Hybrid-Chip: STMicros erster Mikroprozessor hat zwei verschiedene Herzen

Redakteur: Michael Eckstein

Mehr Power für Endgeräte: Mit seiner ersten Mikroprozessor-Familie STM32MP1 will ST Microelectronics mehr Rechenleistung für IoT-Knoten und Subsysteme bereitstellen. Die heterogene Prozessorarchitektur des Hybrid-Chips mit unterschiedlichen Kernen soll Code-Reuse ermöglichen und so die Entwicklung beschleunigen.

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Linux-on-a-chip: STMicro liefert seine neue, auf einer heterogenen Prozessorarchitektur basierende MPU-Familie STM32MP1 mit passendem LTS-Linux aus.
Linux-on-a-chip: STMicro liefert seine neue, auf einer heterogenen Prozessorarchitektur basierende MPU-Familie STM32MP1 mit passendem LTS-Linux aus.
(Bild: ST Microelectronics)

ST Microelectronics (STMicro) nach eigenen Angaben erster eigener Mikroprozessor STM32MP1 ist ein Hybrid-Chip, der in seiner heterogenen Prozessorarchitektur Cortex-A7- und Cortex-M4-Kerne von IP-Spezialist ARM vereint. Entwickler sollen Code wiederverwenden können, den sie für bisherige Mikrocontroller (MCU) aus dem großen STM32-Ökosystem geschrieben haben – zum Beispiel Echtzeit-Applikationen. STMicro folgt dabei dem ursprünglich von ARM entwickelten Prozessorkonzept „Heterogenous System Architecture“, kurz HSA (früher Fusion System Architecture). Für umfangreichere Anwendungen, die beispielsweise keine Echtzeitfähigkeit erfordern, liefert STMicro seine OpenSTLinux-Distribution des STM32Cube-Ökosystems mit. Die neue STM32MP1-Familie, allen voran das Topmodell, adressiert ähnliche Applikationen wie die erfolgreichen i.MX8-Chips von NXP – auch wenn diese neuere 64-Bit-Kerne des Typs Cortex-A35 besitzen.

Fraglos zählt die STM32-Familie von STMicro seit Jahren zu den erfolgreichsten MCU-Serien. Sie kommt praktisch in jedem Winkel des Elektronikuniversums zum Einsatz. Der Trend zu Edge- und FOG-Computing führt dazu, dass auch beim Entwickeln von Kleinstgeräten wie IoT-Knoten die Nachfrage nach mehr Rechenleistung wächst. Für einige Applikationen reicht die Processing-Power der STM32-Controller nicht mehr aus. STMicro hat den Bedarf erkannt und schiebt jetzt einen Multicore-Hybrid-Chip nach, der auf Cortex-A- und -M-IP des Prozessordesigners ARM basiert.

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Heterogene Prozessorarchitektur für unterschiedliche Aufgaben

Der neue, im 40-nm-Prozess gefertigte STM32MP1 soll Multicore-MPU-Leistung mit industrieller Langlebigkeit kombinieren. Dazu setzt STMicro auf eine heterogene Prozessorarchitektur, die zwei 650-MHz-Arm-Cortex-A7-Applikationsprozessorkerne und einen 209-MHz-Arm-Cortex-M4-Kern vereint. In der Topvariante STM32MP157 ist noch eine Vivante 3D-GPU mit OpenGL ES 2.0-Unterstützung an Bord, die mit 533 MHz taktet. Damit sollen sich 24-Bit-Parallel-RGB-Displays maximal in WXGA-Auflösung bei 60 fps und MIPI DSI mit zwei Datenkanälen bei 1 GBit/s ansteuern lassen.

Als externe Speicher kann die MPU DDR-SDRAMs einschließlich DDR3, DDR3L, LPDDR2 und LPDDR3 ansteuern. Diese werden über die mit 533 MHz getaktete 16/32-Bit-Schnittstelle angeschlossen. Als Flash-Varianten lassen sich eMMC, SD-Karte, SLC NAND, SPI NAND und Quad-SPI NOR-Flash über die integrierte Dual-Quad-SPI-Schnittstelle anbinden.

