen. Schickt ein Entwickler ein neues Produkt zum Testhaus, ist es ein Schuss ins Blaue. Fällt es beim Test durch, wird es teuer. Nicht nur die Kosten für einen erneuten Test sind hoch, sondern auch der Projektplan und die Markteinführung verzögern sich.

Exkurs zum Thema Elektromagnetische Verträglichkeit

Die Elektromagnetische Verträglichkeit bezeichnet den Idealzustand, dass technische Geräte einander nicht durch ungewollte elektrische und elektromagnetische Störungen beeinflussen. Im Umfeld von EMV-Pre-Compliance-Tests, also dem entwicklungsbegleitenden Test von Geräten und Systemen, wird zwischen leitungsgebundenen Störungen und feldgebundenen Störungen unterschieden. In der Praxis treten leitungsgebundene Störungen häufig in Kombination mit abgestrahlten Störungen auf. Das kann beispielsweise das Einschalten eines Staubsaugers sein, welches ein Knacken im Radio zur Folge hat.

Eine feldgebundene Störungen beruht auf der Beeinflussung elektromagnetischer Felder, die von Geräten abgestrahlt werden, der Störaussendung, bzw. auf ein Gerät einwirken (Immunität oder Störfestigkeit). Damit die Verträglichkeit in der Welt der Elektrotechnik garantiert ist und um Störungsmessungen reproduzierbar zu machen, haben internationale und nationale Standardisierungsgremien entsprechende Normen erarbeitet. Im Zusammenhang mit EMV-Pre-Compliance-Tests fällt immer wieder die Abkürzung CISPR. Die Abkürzung steht für „International Special Committee on Radio Interference“, einer Unterorganisation der „International Electrotechnical Commission“ (IEC).

Viele Normen fließen in nationale und europäische Normen ein oder sind mit diesen identisch. So ist die Norm CISPR 16-1-1:2010 identisch mit der deutschen Fassung der Europäischen Norm EN 55016-1-1:2010. Daneben gibt es noch Technical Reports, die jedoch keinen normativen Charakter haben. Leider sind die Normungsdokumente von DKE, VDE und anderen Verlagen kostenpflichtig. Publikationen des CISPR werden grob in Basis-EMV-Publikationen, allgemeine EMV-Standards und EMV-Produktstandards eingeteilt. Sie definieren die Anforderungen an Einrichtungen und Geräte, wie die räumliche Anordnung, Gerätekonfigurationen, Erdungs- und Schirmmaßnahmen, legen die Messmethodik fest, spezifizieren die Grenzwerte für Funkstörungen und beschäftigen sich mit den Anforderungen an die Störfestigkeit.

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Dieser Autorenbeitrag ist in der Printausgabe ELEKTRONIKPRAXIS Sonderheft Messtechnik, Sensorik und Test II erschienen. Diese ist auch als kostenloses ePaper oder als pdf abrufbar.

Das EMV-Testhaus versus einem In-house-Test

Neben unterschiedlichen Best-Practice-Methoden im Hinblick auf EMV-relevante Aspekte eines Designs ist ein EMV-Pre-Compliance-Test notwendig. Grundsätzlich hat der Entwickler zwei Möglichkeiten des Tests: 1. in einem Testhaus oder 2. im eigenen Labor. Getestet wird typischerweise in reflexionsfreien Räumen und die Störsignale mit Hilfe von Antennen aufgefangen.

Aufgrund von Bandbreiten-Begrenzungen sind verschiedene Antennen notwendig, um den kompletten Frequenzbereich abzudecken. Hinzu kommt der notwendige Platzbedarf und die Kosten der Ausrüstung für einen standardkonformen Aufbau sind enorm. Der Vorteil ist, dass es sich um Standard-konforme-Tests handelt und die Ergebnisse genau sind. Allerdings sind die Test zeitaufwendig und teuer. Schnelle Änderungen am Testobjekt lassen sich aufgrund der Entfernung nicht immer ausführen.

Dem gegenüber steht der Test im eigenen Labor. Es gibt dafür unterschiedliche Lösungen für jedes Budget. Änderungen am Testobjekt lassen sich jederzeit vornehmen. Allerdings ist je nach vorhandener Ausstattung der Messaufbau nicht standardkonform. Die Messergebnisse müssen qualitativ oder relativ statt quantitativ betrachtet werden. Daher sind die Ergebnisse entsprechend vorsichtig zu interpretieren. Auch sollten die Daten von Leer- und Vergleichsmessungen einbezogen werden.

Eine der Schlüsselkomponenten für eine EMV-Pre-Compliance-Ausrüstung im eigenen Labor ist ein Spektrumanalysator, deren Preis in den letzten Jahren deutlich gefallen ist. Ein Einstiegsmodell wie der DSA815 von Rigol kostet um die 1500 Euro. Die Kosten für die weitere Ausrüstung ist nach wie vor hoch. Im Labor des Herstellers Tekbox wurde in den letzten Jahren verschiedenes Zubehör für EMV-Pre-Compliance-Tests für hausinterne Tests entwickelt. Die stark gesunkene Ausfallquote gab den Entwicklern Recht. Der Preis für ein EMV-Pre-Compliance-Test-Set bei ALLDAQ, einem autorisierten Tekbox-Distributor, wurde ab 2950 Euro netto bewusst niedrig kalkuliert. Eine vollständige Ausstattung besteht aus Spektrumanalysator, LISN, Breitbandverstärker, Nahfeldsonden und EMI-PC-Software und kostet weniger als der wiederholte Gang ins EMV-Testhaus bei nicht bestandener EMV-Prüfung.

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