EP Basics: Feldkommunikation Ein Plädoyer für Single Pair Ethernet
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Single Pair Ethernet (SPE) ermöglicht eine durchgängige Echtzeit-Datenübertragung bis in die Feldebene. Über die Normierung der Steckverbinder herrscht noch Uneinigkeit. Einheitliche Übertragungsstandards würden der neuen IIoT-Technologie den benötigten Schub geben. Warum das so wichtig ist – ein Plädoyer für SPE.

Über Jahrzehnte setzten Unternehmen für die Kommunikation in Automatisierungsanwendungen Feldbusse ein. Diese wurden insbesondere den Kommunikationsanforderungen moderner Smart Factories nicht mehr gerecht. Die Lösung fand man in den IP-basierten Netzen, welche in Fabriken überwiegend über Ethernet-Kupferleitungen, zum Teil auch über WLAN oder Glasfaser, stattfindet.
Diese Technik hat sich bereits bei den Gebäudenetzwerken bewährt, über die beispielsweise PCs und Server kommunizieren. Das bringt auch Vorteile für die Fabrik:
- Ethernet erlaubt mehr und flexiblere Topologien.
- Dank der wesentlich höheren Datenübertragungsraten können verschiedene Dienste über das gleiche Netzwerk betrieben werden.
- Die damit einhergehende Vereinheitlichung der Technologie reduziert die Anzahl der Netzwerkübergänge und schafft ein durchgängiges Kommunikationssystem, vom Sensor bis zum Warenwirtschaftssystem oder in die Cloud.
Planung, Administration und Wartung lassen sich damit einfacher durchführen. Eine Realisierung von Industrie 4.0 oder Smart Factories ist ohne durchgängige, IP-basierte Netze nicht denkbar. Daten müssen ständig und an jedem Ort verfügbar sein.
Ethernet: Immer mehr Aderpaare
Durch Ethernet entstanden aber auch neue Herausforderungen, unter anderem in der Installationstechnik. Während einer der Vertreter, Profibus, noch mit einem Aderpaar in der Busleitung auskam, benötigte Profinet mit 100 MBit/s Ethernet schon zwei Aderpaare. In manchen Anwendungen wird in den Fabriken bereits Gigabit Ethernet eingesetzt, wofür vier Aderpaare notwendig sind.
Das Problem ist offensichtlich: Gegenüber den Feldbussen stieg der Aufwand für die Feldinstallation sowie das Potential für Installationsfehler. Außerdem sind die Komponentenkosten für 4-paarige Leitungen höher als für 2-paarige.
Feldebene: Speziallösungen für Sensoren und Aktoren
Die besagten Punkte sind auch die Hauptgründe, warum sich Ethernet bisher auf der untersten Feldebene bis hinein in einfache Sensoren und Aktoren nicht durchsetzen konnte. Stattdessen haben sich Speziallösungen mit einfacher und schneller Installation gehalten.
Deren Anbindung an das übergeordnete Ethernet benötigen allerdings zusätzliche Übersetzer bzw. Gateways. Das erfordert nicht nur Spezial-Know-how, sondern erhöht auch den Aufwand für Planung und Installation sowie Komponentenkosten. Es wird also klar, dass eine durchgängige Ethernet-Installation mit gleichzeitig reduziertem Installationsaufwand viele Vorteile bringt.
Nur noch ein Adernpaar: Platz sparen mit SPE
Bei Single Pair Ethernet (SPE) läuft die ethernetbasierte Kommunikation über ein einzelnes Aderpaar. Die neue Technologie wurde ursprünglich für die Anwendung im Automobil entwickelt, um Gewicht und Platzbedarf der zunehmenden Vernetzung zu reduzieren. Der Einsatz von Ethernet soll übrigens auch hier die vielen verschiedenen Kommunikationssysteme vereinheitlichen.
Durch die Reduktion von vier oder acht Adern auf nur zwei Adern ist SPE auch für die Anwendung in der industriellen Automatisierungstechnik interessant:
Steckverbinder werden hier überwiegend im Feld, also vor Ort in der Anlage installiert.
- Dort lassen sich Installationsaufwand sowie Installationsfehler erheblich reduzieren.
- Des Weiteren benötigt die Verkabelung weniger Platz und kann Komponentenkosten reduzieren.
SPE: Normen für die Anwendungen
Ein wichtiger Faktor für die breite Marktdurchdringung neuer Kommunikationssysteme ist die Standardisierung. Single Pair Ethernet ist durch mehrere internationale Normen abgedeckt. So sind drei für die Industrie relevante IEEE Standards für unterschiedliche Anwendungsfälle definiert worden.
- Die Norm IEEE 802.3 bp beschreibt einen Physical Layer welcher 1 GBit/s über eine Distanz von 40 m über geschirmte Leitungen, bzw. 15 m über ungeschirmte Leitungen erlaubt. Mögliche Anwendungen in der Fertigungsautomatisierung wären Verbindung von Gigabit-Kommunikationsteilnehmern innerhalb des Schaltschranks oder auch Sensoren mit hohen Datenraten wie Gigabit Kameras.
- IEEE 802.3 bw erlaubt die gleichen Leitungslängen jedoch für 100 MBit/s. Auch diese Technik dürfte, insbesondere aufgrund der reduzierten Distanz, zur Verbindung von Geräten im Schaltschrank interessant sein. Zum Beispiel die SPS, Antriebe oder Switche, welche heute über eine 100 MBit/s Profinet, Ethernet/IP oder andere Schnittstellen verfügen.
