Exklusiv-Interview mit Dr. Sailesh Chittipeddi Renesas IIoT-Strategie: „Nachhaltige Intelligenz vom Core zum Endpunkt“
Anbieter zum Thema
Bei Renesas hat sich viel getan, insbesondere im Geschäftsbereich IoT, Industrie und Infrastruktur. Zeit für ein Update aus erster Hand: ELEKTRONIKPRAXIS sprach mit Vice President Dr. Sailesh Chittipeddi.

Der japanische Chiphersteller Renesas Electronics („Renesas“) hat sein Geschäft stark in Richtung Internet of Things und Infrastrukturlösungen erweitert. Dazu hat das Unternehmen im letzten Jahr unter anderem den deutsch-britischen Chipentwickler Dialog Semiconductor übernommen. Wir wollten wissen, wie weit die Integration fortgeschritten ist und wie sich Renesas für die Zukunft aufstellt. Dazu hat ELEKTRONIKPRAXIS mit Dr. Sailesh Chittipeddi, Executive Vice President und General Manager der IoT and Infrastructure Business Unit von Renesas, gesprochen.
Renesas hat in den letzten Jahren mehrere Firmen übernommen, darunter den deutsch-englischen Chipentwickler Dialog Semiconductor? Welche Geschäftsstrategie steckt dahinter?
Sailesh Chittipeddi: Jede Akquisition, die wir tätigen, passt zu unserer Vision, die unser CEO Hitoshi Shibata mit dem Leitsatz „Making Our Lives Easier by Complementing Human Capabilities“ skizziert hat. Innerhalb dieses Rahmens für die IoT & Infrastructure Business Unit, kurz IIBU, erwerben wir Unternehmen oder gehen Partnerschaften mit Unternehmen ein, die in unsere IIBU-Strategie passen: Intelligenz vom Core zum Endpunkt nachhaltig ermöglichen. Aus Sicht der Marktsegmente fallen unsere Akquisitionen in einen der von uns adressierten drei Bereiche: Industrie, IoT und Infrastruktur. Was die Expertise außerhalb unserer Kernkompetenzen im Embedded Processing betrifft, so konzentrieren wir uns hauptsächlich auf Power, Sensorik, Konnektivität und Aktuatorik. In unseren Partnerschaften und Akquisitionen werden wir nicht über diese Bereiche und Märkte hinausgehen.
Lassen Sie uns über die Akquisition von Dialog sprechen. Wie ergänzen dessen Produkte das Portfolio von Renesas?
Dialog fügt dem Renesas-Portfolio mehrere wichtige Technologie-Elemente hinzu. Erstens, Low-Power-Technologien, die sich auf dem Markt deutlich abheben. Zweitens, Low-Power-Konnektivität mit BT und Wi-Fi. Dialog ist auf dem Konnektivitätsmarkt sehr differenziert. Das ist sehr hilfreich für Wearables, medizinische Geräte und Anwendungen wie Türschlösser, die Low-Power Wi-Fi nutzen. Drittens bringt Dialog Know-how in Bezug auf Technologien wie bestimmte ASICs mit ein, insbesondere im Bereich industrieller Konnektivitätslösungen wie Ethercat, die große Industriekunden unterstützen. Viertens verfügt Dialog auch über AC-DC- und konfigurierbare Mixed-Signal-ICs (CMICs) sowie Display-Power-Technologien, die ursprünglich für den Consumer-Markt bestimmt waren und von denen einige nun für den Industriemarkt bereitgestellt werden. Im Automobilbereich ergänzt das Powermanagement die MPU- und MCU-Produkte, und ferner unterstützt BLE-Konnektivität Anwendungen wie Reifendruckkontrollsysteme. Die Synergieeffekte sind auf breiter Basis also sehr gut.
Ein weiterer, sehr wertvoller Beitrag besteht darin, dass Dialog eine regional verteilte Engineering-Community einbringt. Dialog verfügt über Forschungs- und Entwicklungszentren in ganz Europa mit etablierten Kompetenzzentren. In einer Zeit, in der die Suche nach qualifizierten Fachkräften immer schwieriger wird, ist diese etablierte Präsenz aus globaler Sicht eine große Bereicherung für uns.
Wie schreitet die Integration insbesondere auf operativer Ebene voran, wie arbeiten Sie nun zusammen, und worin besteht der Unterschied zwischen der technischen Zusammenarbeit jetzt und früher?
