TSMC Symposium Amsterdam Aus erster Hand: Das plant TSMC in Europa

Von Michael Eckstein Lesedauer: 7 min

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Auf dem TSMC Technology Symposium machte Kevin Zhang, Senior Vice President für Geschäftsentwicklung bei TSMC, klar: Für eine Chip-Fab in Dresden sprechen viele Gründe. Das Unternehmen prüft derzeit mehrere Optionen, hoch im Kurs ist eine 20-nm-Prozessgeneration mit Embedded RRAM, ein 6-nm-Prozess könnte folgen. Im August soll die Entscheidung fallen.

Dr. Kevin Zhang, Senior Vice President für Geschäftsentwicklung bei TSMC, stellt auf dem Firmensymposium die Technologie-Roadmap des weltweit größten Halbleiter-Auftragsfertigers vor. Dazu zählt neben der monolithischen auch die heterogene Integration. Bereits Ende des Jahrzehnts könnte die Zahl der Transistoren pro Chip die 1-Trillion-Marke knacken.
Dr. Kevin Zhang, Senior Vice President für Geschäftsentwicklung bei TSMC, stellt auf dem Firmensymposium die Technologie-Roadmap des weltweit größten Halbleiter-Auftragsfertigers vor. Dazu zählt neben der monolithischen auch die heterogene Integration. Bereits Ende des Jahrzehnts könnte die Zahl der Transistoren pro Chip die 1-Trillion-Marke knacken.
(Bild: TSMC)

Auf dem TSMC Symposium in Amsterdam zeigte der weltweit größte Chip-Auftragsfertiger eine Weltkarte mit seinen bestehenden und geplanten beziehungsweise im Bau befindlichen Niederlassungen. Ganz weit im Westen: Mehrere Standorte in den USA, darunter die im Bau befindliche 4-nm-Fab21 in Arizona. Ganz weit im Osten: Viele Standorte im Heimatland Taiwan, China, und demnächst auch in Japan und möglicherweise in Singapur. Im zentralen Bereich der Karte: nichts. Dabei liegt hier ein wichtiger Absatzmarkt für TSMC: Europa.

Das wird sich aller Voraussicht nach bald ändern. Im Pressegespräch machte Kevin Zhang, Senior Vice President für Geschäftsentwicklung bei TSMC, klar: „Wir glauben, dass Europa [als Markt] sehr wichtig ist. Das ist der Hauptgrund, warum wir eine Fabrik in Europa bauen wollen“, sagte Zhang. Ein weiterer bedeutender Grund seien Talentressourcen, ohne die auch eine hochautomatisierte Chipfabrik nicht funktioniert – sprich die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte.

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Letzteres überrascht etwas, schließlich gelten gerade fähige Elektro- und Prozessingenieure nicht zuletzt in Deutschland als besonders rar. Hinzu kommt, dass nach den Ankündigungen der letzten Wochen und Monate über geplante oder bereits im Bau befindliche Halbleiterfabriken in Europa illustre Unternehmen wie Intel, Wolfspeed, Infineon, Bosch ebenfalls Spitzenkräfte suchen. Andererseits dürfte in universitär geprägten Regionen wie dem „Silicon Saxony“ in und um Dresden ein steter Nachschub der gefragten High Potentials gesichert sein. Nicht von ungefähr gilt Dresden als bislang wahrscheinlichster Standort für eine mögliche europäische TSMC-Fab.

Kommt TSMC nach Europa? „Gut möglich“

Ein klares Bekenntnis zu eben dieser Fab war in Amsterdam zwar nicht zu bekommen. Allerdings deuten die Aussagen von Zhang in diese Richtung: „Um es klar zu sagen. Wir durchlaufen gerade eine interne Due-Diligence-Prüfung, und es gab viele gute Fortschritte mit Unterstützung der Landesregierung und der EU-Kommission.“ Das Ergebnis des durchgespielten Business Cases werde die Grundlage für die Entscheidung sein. Die Vorstandssitzung im August wird die früheste Gelegenheit sein, das Thema zu besiegeln.