- Der dritte Standard IEEE 802.3 cg ist ein aussichtsreicher Kandidat für den Feldeinsatz, weil er die Kabellängenbeschränkung, welche mit der Einführung von Ethernet in der Produktion einherging, auflöst. Mit bisherigem Ethernet war die erlaubte Channel Länge, also die Gesamtleitungslänge zwischen zwei aktiven Geräten auf 100 m begrenzt. Mit 802.3 cg sind Leitungslängen möglich, wie sie von den herkömmlichen Feldbussen bekannt sind. Das heißt, mit diesem SPE Standard kann bis zu 1000 m Distanz oder mehr überbrückt werden. Immerhin wird damit noch eine Übertragungsrate von 10 MBit/s erreicht, was für viele Automatisierungskomponenten ausreicht. Durch die hohe Distanz ist die Technologie sehr gut für Anwendungen im Feld, in der Anlage, zur Anbindung von dezentralen E/A Systemen oder sogar für direkte Sensor Integration geeignet.
Für die verzweigte Ethernet-Anbindung in der Anlage ist ein weitere einzigartige Möglichkeit von 802.3 cg interessant: Multidrop. Damit lassen sich Stichleitungen, also physische Abzweigungen von einer Stammleitung, bilden. Die normalerweise notwendigen Switches werden dafür nicht benötigt, ein einfacher T-Verbinder reicht. Damit kann im Feld eine sehr engmaschige, einfache und kostengünstige Ethernet-Vernetzung realisiert werden.
PoDL: Power over Dataline
An die Spannungsversorgung der Endgeräte wurde bei SPE ebenfalls gedacht. Mit Power over Dataline (PoDL) ist eine Spannungsversorgung der Ethernet Teilnehmer über die Datenleitung, ähnlich wie heute bei Power over Ethernet (PoE) möglich. Damit lässt sich der Verkabelungsaufwand weiter reduzieren. Für Geräte mit moderatem Leistungsbedarf von bis zu 50 W kann die zusätzliche Leitung für die Stromversorgung entfallen. In Automatisierungsanwendungen kommen hier zum Beispiel Sensoren in Frage.
Single Pair Ethernet: Erste SPE-Produkte verfügbar
Die hier genannten Einsatzfelder sind nur einige Beispiele, wo der Einsatz von SPE Vorteile bringen kann. Die Diskussion der Anwendungsfelder ist noch nicht abgeschlossen. Die notwendigen applikationsbezogenen Planungs- und Installationsrichtlinien sind noch zu erstellen. Die Arbeiten hierzu haben unter anderem in den Nutzerorganisationen wie PI für Profinet oder ODVA für Ethernet/IP begonnen. Kabel- und Verbindungstechnologie Hersteller Lapp beteiligt sich aktiv an dieser Arbeit.
Weitere wichtige Normen für die Anwendung der SPE Verkabelung wie ISO/IEC 11801 oder EN 50173 sind in Arbeit.
Lapp wird für die SPE-Infrastruktur komplette Lösungen bereitstellen. Mit der Produktfamilie Etherline T1 sind SPE Leitungen für den Einsatz in industriellen Maschinen und Anlagen bereits verfügbar.
- Etherline T1 FD P ist eine geschirmte AWG26 Leitung für Gigabit und den Einsatz in Schleppketten.
- Etherline T1 FLEX ist eine AWG 22 Leitung für gelegentliche Bewegung und für 100 Mbit und Gigabit geeignet.
- Etherline T1 P FLEX AWG18 wird für 10 Mbit/s und 1000 m Distanz in kürze zur Verfügung stehen.
Konsortien: SPE Industrial Partner Network
Für eine breite Marktdurchdringung benötigt es normierte und einheitliche Steckverbinder. Die Steckverbinder für SPE sind in der Norm IEC IEC 63171 beschrieben. Die Norm umfasst sechs Steckgesichter. Der Steckverbinder IEC 61171-6 wird vom SPE Industrial Partner Network propagiert. Lapp ist Mitglied in diesem Konsortium geworden, um gemeinsam der SPE-Technologie in der Industrie zum Durchbruch zu verhelfen. Basierend auf diesem Steckgesicht sind je nach Anwendung weitere Ausführungen in Entwicklung. Ein weiteres Konsortium ist die SPE Systems Alliance.
Für den IP20-Bereich, innerhalb das Schaltschranks, kommt ein Steckverbinder, welcher von der Verriegelung mittels Rastnase dem heutigen RJ45 ähnelt, zum Einsatz. Für die Anwendung außerhalb des Schaltschranks, im IP67-Bereich, sind Steckverbinder auf Basis des bewährten M8- und M12-Formats in Vorbereitung.
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Stellungnahme SPE System Alliance
Neuer SPE-Steckverbinder-Normenentwurf IEC 63171-7
Zukünftig sind auch Hybrid-Steckverbinder in Planung (IEC 61171-7), welche Daten und Stromversorgung in einem Steckverbinder vereinen, jedoch über separate Kontakte übertragen. Dadurch lassen sich auch Geräte versorgen, die mehr Strom als mit PoDL möglich, benötigen.
SPE: Neue Technologie der Zukunft
Fazit: Mit Single Pair Ethernet steht eine wichtige, neue Technologie in den Startlöchern, welche durchgängigere und wirtschaftlichere Industrial-Ethernet-Netzwerke ermöglicht. Dadurch können neue smarte Komponenten ins Netzwerk integriert werden, welche bisher nicht vernetzt waren. Damit ist SPE eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Smart Factory und Industrie 4.0.
* Ralf Moebus ist Leiter Produktmanagement Industrielle Kommunikation bei Lapp in Stuttgart.
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