Ethernet-Vernetzung EMV: Gigabit-Ethernet effektiv entstören – Teil 3
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Gigabit-Ethernet hat sich als Vernetzungsstandard zwar weitgehend durchgesetzt, doch häufig erfüllen die Schnittstellen die EMV-Vorgaben mehr schlecht als recht. Teil 3 befasst sich mit der Störaussendung, fasst Messergebnisse zusammen und gibt Schaltungstipps.

Das EMV-Verhalten der Gigabit-Ethernet-Schnittstelle bei verschiedenen Schirmanschlüssen und Konfigurationen steht im Mittelpunkt dieser Artikelserie. Im ersten Teil habe ich die Gigabit-Ethernet-Referenz-Designs von Würth Elektronik vorgestellt, die als Testvehikel für die Betrachtung des EMV-Verhaltens dienen. Dort wurden auch der Messaufbau erläutert und die relevanten Störgrößen und Fehlerkriterien erklärt. In Teil 2 habe ich mich mit verschiedenen Aspekten der Störaussendung befasst. Im dritten Teil steht nun die Störfestigkeit im Mittelpunkt:
- Gestrahlte Störfestigkeit
- Leitungsgeführte Störfestigkeit
- Transiente Störfestigkeit, Burst
- Transiente Störfestigkeit, Surge
Punkt 1: Gestrahlte Störfestigkeit
Die gestrahlte Störfestigkeit wird nach der Norm IEC 61000 4 3 geprüft. Um einen kompletten Kommunikationszyklus zu prüfen, sollte die Einwirkzeit des Feldes 3 s dauern. Dabei finden die Bewertungskriterien aus Tabelle 1 (Teil 1) Anwendung. Da die IEC 61000 4 3 kontinuierliche Störgrößen modelliert, die durch Rundfunksender und andere Funkanalagen ausgesendet werden, wird das Bewertungskriterium A herangezogen. Hintergrund ist, dass diese Funksender kontinuierlich senden. Sollte also ein Funktionsfehler bei der Einwirkung dieser Störgrößen auftreten, könnte dieser Umstand später im Feld zur Unbenutzbarkeit der Applikation führen.
Ungeschirmte Ethernet-Leitungen: Beide Designs meistern die Prüfung mit den Pegeln nach Tabelle 2 und bestehen damit die Anforderungen an die Störfestigkeit des industriellen Anwendungsbereichs. Bei höheren Prüfpegeln bricht die Datenrate ein und es kommt teilweise zu Verbindungsabbrüchen. Da im industriellen Bereich ungeschirmte Ethernet-Leitungen unüblich sind, ist ein guter Sicherheitsabstand für den Wohnbereich, in dem üblicherweise ungeschirmte Ethernet-Leitungen verwendet werden, gegeben.
Geschirmte Ethernet-Leitungen: Die mit zwei 10-nF-Kondensatoren oder einem 1-nF-Y-Kondensator kontaktierten Kabelschirme können bei der maximal zur Verfügung stehenden Prüffeldstärke (Bild 1) im Bewertungskriterium A betrieben werden. Da im industriellen Umfeld im Frequenzbereich bis 1 GHz nur ein Störfestigkeitspegel von 10 V/m gefordert ist, ist bei den geschirmten Designs eine deutlich höhere Störfestigkeit gegeben als gefordert.
Punkt 2: Leistungsgeführte Störfestigkeit
Die leitungsgeführte Störfestigkeit wird nach der Norm IEC 61000 4 6 geprüft. Diese erweitert das Prüfspektrum kontinuierlicher Störgrößen im Frequenzbereich unter 80 MHz und stellt eine Kopplung durch angeschlossene Leitungen in das Gerät nach. Hierbei geht man davon aus, dass Störungen im Frequenzbereich von 150 kHz bis 80 MHz vorwiegend durch als Antenne dienende angeschlossene Leitungen eingekoppelt werden. Da eine direkte Kopplung in die Schnittstelle physikalisch einfacher ist als die Erzeugung eines großen elektrischen Homogenfeldes, wird hierfür das CDN-Verfahren genutzt.
Ungeschirmte Ethernet-Leitungen: Bei der leitungsgeführten Störfestigkeitsprüfung unterscheiden sich die möglichen Prüfpegel der beiden Designs (Tabelle 3). Der integrierte Aufbau erfüllt mit dem höheren Prüfpegel für industrielle Applikationen das Leistungskriterium A. Das diskrete Referenzdesign erfüllt die Anforderungen an den Wohnbereich.
Da ungeschirmte Ethernet-Leitungen im industriellen Umfeld unüblich sind, ist das ausreichend. An dieser Stelle sei angemerkt, dass das diskrete Design einen Prüfpegel von nahezu 10 V im Kriterium A schafft und die klassische Darstellung der Prüfpegel mit 3 und 10 V einen falschen Eindruck von der Leistungsfähigkeit vermitteln kann. Der technische Leistungsunterschied zwischen den Boards ist somit weniger gravierend als der erste Blick auf Tabelle 3 suggeriert.
Geschirmte Ethernet-Leitungen: Beide Designs verhalten sich bei einer Schirmkontaktierung mit zwei 10-nF-Kondensatoren und einem Varistor ähnlich. Die Störfestigkeitsprüfungen wurden mit einem Pegel von 20 V durchgeführt, beide Designs erfüllen das Bewertungskriterium A. Bei der Schirmkontaktierung mit einem 1-nF-Y Kondensator besteht das integrierte Design das Bewertungskriterium A mit einem Pegel von 10 V. Das diskrete Board besteht das Kriterium A mit 20 V. In allen Konfigurationen wird somit mindestens die industrielle Störfestigkeitsanforderung von 10 V erfüllt.
