Anwenderforum Relaistechnik 2022 Relais: Wo stehen wir heute und wo geht es hin?

Von Kristin Rinortner

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Relais sind heute nicht nur unverzichtbar, sondern Technologietreiber in vielen Anwendungen. Starker Impulsgeber für die Relaistechnik ist die „Grüne Revolution“ und die damit verbundenen Nachhaltigkeitsaspekte.

Relaisforum 2022: Auch dieses Jahr konnten sich die 60 Teilnehmer an zwei Tagen im Oktober über Relaisgrundlagen und aktuelle Relaisentwicklungen sowie die neuen EU-Vorgaben informieren.
Relaisforum 2022: Auch dieses Jahr konnten sich die 60 Teilnehmer an zwei Tagen im Oktober über Relaisgrundlagen und aktuelle Relaisentwicklungen sowie die neuen EU-Vorgaben informieren.
(Bild: Stefan Bausewein)

Ressourcen schonender und effizienter nutzen: Diese übergreifende Thematik zog sich durch das Programm des 5. Anwenderforums Relaistechnik, das am 12. und 13. Oktober 2022 im Vogel Convention Center in Würzburg stattfand.

60 Teilnehmer informierten sich vor Ort über die Relaisentwicklungen bei E-Mobility, in der Energiedistribution, in der Hausgeräteindustrie oder bei Schaltschränken und Interface-Systemen in der Automatisierungstechnik. Auch das Thema Funktionale Sicherheit kam nicht zu kurz.

Relaismarkt: Umsatzplus von 25 Prozent bei Schaltrelais

„Nach dem Corona-bedingten Einbruch im Jahr 2020 hat die Relais-Branche im letzten Jahr eine bespiellose Aufholjagd erlebt“, erklärt Dr. Markus Winzenick vom ZVEI in seinem Grußwort. Getrieben durch hohe Auftragseingänge in fast sämtlichen Abnehmerbranchen stieg im Jahr 2021 auch der Umsatz bei den Schaltrelais um rund 25 Prozent im Vergleich zu 2020 an. Dieser Trend setzte sich bislang auch im Jahr 2022 unvermindert fort. So konnten bereits im 1. Halbjahr dieses Jahres Zweidrittel des Gesamtumsatzes des außerordentlich guten Vorjahres erzielt werden.

Die hohen Energiekosten führten derzeit zu erheblichen Investitionen im Bereich Erneuerbarer Energien, so Winzenick weiter. Von derzeit 7 bis 8 GW an neu zugebauter PV-Leistung soll der Ausbau auf 20 GW pro Jahr in den kommenden vier Jahren hochgefahren werden. „Dies wird den Bedarf an Relais massiv erhöhen, weil mehr Wechselrichter, mehr Stromspeicher und mehr Energiemanagementgeräte zum Schalten von Energieflüssen benötigt werden“, kommentiert Winzenick.

Auch der fortschreitende Trend zur Elektromobilität treibe den Bedarf an Ladeinfrastruktur hoch. Teilweise müssten Mobilitätskonzepte sogar völlig neu gedacht werden. Auch hier sieht Winzenick erhebliche Marktchancen für Relais, ebenso wie bei den aufkommenden DC-Netzen.

Auch bei Abfallsortierung und Recycling eröffnen sich neue Chancen für Relais. Beides müsse mit Blick auf eine 100-prozentige Kreislaufwirtschaft nicht nur ausgebaut, sondern auch technologisch weiterentwickelt und verfeinert werden. Und selbst beim derzeit beispiellosen Transformationsprozess der Wärmeerzeugung „Weg von Öl und Gas – hin zu mehr Wärmepumpen“ sind Relais für das Schalten von Strömen und Informationen unerlässlich. Wärmepumpen beinhalten noch mehr Relais als eine Gastherme oder eine Ölheizung, was den Bedarf an Relais weiter erhöhen wird.

Relais sind eine existenzielle Komponente

Neben all diesen positiven Zukunftsaussichten bleiben Relais auch weiterhin unerlässliche Komponenten für die elektrischen Haushaltsgeräte also bei der Weißen und Braunen Ware. Gleiches gilt auch für den klassischen Maschinenbau – hier werden Relais vor allem gebraucht, um die Funktionale Sicherheit zu gewährleisten.

Um diesen aufgezeigten Herausforderungen gerecht zu werden, müssen die Relais-Hersteller die Relais oftmals an diese neuen Aufgaben anpassen und teilweise auch neu- und weiterentwickeln. Hierfür ist der Austausch der Fachexperten in der Relais-Branche wichtig, um über neue Produkte und Möglichkeiten zu diskutieren und Anregungen für die eigenen Produkte mitzunehmen. Dazu bot das Anwenderforum Relais eine ideale Gelegenheit.

„Das Anwenderforum Relaistechnik – wo sonst kann man sich Relaiswissen in so geballter Form abholen; auch für Fortgeschrittene ist hier immer etwas dabei“, resumiert Bernhard Schmidt (Hongfa). Denn auf dem Basisseminartag geben Experten umfassende Einblicke in die Technik der Elementar-, Halbleiter- und Reed-Relais. Neu in diesem Jahr war der Expertenvortrag zur Integration von Koppelrelais in den Schaltschrank, bei dem Gerold Finkemeier (Wago) und Manfred Cloot (Finder) zur Anschlusstechnik aus dem Nähkästchen plauderten.