TSMC und Zhang ließen eine deutliche Tendenz für eine Fab in Europa – konkret Dresden – durchblicken: Zunächst war das Symposium stark auf die (kommenden) Anforderungen der Automobilindustrie ausgerichtet. Außerdem machte Zhang im Gespräch klar: „Unser Ziel ist es, nahe bei unseren Kunden zu sein, und in Europa besteht die Hälfte unseres Geschäfts aus Mikrocontrollern.“ Dies sei auch der Grund, warum man bislang sogenannte Mature-Node-Prozesse für eine europäische Fab präferiere, also bewährte Fertigungsverfahren, die ohne extrem teure EUV-Lithographie auskommen: „Wenn wir in Dresden eine Fabrik bauen, wird es wahrscheinlich zunächst die 20-nm-Generation mit eingebettetem RRAM sein.“

Dazu passt die jüngste Ankündigung von NXP, kommende S32-Automotivecontroller mit Embedded-MRAM im 16-nm-FinFET-Prozess von TSMC fertigen zu lassen – allerdings in Taiwan. Die Produktion ließe sich vermutlich ohne Weiteres auch in Dresden implementieren. Wie RRAM lässt sich auch MRAM in vorhandene CMOS-Prozesse integrieren.

6-nm und 3-nm-Technologieknoten für Automotive in Vorbereitung

Damit nicht genug: Auf dem Symposium hat TSMC noch einen N6-Prozess für Mikrocontroller angekündigt. Für eine Europa-Fab wäre dessen Einführung ein sehr großer und damit kritischer Schritt, bei dem wohl gleich einige Technologiegeneration übersprungen würden. Doch Zhang machte klar, dass es bis dahin noch etwas dauern wird: „N6 ist weiter weg als 2026“. MCUs würden gerade erst auf 16 nm umgestellt. „Und normalerweise dauert es ein paar Jahre, bis sie hochgefahren sind. Bei 28 nm sind es wahrscheinlich fünf Jahre, und dann wird es 6 nm sein.“

Das würde bedeuten, dass die – noch hypothetische Dresdner Fab – voraussichtlich zum Ende des Jahrzehnts hin auf N6 umgestellt werden müsste. In jedem Fall ist der Zeitplan sehr sportlich: Wenn bis Ende des Jahres die Entscheidung pro Europa-Fab fallen sollte, müsste TSMC baldmöglichst die Ausrüstung dafür ordern, parallel die Fabrik hochziehen und schließlich die aufgebauten Linien qualifizieren.

Allerdings stellt sich die Frage, warum TSMC überhaupt in eine Fab der 20-nm-Generation in Europa investieren will, wenn doch ab 2026 in den Stammwerken in Taiwan hochmoderne Automotive-grade Chips im N3A-Prozess gefertigt werden sollen – sprich: mit Technologieknoten von minimal 3 nm. Genau das haben die Taiwaner in Amsterdam nämlich ebenfalls angekündigt: Sie werden die bisher eingesetzten FinFET-Transistoren noch bis 3 nm skalieren und auf ihrer Basis rechenstarke KI-Prozessoren für die Automobilindustrie fertigen.

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Dabei gibt TSMC ordentlich Gas: Das Unternehmen entwickelt derzeit ein Pre-Entwicklungskit (PDK) für seinen N3AE-Prozess. AE steht dabei für „Automotive Early“: Das Kit soll „vorgezogene“ Entwurfsregeln für die Automobilindustrie und das SPICE-Modell enthalten. Entwickler sollen damit ab 2024 Chips designen und zur Evaluierung fertigen lassen können, bevor der N3A-Prozess dann ab 2026 eingeführt wird.

Bau teurer Halbleiter-Fabs: Allein? Oder doch mit Partnern?

Tatsächlich gibt es gute Gründe, die für eine 28-nm-Fab sprechen: Kunden könnten vorhandene (Mikrocontroller-)Chipdesigns ohne aufwendige Neuentwicklung praktisch vor ihrer Haustüre fertigen lassen. Außerdem müsste TSMC nicht gleich in extrem teure und nur schwer erhältliche EUV-Maschinen investieren.

Zudem könnte sich TSMC mit Unternehmen wie Bosch, STMicroelectronics (ST), NXP oder auch Infineon zusammentun, um eine 300-mm-Wafer-Fertigung mit beispielsweise 28-nm-Prozessknoten in Deutschland aufzubauen. Über einen solchen Schritt wurde in den letzten Monaten immer wieder spekuliert, zum Beispiel vom in der Regel gut informierten asiatischen Branchenblatt Digitimes. Offizielle Stellungsnahmen dazu gibt es derweil von keinem der potenziellen Partner. Auf dem Symposium haben sich allerdings ST-CEO Jean-Marc Chery und NXP-CEO Kurt Sievers mit TSMC-CEO C.C. Wei getroffen und in Vorträgen ihr gutes und vertrauensvolles Verhältnis betont.

