Ultra-Wideband-Funk Mehr als Tracking: UWB im industriellen Einsatz

Von Peter Pirc*

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Die UWB-Funktechnik erlaubt eine zentimetergenaue Positionsbestimmung. Gut für Automobilhersteller, die damit zum Beispiel digitale Autoschlüssel besser schützen können. Auch in Industrieumgebungen gibt es viele Einsatzmöglichkeiten.

Die Ultra-Breitband-Technologie kennt man bislang primär vom Asset-Tracking, doch die spezielle Form der Nahbereichsfunkkommunikation bietet weiteres Potenzial.
Die Ultra-Breitband-Technologie kennt man bislang primär vom Asset-Tracking, doch die spezielle Form der Nahbereichsfunkkommunikation bietet weiteres Potenzial.
(Bild: NXP)

Die Ultra-Wideband (UWB) Technologie verarbeitet in Echtzeit Kontextinformationen wie die Position, Bewegungen und die Entfernung zu anderen UWB-Geräten – und das mit einer beispiellosen Genauigkeit von wenigen Zentimetern. Viele Unternehmen haben das Potenzial des räumlichen Orientierungsvermögens und der Nutzung von UWB als Echtzeit-Ortungssystem (engl. Real-time locating, RTLS) in industriellen Umgebungen erkannt. Um das volle Potenzial von UWB für Industrieanwendungen zu verstehen, ist es wichtig, die Eigenschaften von UWB bei der Messung der Laufzeit (Time-of-Flight, ToF) und des Auftreffwinkels zu betrachten.

Was unterscheidet UWB von anderen Funktechnologien?

Im Gegensatz zu den meisten Funktechnologien arbeitet Ultra-Wideband mittels Impulsfunk. Es verwendet eine Reihe von Impulsen über ein breites Frequenzband hinweg, weshalb es manchmal auch IR-UWB oder Impulse Radio UWB genannt wird. Zum Vergleich: Satelliten, Wi-Fi und Bluetooth nutzen zur Übertragung von Informationen eine modulierte Sinuswelle über einen schmalen Frequenzbereich.

In wissenschaftlichen und militärischen Anwendungen wird die Bestimmung des horizontalen Abstands zwischen zwei Punkten (oder Geräten) als Entfernungsmessung oder Ranging bezeichnet. Die Time of Flight ist eine Form des Rangings, für welche die Signallaufzeiten zur Berechnung der Entfernung herangezogen werden.

Abb. 01: 'Time of Flight'-Auswertung mit UWB
Abb. 01: 'Time of Flight'-Auswertung mit UWB
(Bild: NXP)

Zur Berechnung der Time of Flight mit Hilfe von Two Way Ranging (TWR) messen wir die Zeit, die ein Signal für den Weg von einem

initiierenden Gerät (Gerät 1) zu einem antwortenden Gerät (Gerät 2) und zurück benötigt. Diese Roundtrip-Zeit einer Nachricht ist in Abbildung 1 mit Tloop bezeichnet. Sie umfasst auch die Verarbeitungszeit im antwortenden Gerät (Treply in Abbildung 1). Subtrahiert man die Verarbeitungszeit von der Roundtrip-Zeit und teilt sie durch zwei, erhält man die ToF. Um die Entfernung zwischen den beiden Geräten abzuleiten, wird die Time of Flight mit der Lichtgeschwindigkeit in Luft multipliziert.

Aufgrund der hohen Bandbreite (500MHz) von UWB liegt die Breite der Pulse im Nanosekundenbereich, was eine genaue Messung der Ankunftszeit eines Impulses und damit der Time of Flight ermöglicht. Entsprechend erreicht UWB eine Entfernungsgenauigkeit von unter 10 cm, selbst in schwierigen Mehrwege-Umgebungen. Schmalbandtechnologien wie Wi-Fi und Bluetooth LE (BTLE) erreichen nur eine Genauigkeit von 1-5 Metern.

