4D gedruckte Elektronik Selbstfaltende Elektroden sollen künftig Nervenzellen stimulieren
Anbieter zum Thema
Einige Nerven lassen sich künstlich stimulieren, um beispielsweise Schmerzen zu behandeln. Doch je feiner der Nerv ist, desto schwieriger lassen sich Elektroden anbringen. Abhilfe versprechen flexible Elektroden, die per 4D-Druck entstehen.

Das Nervensystem steuert unsere Bewegungen durch elektrische Impulse. Dabei werden die einzelnen Impulse von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergegeben, bis schließlich eine Muskelkontration ausgelöst wird.
Es ist außerdem möglich, Nervenzellen künstlich zu stimulieren. Das kann beispielsweise bei der Schmerzbehandlung der Fall sein. Für die künstliche Stimulation werden Nerven über angelegte oder implantierte Elektroden mit Stromimpulsen angeregt. Eingesetzt wird die sogenannte periphere Nervenstimulation beispielsweise, um chronische Schmerzen oder Schlafapnoe zu behandeln. Auch bei Depressionen und Epilepsie gibt es bereits klinische Anwendungen, bei denen der Vagusnerv stimuliert wird. Dieser ist mit einem Durchmesser von mehreren Millimetern verhältnismäßig dick.
Schwieriger wird die Stimulation bei haarfeinen Nerven mit zehn bis zu mehreren hunderten Mikrometern, da hier auch die Elektroden entsprechend fein und präzise hergestellt werden müssen. Auch das Einsetzen und Anbringen der Elektrode am Nerv ist im Mikrometerbereich komplizierter.
4D-gedruckte Elektroden ermöglichen verschiedene Formen
Formen sich 3D-gedruckte Objekte nachträglich gezielt um, zum Beispiel durch Feuchtigkeit oder Wärme, nennt man das 4D-Druck. Forscher der TUM und des Medical & Health Informatics (MEI) Lab von NTT Research haben jetzt 4D-gedruckte Elektroden entwickelt, die sich beim Einsetzen ins feuchte Körpergewebe von selbst um die hauchdünnen Nerven schließen. Die Elektrode wird zunächst per 3D-Druck gefertigt. Dadurch können Form, Durchmesser und weitere Merkmale flexibel justiert werden.
Die äußere Seite der Elektrode besteht aus einem biokompatiblen Hydrogel, das bei Kontakt mit Feuchtigkeit anschwillt. Das Material auf der Innenseite ist flexibel, schwillt jedoch nicht mit an. Durch diesen Aufbau schließen sich die Elektroden bei Feuchtigkeit von selbst ringförmig um die Nerven. Die strukturierte Titan-Goldbeschichtung auf der Innenseite der Elektroden überträgt die elektrischen Signale zwischen Elektroden und Nervenfasern.
„Durch den engen Kontakt zwischen den gefalteten Manschetten und den Nerven können wir mit den Elektroden sowohl Nerven stimulieren, als auch Nervensignale messen“, sagt Bernhard Wolfrum, Professor für Neuroelektronik am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) der TUM und Leiter der Studie. Dies erweitert die Möglichkeiten für potentielle Einsatzbereiche.
Video: 4D-gedruckte, selbstfaltende Elektroden
Nerven lassen sich selektiv stimulieren
Für die neuen Elektroden sind zukünftig verschiedene biomedizinische Anwendungen denkbar, so zum Beispiel eine Verbesserung von Implantaten für Schlafapnoe. Leiden Patienten an Schlafapnoe, fällt die Zunge nach hinten Richtung Rachen und verschließt kurzzeitig die Atemwege. Stimuliert man die Muskeln, die die Zunge nach vorne ziehen, lässt sich das Problem beheben. „Aktuell ist es jedoch schwierig, selektiv nur die Muskeln zu stimulieren, die die Zunge nach vorne bewegen.
Hier könnten die flexiblen Elektroden ansetzen und zukünftig eine Möglichkeit bieten, Nerven selektiver zu stimulieren“, sagt Professor Clemens Heiser, leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums rechts der Isar der TUM.
Selbstfaltende Elektroden noch im Grundlagenstadium
Die selbstfaltenden Elektroden sind einfach zu handhaben und robust. Das Forschungsteam konnte ihren Einsatz bereits in Heuschrecken demonstrieren, bei denen feine Nerven mit einem Durchmesser von 100 Mikrometern ummantelt wurden, ohne die Nerven zu beschädigen. So konnten die Wissenschaftler Muskeln gezielt stimulieren. Aktuell noch im Grundlagenstadium, könnten die Elektroden zukünftig ein wichtiges Mittel sein, um die periphere Nervenstimulation in die breitere klinische Anwendung zu bringen.
Es gibt allerdings ein Problem: Je feiner der Nerv ist, desto desto schwieriger ist es, die dafür nötigen Elektroden anzubringen.
(ID:49614071)