Wenn der Preis die Digitalisierung sabotiert
„Die Stadtwerke sollten nicht die Chance verpassen, die Stromnetze für ihre Bürger schon jetzt zukunftstauglich zu machen. Dafür braucht es intelligente Stromzähler und keine Billigware.“
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Ob geschäftlich oder privat: Der Preis einer Ware ist eines der entscheidenden Kriterien für unsere Kaufentscheidung. Doch gerade bei Projekten von langfristiger Tragweite, zu denen die Energiewende sicherlich gehört, sollten auch Aspekte wie Zukunftssicherheit in die Entscheidung einfließen. Nicht umsonst sagt der Volksmund: „Wer billig kauft, kauft zweimal.“ Umso bedenklicher ist es, dass einige deutsche Stadtwerke offensichtlich damit begonnen haben, die Energiewende zu ignorieren oder aber unbewusst in eine Falle tappen: Denn einige von ihnen folgen einem zweifelhaften Preisversprechen aus China und entkoppeln sich langfristig von der Zukunft.
Dass es sich hierbei nicht um einige wenige Einzelfälle handelt, zeigen unsere Erfahrungen aus den letzten Monaten. Mehrfach erreichten uns Anfragen von Stadtwerken, die mit uns ihr Messwesen intelligent gestalten wollten und fragten, ob sie die bereits von der Einkaufsabteilung beschafften „modernen Messeinrichtungen“ hierfür verwenden können. Nach eingehender Prüfung mussten wir das leider verneinen. Denn bei den betreffenden Stromzählern handelt es sich um Modelle, die für intelligentes Messen überhaupt nicht ausgelegt sind und die zu extrem günstigen Preisen in China gefertigt werden. Wie das funktioniert? Ganz einfach – alles, was zuvor mühsam an Sicherheits- und Übertragungstechnik in den Zähler integriert wurde, wird ausgebaut.
Dass diese Zähler trotzdem den Prüfstand der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) passieren, erklärt sich folgendermaßen: Beim Zulassungstest wird der Zähler um einen Adapter ergänzt, in dem sich die nötige – und teure – Übertragungstechnik für die Verbindung zu einem Smart-Meter-Gateway befindet. Erst er macht den Zähler intelligent. Beim Verbraucher wird später allerdings eine Version ohne diesen Adapter verbaut, gepaart mit dem scheinbaren Argument, der Zähler könne ja theoretisch später wieder nachgerüstet werden. Hintergrund: Im Lokalen Metrologischen Netz, dem LMN, kommuniziert das Smart-Meter-Gateway mit den angebundenen Zählern für Strom, Gas, Wasser oder Wärme eines oder mehrerer Letztverbraucher. Die Zähler schicken ihre Messwerte über das LMN an das Gateway.
So zweifelhaft dieses Vorgehen erscheinen mag, gibt die Bundesnetzagentur in ihren FAQs zu dieser Fragestellung folgende Einschätzung ab: „Ein Einbau oder Vorhalten des Adapters in der bzw. für die jeweilige Messstelle ist für die Verfügbarkeit nach Auffassung der Bundesnetzagentur nicht erforderlich.“ Wohlgemerkt handelt es sich hierbei um keine förmliche Entscheidung, so dass die rechtliche Einschätzung zumindest diskussionswürdig ist. Denn Fakt ist, dass durch solch eine Praxis den Kunden eine wesentliche Technologie-Komponente vorenthalten wird. Von der fatalen Strategie, die hinter diesem Vorgehen steht, ganz zu schweigen. Ich würde vielmehr von einem strategischem k.o. sprechen, wenn die Stadtwerke feststellen, dass der Nachkauf und das Nachrüsten von Schnittstelle bzw. Adapter am Ende teurer sind, als der zuvor günstig eingekaufte Zähler selbst.
Deutschland muss mutiger digitalisieren und die Stadtwerke sollten sich nicht betriebswirtschaftlichen Zwängen unterwerfen, die ihnen später auf die Füße fallen. Denn am Ende kann sich eine Entscheidung für Billigware als teuer erweisen – genau dann, wenn andere Städte ihr intelligentes Stromnetz für neue Geschäftsmodelle verwenden, während man selbst lediglich der Stromableser bleibt. Ob E-Mobilität, erneuerbare Energien oder Datenschutz – alle genannten Themen kommen auf uns zu und ohne ein digitales Messwesen geht es nicht. Es wird Zeit, die Lösungen für die Zukunft jetzt anzugehen, denn die schlauen Messstellen zeigen uns, an welchen Abschnitten noch Photovoltaikanlagen nachgerüstet werden können und wo noch Platz für E-Mobilität ist.
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