Aus Sicht der Produktlinien sind die Teams vollständig in die IIBU-, ABU-, Ops- und SG&A-Teams integriert. Dialog hat eine viel stärkere Präsenz im Bereich IIBU. Wir haben alle Bereiche mit Bezug zum Thema Power, wie Industrie, Consumer-Notebooks, mobile Endgeräte und Rechenzentren, unter einem Dach vereint, so dass die Teams hinsichtlich unserer Arbeitsweise und Kundenorientierung eine einzige Geschäftseinheit bilden. Die Vertriebsteams sind bereits vollständig in Renesas integriert. Mit unserer starken Marktpräsenz sind wir in der Lage, die Dialog-Produkte nun einer breiteren Kundenbasis zugänglich zu machen.
Sie sagen, die Integration von Dialog ist bereits vollständig abgeschlossen. Wie war das in so kurzer Zeit möglich?
Wir haben unsere potenzielle Organisationsstruktur gleichzeitig mit dem Prüfverfahren geplant. Wir mussten uns überlegen, was Sinn macht und wie unsere Kunden am besten reagieren würden, wenn wir das gesamte Produktportfolio anbieten. Natürlich konnten wir das Dialog-Team nicht zu sehr einbinden, da wir bis dahin als zwei unabhängige Unternehmen agieren mussten, aber wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, wie wir die Kunden ab Tag eins am besten bedienen können. Wir wussten von den früheren Übernahmen von Intersil und IDT, worin die größten Herausforderungen bestehen. Wir werden im Laufe der Zeit noch einige Feinabstimmungen vornehmen, aber in punkto Organisationsstruktur und Roadmap hatten wir eine ziemlich klare Vorstellung davon, was wir tun wollten. Darauf haben wir uns konzentriert.
Da wir gerade von Übernahmen sprechen: Wie passt das Wireless-Connectivity-Portfolio von Celeno, der jüngsten Akquisition, zu Renesas?
Bei Celeno geht es vor allem um Wi-Fi 6 und 6 Edge. Diese Technologien sind wichtig für das IoT- und das Industriesegment. Darüber hinaus bietet Celeno auch Know-how im Bereich Access Point. Dialog hingegen war hauptsächlich auf Wi-Fi 4, also 2,4 GHz, fokussiert. Mit Celeno decken wir nun auch Wi-Fi 5, Wi-Fi 6 und Wi-Fi 6E ab, sowie eine vollständig integrierte Lösung mit Wi-Fi 6 und Bluetooth für die Client-Seite. Mit der Übernahme von Celeno können wir nun das gesamte Spektrum bedienen und Renesas auf die längerfristigen Konnektivitätsanforderungen im Markt ausrichten.
Sie sehen offenbar viel Potenzial für Renesas im Bereich der Industrieautomatisierung. Könnten Sie diese näher erläutern? Bei welchen Anwendungen könnten Renesas-Produkte eingesetzt werden?
Die wichtigsten Trends in der heutigen Industrielandschaft bestehen darin, Nachhaltigkeit und Produktivität zu verbessern. Die Arbeitskosten werden weltweit immer höher. Im Hinblick auf KI ist China sehr auf KI für die Fertigungsumgebung fokussiert. Die USA hingegen sind viel stärker auf KI für Unternehmensanwendungen ausgerichtet. Wenn wir im industriellen Ecosystem wachsen wollen, sind hierfür die Unternehmen außerhalb der großen Kunden in den USA und der EU in der Region Greater China zu finden, die im Vergleich zu den traditionelleren Industriegiganten eher offensiver vorgehen.
Was die Nachhaltigkeit betrifft, so ist dies ein globaler Trend. Wie in anderen Bereichen ist das Streben nach Effizienzsteigerung auch in der Industrie sehr ausgeprägt. Eine einprozentige Verbesserung beim Wirkungsgrad von Motoren beispielsweise macht einen gewaltigen Unterschied beim Energieverbrauch aus. Das sind globale Trends, die unser Wachstum im Industriesektor vorantreiben werden.
Renesas bietet sogenannte Winning Combinations an, also Sets von aufeinander abgestimmten Produkten. Können Sie die Idee dahinter und die technischen Vorteile erläutern?
Winning Combinations können Proof-of-Concept-Boards oder Designs sein, die Renesas-Produkte integrieren. Sie können weitgehend, aber nicht ausschließlich hardwarebasiert sein. Der andere Schwerpunkt, den wir mit unserem gesamten Portfolio auf dem Industriemarkt unterstützen, ist eine komplette Systemlösung, also sowohl HW als auch SW. Der Aufwand für die Kunden ist sehr unterschiedlich, wenn Renesas sowohl HW als auch SW unterstützt. Der Vorteil für Kunden besteht darin, dass sie je nach Bedarf eine Winning Combination oder Systemlösung oder eine individuelle Lösung wählen können. Renesas profitiert durch die Übernahme eines größeren Anteils der Gesamtstückliste. Wir übernehmen dafür einen größeren Teil der Arbeit, die traditionell von den Kunden erledigt wird. Dadurch können diese ihre Produkte schneller auf den Markt bringen.