Für das Extra an Genauigkeit: Berechnungen des Auftreffwinkels

Wichtig ist, dass ToF-Berechnungen den radialen Abstand und nicht die Richtung bestimmen. Das heißt, die ToF-Berechnung teilt Gerät 1 mit, wie weit Gerät 2 entfernt ist, aber nicht in welcher Richtung es sich befindet - vorne, hinten, rechts oder links. Aus diesem Grund sind ToF-Diagramme kreisförmig: Wenn die ToF-Berechnung ergibt, dass Gerät 2 fünf Meter von Gerät 1 entfernt ist, kann sich Gerät 2 an einer beliebigen Stelle auf dem Kreis befinden. Dieser Distanzkreis entsteht, wenn man mit einem Maßband fünf Meter von Gerät 1 entfernt in jede Richtung misst. Ein zusätzliches Gerät wäre erforderlich, um den Schnittpunkt zweier Distanzkreise und damit die genaue Position mithilfe einer zweiten Messung zu bestimmen.

Um die Diskussion über die UWB-Technologie abzurunden, sollten wir daher eine weitere Messgröße betrachten, die eine wichtige Rolle für aktuelle Anwendungsszenarien abseits der Automobilbranche spielt: Den Auftreffwinkel (Angle of Arrival, AoA). Mit seiner Hilfe lässt sich festzustellen, wo genau auf dem Distanzkreis sich Gerät 2 befindet. Um AoA-Berechnungen durchführen zu können, muss Gerät 1 mit einem speziellen Satz sorgfältig positionierter Antennen ausgestattet sein, welche nur für AoA-Messungen verwendet werden. Nicht alle UWB-Lösungen beinhalten diese zusätzlichen Antennen, doch die Lösungen, bei denen das der Fall ist, können das Empfängergerät bis auf wenige Zentimeter genau lokalisieren.

Abb. 02: Verschiedene Messmethoden im Vergleich
Abb. 02: Verschiedene Messmethoden im Vergleich
(Bild: NXP)

AoA-Berechnungen unterscheiden sich von ToF-Berechnungen, beide ähneln einander jedoch: Alles beginnt mit dem Timing der Impulse. An jeder Antenne im AoA-Array gibt es einen winzigen, aber erkennbaren Unterschied in der Ankunftszeit und der Phase des empfangenen Signals. Die Ankunftszeit und Phase jedes Signals werden festgehalten und dann in einer geometrischen Berechnung ähnlich der Triangulation verwendet, die die Richtung bestimmt, aus der das Signal stammt.

Die Bedeutung des "Wo"

In Echtzeit über den Aufenthaltsort eines bestimmten Wirtschaftsguts Bescheid zu wissen ist in vielerlei Hinsicht hilfreich. In industriellen Umgebungen ist eine Steigerung der Auslastungsrate möglich und die Mitarbeiter können Zeit auf der Suche nach Bauteilen und Gegenständen sparen. Das Ergebnis ist ein neues Level der „Just-in-Time“-Effizienz in Fabrikhallen sowie in der Inventarverwaltung in Lagern und Einzelhandelsumgebungen.

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Erhöhte Sicherheit ist ein weiterer Vorteil einer genauen Lokalisierung: Zu wissen, wo sich Personen, automatisch geführte Fahrzeuge und Roboter zum jeweiligen Zeitpunkt genau befinden, kann dazu beitragen Unfälle zu vermeiden und Personen aus dem Gefahrenbereich zu halten. Eine beträchtliche Anzahl von Unternehmen nutzt UWB daher als Echtzeit-Ortungssystem in industriellen Umgebungen. Diese erfordern höchste Präzision und maximale Robustheit, wie zum Beispiel bei der Verfolgung von Gabelstaplern oder anderen mobilen Maschinen.

Ein Mehr an Sicherheit für Fertigungsstätten

Standort-basierte Sicherheitsberechtigungen sind ein weiteres mögliches Einsatzszenario für UWB. Es ist sehr schwierig, eine präzise Echtzeit–Ortung zu fälschen. Daher kann man diese Informationen verwenden, um den Zugriff auf bestimmte Bereiche einzuschränken oder um Schutzmaßnahmen zu realisieren, die auf dem Standort einer Ressource oder eines Datenelements basieren.

Ein mit UWB ausgestattetes Türschloss, das an einem Lagereingang oder einem Industriefahrzeug installiert ist, erkennt, wenn Sie sich ihm nähern, und entriegelt das Schloss automatisch, sobald Sie nahe genug sind, um die Tür zu öffnen. Sie müssen keinen physischen Schlüssel einstecken, keinen PIN-Code eingeben, keine Karte vorhalten oder Ihr Handy aus der Tasche ziehen. Das Schloss registriert, ob Sie sich von innen oder von außen einem Gebäude nähern und kann entsprechend reagieren. Sobald Sie sich von der Tür wieder entfernen, verriegelt sich das Schloss automatisch. Mit UWB können Sie darüber hinaus Zugriffsdaten auf sichere Weise freigeben, sodass Sie Mitarbeitern über die Freigabe digitaler Schlüssel temporären Zugriff gewähren können.