Ottobahn: Mobilitätskonzepte von morgen

Den Auftakt der Veranstaltung bildete die Keynote von Moritz Döttler (ottobahn), der einen Einblick in neue Verkehrskonzepte gab. Vieles davon wurde schon in den 1960er-Jahren erdacht, zum Beispiel der Hyperloop. Eine weitere dieser Visionen hat ottobahn heute umgesetzt: ein emissionsfreies und vollautomatisiertes Transportsystem oberhalb der Straßen. Das System wird zu 100 Prozent von erneuerbaren Energien angetrieben und basiert auf individuell geplanten Fahrten. Welches Potenzial das Thema hat, zeigte die intensive Diskussion während und nach der Präsentation.

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Ingo Kluge (Hongfa) griff die Diskussion auf und warf einen Blick auf die Ladestation-Infrastruktur für die E-Mobilität, die großes Ausbaupotenzial hat. An die darin genutzten Relais werden hohe Anforderungen bei Schaltströmen, Kurzschlussfestigkeit und anderen Parametern gestellt. Kluge zeigte die technischen und normativen Anforderungen und legte dar, worauf bei der Wahl des Relais für die Ladeinfrastruktur zu achten ist.

Doppeltes Lottchen: Relais neu gedacht

Jürgen Pullmann (Pilz) und Jürgen Steinhäuser (Elesta) haben das Relais neu gedacht und zeigten in ihrem Vortrag die Anwendung von Relais mit zwangsgeführten Kontakten in Sicherheitsschaltgeräten mit zweikanaliger Architektur. Dabei ging es um die Vorteile, die Doppelankerrelais mit zwangsgeführten Kontakten bieten.

Pullman legte am Beispiel der Entwicklung von Sicherheitssteuerungen und Steinhäuser anhand der damit einhergehende Relaisentwicklung dar, wie sich Steuerungsarchitekturen verändert haben und wie die Symbiose von Halbleiter und Relais zukunftsfähige Schaltungslösungen im Bereich der funktionalen Sicherheit befördern.

Leistungsrelais für die Fahrzeugtechnik

In der Fahrzeugtechnik sind elektromechanische Relais immer noch Stand der Technik. Nutzfahrzeuge sind auf eine zuverlässige elektrische Energieversorgung angewiesen. Unverzichtbare Elemente sind dabei Leistungsrelais, zum Beispiel in der Funktion als Batterietrennschalter. Bei der Präsentation von Dietmar Koops (E-T-A) ging es um die Anwendung von Relais in Straßenfahrzeugen, Baumaschinen und Sonderfahrzeugen und die damit verbundenen Marktanforderungen, Herausforderungen und Lösungen bei Leistungsrelais in Nutzfahrzeugen.

Zielkonflikte in der Energiedistribution

Beschränkungen und Zielkonflikte im Relaisdesign für die Energiedistribution: Was sind Smart Meter, welche Anforderungen werden an sie gestellt; welche Zielkonflikte gibt es für Relais in Smart Metern. Der Vortrag Dr. Marcus Herrmann (Johnson Electric) thematisierte dies auf der Ebene der Abschaltrelais für Stromzähler, zeigte den aktuellen Stand der Technik und Ansätze zur weiteren Entwicklung. Damit adressierte der Beitrag wesentliche Gedanken zur Fortentwicklung der eingesetzten Stromzählerrelais hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Zählerintegration.

Schock und Vibration testen

Das Elementarrelais reagiert empfindlich gegenüber mechanischer Beanspruchung durch Vibrationen, Schock und Schwingung. Joachim Jannik (Weidmüller) stellte in seinem Vortrag den Aufbau und die Durchführung einer Vibrationsprüfung dar. Wie „reagiert“ das Elementarrelais gesteckt in einer Fassung oder eingelötet auf einer Platine in unterschiedlichen Einbaulagen?

Funktionale Sicherheit: Immer ein kompliziertes Thema

Den Block Funktionale Sicherheit eröffnete Mark Euker (Bender) mit einer Präsentation zu Differenzstrom-Überwachungssystemen und deren Einsparpotenzialen. Anschließen erklärte Manfred Cloot (Finder) anhand eines neuentwickelten Relais für Wechselrichter und Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge, wie mit einer 2-kanaligen Architektur die Einfehlersicherheit hardwaremäßig mit Relais realisiert werden kann.

Das war das 5. Anwenderforum Relaistechnik im Oktober 2022 in Würzburg
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Neue Anforderungen an Relais für den Hausgerätemarkt

Den technischen Neuerungen auf dem Hausgerätemarkt und den daraus resultierenden veränderten Kriterien bei der Relaisauswahl widmete sich Andreas Wecker (Miele). Zum einen war der Anwendervortrag „Veränderte Anforderungen an Schaltrelais für die Hausgeräteindustrie“ interessant für andere Relaisanwender, um zu erfahren, wo sich Parallelen zu ihren Anwendungsfällen ergeben. Zum anderen war es allem relevant für die Hersteller, die mit ihren Entwicklungen ja immer am Puls der Zeit sein müssen. Veränderte Anforderungen führen oft zu neuen bzw. angepassten oder verbesserten Produkten bei den Vertretern der Hersteller.

Ausblick: Herausforderungen durch den EU Green Deal

Der Abschlussvortrag von Christian Eckert (ZVEI) hatte den EU Green Deal, Circular Economy Action Plan (CEAP) und Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) zum Thema. Das wird künftig wichtig. Herr Eckert gab einen Überblick über die voraussichtlichen Anforderungen und den Zeitplan und zeigte Ansätze, wie sich Unternehmen auf die kommende veränderte Gesetzeslage vorbereiten können.

„Das Anwenderforum Relaistechnik ist ein Rundumschlag der Relaistechnik mit vielen Anwendungstipps und Hinweisen, die in keinem Datenblatt zu finden sind“, stellt denn auch Jonas Weidenmüller (Sick) fest.(KR)

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