Insgesamt hat der STM32MP1 37 Kommunikations-Schnittstellen an Bord, darunter 3x USB 2.0 mit 2x High-Speed, 1x Gigabit Ethernet GMAC, 2x CAN-FD und Standard I²C, UARTs und SPIs. Darüber hinaus ist auch eine Reihe analoger Funktionsmodule verfügbar, zum Beispiel 2x 16 Bit ADCs, 2x 12 Bit DACs und On-chip LDOs. Der STM32MP1 unterstützt 29 Timer und 3 Watchdogs. Je nach Ausführung kann der Chip bis zu 176 GPIOs unterstützen. Die Peripherie können Entwickler frei den Cortex-A- oder Cortex-M-Kernen zuordnen, und zwar laut Hersteller „nahtlos“.

Top-Version STM32MP157 mit Vivante 3D-GPU

So gerüstet, sollen sich auch Mittelklasse-MPU-Anwendungen für die industrielle Kommunikation, Motorsteuerung oder Gebäudeautomation mit den neuen MP1-Chips realisieren lassen. Anwender sollen mit diesen Bausteinen beispielsweise in der Lage sein, zusätzlich zur Echtzeitsteuerung Open-Source-Applikationen wie eine Linux-basierte Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI) auf einem Chip auszuführen. Um die GPU abgespeckt ist das Modell STM32MP153. Das Derivat STM32MP151 kommt zudem ohne CAN-FD-Schnittstelle.

Stolz ist man bei STMicro auf die angeblich sehr gute Energieeffizienz der Chips: „Wenn Sie beispielsweise die Ausführung des Cortex-A7 stoppen und nur der effizientere Cortex-M4 läuft, sinkt die Leistungsaufnahme um durchschnittlich 75 Prozent“, sagt Ricardo De Sa Earp, General Manager der Microcontroller Division von STMicroelectronics. Von diesem Betriebsmodus aus reduziere der Wechsel in den Standby-Modus den Stromverbrauch weiter um das 2,5-fache. Die Wiederaufnahme eines Linux-Programms dauere dann 1 bis 3 Sekunden, je nach Anwendung.

„80 Prozent aller ST-Treiber sind bereits validierte Open-Source.“

STMicro liefert seine neue Produktfamilie mit einer passenden Linux-Distribution aus: OpenSTLinux. Sie basiert auf dem Linux Kernel 4.19 LTS, der erst Ende 2018 veröffentlicht wurde und derzeit das neueste langfristige Maintenance-Kernel-Release ist. Die Distribution erfüllt die Trusted Firmware-A-Spezifikationen und enthält den Bootloader U-Boot. Nach Angaben von STMicro stehen bereits 80 % aller Treiber als Open-Source zur Verfügung, die zudem von der Linux-Community validiert sind.

Die Distribution enthält laut STMicro „alle wesentlichen Bausteine, um Software auf den Anwendungsprozessorkernen auszuführen“. Die Kombination aus MPU und Software soll, wie für industrielle Anwendungen üblich, mindestens 10 Jahre erhältlich sein. Der Clou ist, dass sich vorhandener, für bisherige STM32-MCUs geschriebener Code in neuen Projekten mit der MP1-MPU wiederverwenden lässt. Entwickler können laut STMicro ihre gewohnten Tools weiter nutzen.

Um sicherzustellen, dass der Code vertrauenswürdig ist, integriert die STM32MP1-Serie Hardware-Sicherheitsfunktionen wie TrustZone, Kryptographie, Hash, Secure Boot, Anti-Tamper-Pins und eine Echtzeituhr. Für einen schnellen Einstieg werden ab April zwei Evaluierungsboards (STM32MP157A-EV1 und STM32MP157C-EV1) und zwei Discovery-Kits (STM32MP157A-DK1 und STM32MP157C-DK2) erhältlich sein.

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