UWB ist eine äußerst sichere Methode für die Zugangskontrolle, da die Technologie präziser ist als andere Funktechnologien, die heutzutage für einen sicheren Zugang verwendet werden. UWB ist insbesondere nicht anfällig für sogenannte Relay-Attacken, bei denen das Funksignal abgefangen und verstärkt wird. Jedes UWB-Signal, das Angreifer erfolgreich erfassen und verstärken können, bräuchte zu lange, um auf das Bestätigungssignal des UWB-Schlosses zu reagieren. Dadurch kann das Schloss erkennen, dass das antwortende Gerät tatsächlich weiter entfernt ist und sich nicht in unmittelbarer Nähe befindet. Aufgrund ihrer Immunität gegen Relay-Attacken bieten UWB-Schlösser deutlich mehr Sicherheit.

Neue Herausforderungen für das Thema Sicherheit

Angesichts der globalen COVID-19-Pandemie, stehen Unternehmen heute vor neuen Herausforderungen beim Thema Sicherheit. Insbesondere die Fertigungsindustrie ist auf der Suche nach Anwendungen für eine Näherungserkennung, um ihren Mitarbeitern die sichere Rückkehr zum Arbeitsplatz zu erleichtern. Social Distancing verringert die Exposition und mindert damit das Infektionsrisiko. Ohne ein Maßband oder andere Messgeräte kann es jedoch schwierig werden, genau zu wissen, wie weit Sie von jemandem entfernt sind.

Gerade in einer vertrauten Umgebung mit vertrauten Personen, wie dem Arbeitsplatz, lässt das Sicherheitsbewusstsein schnell nach. Die Interaktion mit Menschen, die Sie kennen, kann ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen und die Konzentration auf eine Aufgabe kann Ihre Aufmerksamkeit von der Einhaltung eines Sicherheitsabstands ablenken. Hier kann Technologie unterstützen.

Ein speziell entwickeltes UWB-Gerät, das Sie am Körper tragen, kann Ihnen dabei helfen, festzustellen, wie weit Sie von jemand anderem entfernt sind. Sie werden benachrichtigt, wenn Sie jemandem zu nahekommen. Sollte eine andere Person, die ein ähnliches Gerät trägt, in Ihre vordefinierte Sicherheitsblase gelangen, weist Sie ein Akustik- oder Vibrationsalarm darauf hin.

Energiemanagement neu gedacht

Eine genaue Ortung in Echtzeit ermöglicht darüber hinaus eine kontextbezogene Entscheidungsfindung. Ein mit UWB-Technologie ausgestattetes mobiles Gerät kann zum Beispiel als kontextbezogene Fernbedienung für elektronische Geräte eingesetzt werden. Dies wird möglich, indem man einfach auf ein bestimmtes Objekt zielt. In noch komplexeren Szenarien können UWB-fähige Sensoren auf Ihre Bewegungen reagieren und das Licht beim Betreten eines Raums einschalten sowie beim Verlassen des Raums wieder ausschalten. Ihre Anwesenheit bestimmt die Einstellungen und hilft, den Energieverbrauch besser zu steuern, ohne dass eine Taste berührt oder ein Schalter gedrückt werden müsste.

Während UWB sich bereits als De-Facto-Standard für die Lokalisierung und Nachverfolgung von Gütern sowie die Optimierung von Lagerhäusern etabliert hat, muss das enorme Potenzial der Technologie für viele weitere Einsatzszenarien erst noch erschlossen werden. Ein Beispiel wäre hier die Erhöhung der Sicherheit in der Fertigung. Standardisierungsgremien wie das FiRa-Konsortium haben es sich zur Aufgabe gemacht, in ein interoperables, ganzheitliches UWB-Ökosystem zu investieren und den Bekanntheitsgrad von UWB und seiner vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten zu stärken.

* Peter Pirc, arbeitet als Senior Marketing Manager - UWB Mobile & IoT Solution bei NXP Semiconductors.

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