Interview Jürgen Eichner, VIA optronics „Displays und Kameras spielen eine Schlüsselrolle im Fahrzeug“

Das Gespräch führte Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Härter Lesedauer: 5 min

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Displaytechnologie kommt oft überwiegend aus Asien. Nicht so bei VIA optronics: Das Unternehmen produziert am deutschen Standort Nürnberg. Hier werden Displaylösungen für den Einsatz im Fahrzeug entwickelt und gebaut.

Displays und Kameras sind eine Einheit: Die Entwicklung in der Automobilindustrie geht bei den Anzeigen im Fahrzeug eindeutig in Richtung ganzheitlicher Anzeigengestaltung, Interaktivität, mehr Sicherheitsfunktionen und vermehrtem Einsatz von Kameratechnik.
Displays und Kameras sind eine Einheit: Die Entwicklung in der Automobilindustrie geht bei den Anzeigen im Fahrzeug eindeutig in Richtung ganzheitlicher Anzeigengestaltung, Interaktivität, mehr Sicherheitsfunktionen und vermehrtem Einsatz von Kameratechnik.
(Bild: VIA optronics)

Wer heute in ein modernes Auto steigt, wird sofort mit mindestens einem elektronischen Display konfrontiert. Sie zeigen nicht nur die Navigation an, sondern der Fahrer kann über das Touch-Display auch alle Funktionen steuern. Einer der Entwickler und Hersteller solcher Displays ist die Nürnberger Firma VIA optronics. Jürgen Eichner gründete das Unternehmen 2005 mit dem Ziel, Displays zu bauen, die auch bei direkter Sonneneinstrahlung lesbar sind. Er startete als Nischenanbieter mit nur einem Mitarbeiter – heute ist das Unternehmen ein globaler Anbieter von interaktiven Display- und optischen Systemlösungen mit rund 850 Mitarbeitern.

Im Interview erzählt Jürgen Eichner unter anderem, warum er auf den Standort Deutschland setzt, warum ein Display mit integrierter Kamera im Auto sinnvoll ist und warum Kameras künftig Spiegel im Auto überflüssig werden lassen können.

Herr Eichner, Displays bonden, Gehäuse, Touch: Moderne Displays für Automobil und Fahrzeug. Wer auf den Markt gute und zuverlässige Produkte anbieten will, muss selbst fertigen. Wie kann Ihr Unternehmen hier am Standort Deutschland punkten?

Jürgen Eichner gründete 2005 VIA optronics mit dem Ziel, Displays zu bauen, die auch bei direkter Sonneneinstrahlung lesbar sind.
Jürgen Eichner gründete 2005 VIA optronics mit dem Ziel, Displays zu bauen, die auch bei direkter Sonneneinstrahlung lesbar sind.
(Bild: VIA optronics)

Angesichts der Lieferkettenproblematik und der geopolitischen Unsicherheiten ist das definitiv ein Vorteil. Unsere Produktionsstätten mit flexibler halb- und vollautomatischer Fertigung für Displays von 1 bis 84 Zoll befinden sich in Nürnberg. Das gibt uns ein hohes Maß an Flexibilität. Die Nähe der Produktion zu den Entwicklungs- und Testabteilungen ermöglicht es uns, vollständig aufeinander abgestimmt zu arbeiten, ohne Zeitversatz zuverlässig qualitativ hochwertige Produkte zu liefern und unseren Kunden eine optimale Time-to-Market-Unterstützung zu garantieren.

Sie entwickeln Kameras, die im Display für Autos verbaut werden. Wie kam es dazu und warum ist es für Sie sinnvoll, selbst zu bauen?

Die Entwicklung in der Automobilindustrie geht bei den Anzeigen im Fahrzeug eindeutig in Richtung ganzheitlicher Anzeigengestaltung, Interaktivität, mehr Sicherheitsfunktionen und vermehrtem Einsatz von Kameratechnik. Hier ist insbesondere der Trend zu Systemen für einen Ersatz von Spiegeln zu nennen. Kameras spielen eine Schlüsselrolle in der Fahrzeugbedienung. Für uns war es daher ein logischer Schritt, die Forschung und Entwicklung von Kameras in unser Portfolio zu integrieren. Unser Standort auf den Philippinen ist darauf spezialisiert.

Für die Automobilbranche haben Sie ein integriertes Display mit Kamera entwickelt. Können Sie diese Entwicklung etwas genauer erklären.

Die Anwendung zeigt unser Potenzial im Design von integrierten Displays. Sie ist keine Serienanwendung, könnte aber jederzeit auf Kundenwunsch realisiert werden. Diesen Trend werden wir in Zukunft vor allem bei höherpreisigen Modellen verstärkt sehen. Dank unseres breiten Portfolios können wir unseren Kunden Komplettlösungen aus einer Hand anbieten.

Wo kommen die Kameras im Fahrzeug zum Einsatz und warum sind Kameras sinnvoller als beispielsweise der Einsatz eines Spiegels?

