Das Auto der Zukunft hört seine Umgebung
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Nach den Augen folgen die Ohren: Bisher verfügen Fahrzeuge über Sensoren, um ihre Umgebung wahrzunehmen. Jetzt wollen Forscher Mikrofone außen am Fahrzeug verbauen, damit Geräusche von einem Steuergerät verarbeitet werden können.

Moderne Fahrzeuge sind mit einer Unmenge an Sensoren ausgestattet. Darüber können die elektronischen Systeme zusammen mit dem Bordsystem die Umgebung erfassen. Doch Forscher gehen jetzt noch einen Schritt weiter: Sie wollen automatisiert fahrende Fahrzeuge mit einem eigenen Hörsinn ausstatten. Dann kommt neben Kamera, Lidar und Radar, die relevanten Objekte in der Umgebung erfassen und somit als das Auge des Fahrzeugs dienen, noch das Ohr hinzu.
Solche Systeme sollen dann in der Lage sein, Außengeräusche wahrzunehmen und einzuordnen. Sie werden künftig im Zusammenspiel mit intelligenten Radar- und Kamerasensorik die Grundlage für das autonome Fahren bilden. Um das „hörende Auto“ zu realisieren, entwickeln Forscher am Fraunhofer IDMT in Oldenburg KI-basierte Techniken zur akustischen Ereigniserkennung.
Auto erkennt die Sirene
„Für autonome Fahrzeuge existieren externe akustische Wahrnehmungssysteme bisher nicht, trotz Ihres hohen Anwendungspotenzials. Sie signalisieren beispielsweise im Bruchteil einer Sekunde, wenn ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Martinshorn naht. So weiß das autonome Fahrzeug, das es ausweichen muss, damit eine Rettungsgasse gebildet werden kann“, sagt Danilo Hollosi, Gruppenleiter Akustische Ereignisdetektion am Fraunhofer IDMT in Oldenburg.
Neben der Sirenenerkennung gibt es zahlreiche weitere Szenarien, wo ein akustisches Frühwarnsystem unerlässlich ist: beim Einbiegen in Spielstraßen, aber auch zum Erkennen von gefährlichen Situationen oder Fehlern – etwa wenn ein Nagel im Reifen steckt. Darüber hinaus kann das System die Zustandsüberwachung des Fahrzeugs übernehmen oder per Spracherkennung als Notrufsäule fungieren.
Algorithmen analysieren Geräusche
Um das „hörende Auto“ zu verwirklichen, bringen die Entwickler am Fraunhofer IDMT in Oldenburg spezielle Projekterfahrungen aus dem Automobilumfeld sowie gruppenübergreifende Kompetenzen mit. Ein Problem, das die Entwickler angehen ist die optimale Signalaufnahme durch Sensorpositionierung, die Signalvorverarbeitung und –verbesserung sowie die Störgeräuschbefreiung. Eigene Beamforming-Algorithmen ermöglichen die dynamische Lokalisation von sich bewegenden Schallquellen, wie beispielsweise das Martinshorn an einem Einsatzfahrzeug.
Die Ereignis-Erkenner des IDMT wurden zuvor über Machine-Learning-Verfahren mit den akustischen Signaturen der relevanten Töne trainiert. Hierfür wurden eigens akustische Bibliotheken angelegt. Eigens entwickelte KI-basierte Algorithmen zur Audioanalyse ermitteln die Stör- und Zielgeräusche. »Wir wenden Methoden des Maschinellen Lernens an. Wir trainieren unsere Algorithmen mit unterschiedlichsten, zuvor erhobenen Geräuschen“, sagt Hollosi. Gemeinsam mit Industriepartnern wurden bereits erste Prototypen realisiert, die Mitte des kommenden Jahrzehnts marktreif sein sollen.
Mikrofon, Steuergerät und Software
Die akustische Sensorik setzt sich aus eingehausten Mikrofonen, Steuergerät und Software zusammen. Außen am Fahrzeug angebracht nehmen die Mikrofone den Luftschall auf. Die Sensoren leiten die Audiodaten an ein spezielles Steuergerät weiter, wo diese dann zu relevanten Metadaten weiterverarbeitet werden. In vielen anderen Anwendungsfällen, zum Beispiel im Sicherheitsbereich, in der Pflege oder bei Consumer-Produkten, verwerten smarte Sensoren die Audiodaten direkt und geben nur Metadaten weiter.
Die computerbasierten Verfahren zur Ereigniserkennung des Forscherteams lassen sich in angepassten Varianten auch in anderen Branchen und Märkten einsetzen, etwa zur Qualitätssicherung in der industriellen Produktion. Hier verarbeiten intelligente akustische Sensoren batteriebetrieben Audiosignale von Maschinen und Anlagen. Aus den Informationen, die drahtlos an eine Auswerteeinheit weitergeleitet werden, lassen sich Rückschlüsse auf den Zustand der Fertigungsanlagen ziehen und mögliche Schäden vermeiden. Automatische Spracherkenner ermöglichen berührungslose Dokumentationssysteme für professionelle Einsatzzwecke, beispielsweise in der Turbinenwartung.
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Lidar-Laser für Autonome Fahrzeuge nehmen ihre Umgebung noch besser wahr
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