Bislang verfolgt TSMC die Strategie, alleiniger Eigner seiner Fabriken zu sein. Doch in Zeiten, in denen die nötigen Investitionen für neue Fertigungsstandorte in astronomische Höhen schnellen, setzt offenbar ein Umdenken ein: In Japan entsteht derzeit eine Fab als Joint-Venture mit Sony und Denso. „Auch in Europa sind wir offen für Kooperationen“, betonte Zhang. Zu potenziellen Partnern wollte er sich nicht äußern. Es ist aber offensichtlich, dass die oben genannten – Bosch, NXP, Infineon sowie der langjährige Partner ST – für Mikrocontroller in der Automobilindustrie von zentraler Bedeutung sind und der N6-Prozess für sie sehr interessant wäre.

Deutschland und Europa: Bei der Chipproduktion zurück zu alter Größe?

Im Bereich der Halbleiterproduktion wäre die Ansiedlung von TSMC das dritte neu angekündigte Megaprojekt in Mitteldeutschland – nach der Mega-Fab von Intel in Magdeburg und dem Infineon-Werk für Analog- und Mixed-Signal-Technologien und Leistungshalbleiter in Dresden. Erweitert man den Fokus auf ganz Deutschland, wäre es sogar das vierte: Im saarländischen Ensdorf beginnt Wolfspeed bereits mit dem Bau einer Produktionsanlage für Leistungshalbleiter auf Basis von Siliziumkarbid (SiC). Nicht zu vergessen die 300-mm-Wafer-Chipfabrik, die Bosch Mitte 2021 in Betrieb genommen hat.

Mit seinem Geschäftsmodell hat TSMC – ähnlich wie kleinere Wettbewerber wie GlobalFoundries und UMC – einen Vorteil: Als reiner Auftragshersteller stehe sein Unternehmen nicht in Konkurrenz zu seinen Kunden, sagte Wei auf dem Symposium. Ein Seitenhieb auf die Wettbewerber Samsung und Intel, die er allerdings nicht namentlich nannte. Besonders Intel will sich viel stärker als Auftragsfertiger für fortschrittliche Technologien aufstellen und baut daher seine Intel Foundry Services massiv aus – unter anderem eben in Europa, wo der Konzern in mehreren Ländern in Standorte mit unterschiedlichen technologischen Schwerpunkten investiert, wobei der Nucleus das Mega-Chipzentrum in Magdeburg werden soll.

Die Welt der Halbleiter bleibt global

Wohl allen Marktteilnehmern – Chipentwicklern und -herstellern sowie deren Kunden – ist klar, dass man mit einer geografisch breiter aufgestellten Fertigung Lieferengpässe wie zuletzt während der Corona-Pandemie vermeiden oder zumindest stark abschwächen kann. Ebenso klar ist auch, dass es eine europäische Selbstversorgung mit Halbleiterchips nicht geben wird – egal, wie viele Front- und Backend-Fabs hier entstehen.

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Einsatzgebiete für programmierbare Logikschaltung sind so vielfältig wie die verfügbaren Lösungen, mit denen sie sich entwickeln lassen. Ob FPGA, GPU oder Adaptive-Computing-SoC: Jede Technologie hat ihre Berechtigung – ist aber auch erklärungsbedürftig.

Die FPGA Conference Europe - als europaweit wichtigste Plattform für hersteller- und technologieunabhängigen und applikationsübergreifenden Austausch zwischen Experten und Entwicklern - gibt Embedded-Entwicklern Orientierung und praktische Hilfestellungen.

Auch wenn es wirtschaftlich und politisch wichtig sein mag, modernste Halbleiterproduktionen mit Milliardensubventionen nach Europa zu holen: Die Lieferketten sind mittlerweile so global ausgerichtet, dass es für ein Land oder einen Staatenblock unmöglich ist, in der Chipindustrie völlig autark zu sein.

Eine moderne Fabrik verwendet Anlagen, die von einem Dutzend Unternehmen aus Europa und den USA hergestellt werden. Sie benötigt Spezialchemikalien aus Japan und Wafer-Substrate aus Asien oder Europa. Jeder verarbeitete Wafer muss geschnitten und jeder Chip muss getestet und gehäust werden – wofür wiederum oft in Asien hergestellte Geräte benötigt werden. Nach dem Packaging werden die Chips mit Komponenten aus China, Südkorea und Japan zu elektronischen Systemen und Baugruppen verarbeitet, etwa von Electronic Manufacturing Services in Fernost oder Europa. Betriebssysteme und Software wiederum stammen häufig aus den USA. (me)

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