Die DRP/e-AI-Technologie von Renesas wird voraussichtlich eine wichtige Rolle im Bereich der Fabrikautomation spielen. Einige andere Marktteilnehmer sind in diesem Bereich sehr wettbewerbsfähig. Worin liegt das Hauptunterscheidungsmerkmal der Lösung von Renesas?
Der KI-Markt, auf den wir uns heute konzentrieren, ist in erster Linie die bildbasierte KI. Darin unterscheiden wir uns, weshalb wir die DRP-Lösung für bildbasierte KI-Anwendungen optimiert haben. Wir gehen nicht so weit, dass wir mit unserer DRP-Lösung jeden erdenklichen Bereich abdecken. Die DRP-Technologie bietet bildbasierte KI bei sehr geringem Energieverbrauch. Wir setzen Feedforward Neural Networks oder DRP in erster Linie zur Optimierung für diesen Anwendungsbereich ein. Unser Schwerpunkt liegt aktuell darauf, Bibliotheken und IDHs zu unterstützen, um schrittweise ein breiteres Kundenspektrum zu bedienen. Es gibt weitere angrenzende Märkte, in denen diese Technologie gut einsetzbar ist. Wir werden nach und nach andere Bereiche wie die vorausschauende Wartung sowie zusätzliche Märkte ausbauen, für die sich Feedforward Neural Networks gut eignen.
Wie steht es um den Stellenwert von RISC-V bei Renesas? Liegt darin Ihrer Meinung nach die Zukunft des IoT?
RISC-V wird eine immer wichtigere Rolle im MCU- und MPU-Ecosystem spielen. Im Bereich Embedded Processing arbeiten wir sowohl an 32-Bit- als auch an 64-Bit-Cores. Wir sind überzeugt, dass es für bestimmte Anwendungen auf dem Markt einen allgemeinen Trend zu einem weniger proprietären Ecosystem gibt, das Kunden besser konfigurieren können mit geringeren bzw. ganz ohne Lizenzgebühren. RISC-V bietet nicht-proprietäre Cores und ermöglicht dem Kunden ein gewisses Maß an Programmierbarkeit. Unserer Einschätzung nach werden künftig alle drei Ecosysteme bestehen: das proprietäre, das Arm- und das RISC-V-Ecosystem. Mit RISC-V möchten wir dem Markt zeigen, dass wir erneut führend sind. Mit den RISC-V-Produkten gehören wir zu den Ersten auf dem Markt im MCU- und MPU-Bereich und liefern nicht nur Testchips, sondern stellen bereits einsatzfähige Produkte bereit.
Ein weiterer großer Schritt für Renesas war kürzlich der Einstieg in den FPGA-Markt, ebenfalls durch die Übernahme von Dialog. Können Sie einige Details zu den ForgeFPGAs nennen, etwa mögliche Anwendungsbereiche, technische Vorteile und was dieser Schritt für Renesas bedeutet?
Bevor wir über die ForgeFPGAs sprechen, sollte ich erwähnen, dass wir eine Produktfamilie namens GreenPAK haben. Dialog hat vor einiger Zeit Silego gekauft und die GreenPAK-Technologie durch die Übernahme mit an Bord gebracht. Die GreenPAK-Technologie besteht aus Mixed-Signal- und Analogkomponenten, die mit einer State-Machine konfiguriert werden können. Sie fasst die verschiedenen Komponenten zusammen, so dass der Kunde sehr schnell ermitteln kann, was er benötigt, anstatt einzelne Komponenten zu optimieren. Sie können einen GreenPAK-Schaltkreis zusammensetzen und integrieren und viel schneller einsatzbereit sein, als sie es mit einem eigenen System sein könnten. Wir verkaufen jedes Jahr Hunderte von Millionen dieser Bausteine.
Mit den ForgeFPGAs erweitern wir dieses Konzept für Gate-Arrays mit sehr geringer Gate-Anzahl. Wir konkurrieren dabei weder mit Xilinx, Altera noch mit Microchip oder Lattice. Es gibt eine sehr interessante Marktdomäne im Low-Power- und Low-Gate-Count-Bereich mit einem hohen Maß an Programmierbarkeit für IoT- und Industrieanwendungen, die in Kombination dem Kunden einen Vorteil bietet, den er vorher nicht hatte. Dies ist eine sehr interessante Marktnische, die bisher noch nicht adressiert wurde. Die Kombination aus geringem Leistungsverbrauch und geringer Gate-Anzahl wurde bisher nur von wenigen angegangen. Unser Produkt erfüllt genau diese Marktanforderungen. Den Namen ForgeFPGA begründen wir darin, mit dieser Art von Anwendungen im Industriemarkt weiter expandieren zu können.
(ID:48229289)