Punkt 3: Transiente Störfestigkeit – Burst
Burst-Pakete entstehen beim Schalten induktiver Stromkreise am Schaltkontakt, da beim Öffnen des induktiven Stromkreises die Spannung am Schaltkontakt bis zur Funkenbildung ansteigt. Die Burst-Störungen koppeln dabei stark in die Leitungsstruktur, z. B. parallel liegende Leiter. Da die Burst-Pulse beim Schalten induktiver Lasten auftreten und nicht als Dauerstörgröße, wird das Bewertungskriterium B angewandt. In welchen Fällen dies nicht ausreicht ist in [2] ausgeführt.
Die Norm IEC 61000 4 4 beschreibt zwei verschiedene Prüfsignale mit jeweils unterschiedlicher Wiederholrate der einzelnen Burstpulse:
- Wiederholrate von 5 kHz: Historisch gewachsenes Prüfsignal, das in den meisten Produktstandards immer noch bevorzugt wird.
- Wiederholrate von 100 kHz: Realistischere Signalform.
Aus den Erfahrungen im EMV-Laborbetrieb zeigt sich, dass Prüflinge in seltenen Fällen nur bei einem Signaltyp eine Reaktion zeigen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mit beiden Signalen zu prüfen. Die Prüfergebnisse zu ungeschirmten und geschirmten Ethernet-Leitungen sind in [2] detailliert dargelegt.
Punkt 4: Transiente Störfestigkeit – Surge
Die Surge-Prüfung wird nach der Norm IEC 61000 4 5 auf der Ethernet-Schnittstelle durchgeführt. Hier ist zwischen der Kopplung in geschirmte und ungeschirmte Leitungen zu unterscheiden. Die IEC 61000 4 5 versteht unter geschirmter Leitung, dass der Schirm beidseitig an Erde angeschlossen ist. Somit müssen beide Geräte in der Endapplikation eine Schirmerdung aufweisen.
Ist dies nicht der Fall, gilt die Schnittstelle als ungeschirmt und die Störung wird asymmetrisch in die Leitung eingekoppelt. Da der Gerätehersteller nicht sicherstellen kann, dass dieser Punkt in allen Konfigurationen in der späteren Anwendung abgedeckt ist, empfiehlt es sich, beide Konfigurationen zu testen. Die Prüfergebnisse zu ungeschirmten (Bild 2) und geschirmten (Bild 3) Ethernet-Leitungen sind in [2] detailliert dargelegt.
Messergebnisse und Design-Tipps
Bei den Messungen hat sich herausgestellt, dass die Referenzdesigns eine sehr hohe Störfestigkeit, eine geringe Störaussendung und hohe Datenübertragungsrate haben. Es wurde gezeigt, dass der Leitungstyp nicht zwangsläufig Auswirkungen auf das EMV-Verhalten hat. Vor allem der Unterschied zwischen geschirmter und ungeschirmter Ethernet-Schnittstelle sticht hervor.
Die verschiedenen geschirmten Leitungen hatten bei Leitungslängen zwischen 3 und 5 m keinen deutlichen Einfluss auf das EMV-Verhalten. Bei Prüfungen mit ungeschirmten Leitungen sind die gemessenen Störpegel in der Störaussendung deutlich höher und die Immunitätslevel geringer.
Eine direkte Schirmanbindung und eine unmittelbare, kurze und niederimpedante Verbindung zwischen Ethernet-Buchse und Massefläche ist aus EMV-Sicht ideal. Da diese Konstruktion jedoch teilweise den Isolationsanforderungen und funktionalen Aspekten (50-Hz-Ausgleichsströme) widerspricht, kann eine kapazitive Kontaktierung erforderlich sein.
Bei kapazitiver Schirmkontaktierung mit einem Kondensator kann die Änderung der Seite, rechts oder links der Ethernet-Buchse, einen Unterschied im EMV-Verhalten machen. Wenn schon eine kapazitive Kontaktierung benötigt wird, bietet sich daher eine beidseitige an.
Wir empfehlen eine Kontaktierung mit zwei 10-nF-Kondensatoren, um auch im niedrigeren Frequenzbereich eine geringe Impedanz und somit Kontaktierung zu ermöglichen. Um die Kondensatoren vor der Beschädigung durch transiente Störungen zu schützen, eignet sich ein parallel geschalteter SMD-Varistor.
Für eine hohe Störfestigkeit gegen kontinuierliche Störgrößen empfehlen wir den Einsatz einer geschirmten Leitung. Hierbei hat sich eine CAT5E-SF/UTP-Leitung bei kurzer Länge von 3 m bis 5 m als ausreichend gezeigt. Trotz hoher Störeinkopplung ist eine fehlerfreie und schnelle Datenübertragung möglich.
Die beiden Referenzdesigns unterscheiden sich im EMV-Verhalten vor allem in der Toleranz hoher Burst-Pegel. Bei erhöhten Anforderungen in EMV-Umgebungen mit sehr hohen Burst-Pegeln empfiehlt sich der Aufbau einer diskreten Ethernet-Schnittstelle mit WE-LAN-AQ, da hier die Störeinkopplung geringer ist. Ansonsten ist das EMV-Verhalten beider Boards weitgehend vergleichbar. (kr)
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EMV: Gigabit-Ethernet effektiv entstören – Teil 1
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EMV: Gigabit-Ethernet effektiv entstören – Teil 2
Literatur
[1] Referenz-Design RD016 – Gigabit-Ethernet Front-End: https://www.we-online.com/RD016
[2] Application Note ANP116 –Gigabit-Ethernet-Schnittstelle unter EMV-Gesichtspunkten: https://www.we-online.com/ANP116
* Adrian Stirn ist EMV-Spezialist bei Würth Elektronik in Waldenburg.
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