Wie bereits erwähnt, werden sie vor allem beim Austausch von Spiegeln eine Rolle spielen. Die Umfelderkennung gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird ab 2024 teilweise von der EU für Neuzulassungen vorgeschrieben. Im Fahrzeuginneren geht es beispielsweise um die Erkennung von Fahrermüdigkeit oder im Außenbereich um das Scannen der Umgebung im 360°-Rundumblick. Der Fahrer wird weniger abgelenkt, kann seine Umgebung mit einem Blick erfassen und hat freie Sicht nach vorne über die gesamte Windschutzscheibe sowie zur Seite.

Tote Winkel entfallen, der Luftwiderstand des Fahrzeugs und damit der Kraftstoffverbrauch werden weiter reduziert. Im Gegensatz zu Spiegeln beschlagen, verschmutzen und vereisen die Kameras nicht. In Kombination mit Lidar-Sensoren werden Kameras zur Gefahrenerkennung vor und hinter dem Fahrzeug eingesetzt.

Wie ist die Resonanz bei den Automobilherstellern und warum ist es für Sie sinnvoll, am Standort Deutschland zu bauen?

Das Interesse ist sehr groß. Die Automobilhersteller sehen, dass wir technische Antworten auf alle relevanten Strömungen und Anforderungen des Marktes haben. Trotz des zunehmenden Wettbewerbs im E-Mobilitätsmarkt sind die deutschen Automobilhersteller nach wie vor wichtige Akteure im globalen Getriebe und es gibt ein großes, gewachsenes Ökosystem. Kundennähe und der Austausch mit der Industrie sind immer von Vorteil. Erkenntnisse aus dem Dialog können so unmittelbar in unsere Entwicklung und Produktion einfließen.

Als Touchtechnik setzen Sie mit Kupfer auf die Kupfer-Metal-Mesh-Touchsensor-Technologie. Was ist das Besondere daran und wie unterscheidet es sich von anderen Touch-Systemen?

Dank ihres flexiblen Designs eignen sich Kupfer-Metall-Gitter-Touchsensoren im Gegensatz zu anderen Verfahren auch für sehr flexible, biegsame und gekrümmte Anwendungen. Aufgrund des geringeren Oberflächenwiderstands unserer Touchsensoren kann die Touch-IC-Firmware einfacher konfiguriert werden. Das Ergebnis ist eine sehr präzise Leistung, hohe Auflösung und Leitfähigkeit, so dass selbst die Bedienung mit Handschuhen oder einem Stift kein Problem darstellt.

Stichwort Touchfolie – was genau versteht man darunter und welche Vorteile bietet diese in einem Fahrzeug?

Die Sensoren werden im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellt, wobei Kupfer das optimale Material ist. Dabei wird ein feines Metallgitter auf eine transparente Folie aufgebracht, die sich auf nahezu jedes Material und jede Form von Cover-Lens laminieren lässt. Dies ermöglicht nicht nur eine große Designfreiheit, sondern ist auch sehr anwenderfreundlich. Durch die hervorragende Auflösung und die hohe Leitfähigkeit ist die Bedienung sehr feinfühlig. Das erhöht den Fahrkomfort, der Fahrer wird nicht abgelenkt.

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Wie stellen Sie sich konkret die künftige Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern vor?

Wichtig ist vor allem ein offener Umgang und ein frühzeitiger Austausch darüber, wohin die technologische Reise gehen soll, damit wir Wünsche möglichst früh umsetzen, aber auch kritische Punkte gemeinsam lösen können.

Gerade die Automobilbranche ist für Zulieferer eher undankbar. Deshalb spielen für Sie wahrscheinlich Anwendungen in der Industrie und Logistik eine wichtige Rolle. Können Sie dazu etwas mehr sagen?

Da unsere Zielmärkte breit gefächert sind, denn Displays werden überall benötigt, kennen wir die regulierten Märkte mit ihren hohen Anforderungen genau. Deshalb legen wir in allen Feldern großen Wert auf Qualitätssicherung. Interdisziplinäres Wissen kann so in automobile Anwendungen einfließen. Darüber hinaus verfügen wir mit unserem patentierten Technologiemix und unserer speziellen Display-Expertise über Alleinstellungsmerkmale. Durch unser Netzwerk und unsere globale Präsenz sind wir auch für logistische Herausforderungen gut aufgestellt und jederzeit ein verlässlicher Partner.

Welche Trends sehen Sie als Elektronikhersteller für die Zukunft im Automobilbau und welche Rolle wird Europa und speziell Deutschland in diesem Markt spielen?

Angetrieben durch Entwicklungen wie das autonome Fahren und die zunehmende Regulierung sehen wir einen ungebrochenen Trend zu integrierten Displays, ganzheitlichen Lösungen, mehr Interaktion, mehr Sicherheitsfunktionen und mehr Fahrkomfort. Auf Seiten der Hersteller wird die Gestaltung der Bedienoberflächen immer mehr zum Differenzierungsmerkmal. Hinzu kommt der Wunsch, wieder mehr lokale Zulieferer zu haben. Der Trend zur Rückkehr aus China wird Europa und uns sicherlich entgegenkommen und wirkt sich nicht nur im Kfz-Markt aus.

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