Elektronikfertigung Die Krise ist für die EMS-Branche noch nicht vorbei
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Kann man es eine Krise nennen, wenn in D-A-CH der Umsatz bei den EMS-Unternehmen 2020 um 4,3% sinkt? Man kann, denn dieser Mittelwert ist trügerisch.

In seiner aktuellen Branchenanalyse ‚EMS Europa Jahresstatistik 2020‘ hat Weiss Engineering unter seiner Marke in4ma einen besorgniserregenden Trend bei EMS-Firmen ermittelt: Je kleiner das Unternehmen, umso größer der Umsatzrückgang. In Deutschland hatten EMS-Unternehmen mit weniger als 5 Mio. Euro Umsatz im Mittelwert einen Umsatzrückgang von 22%, während die großen Unternehmen (> 50 Mio. Euro) lediglich im Mittel über ein Minus von 4,3% berichteten.
Erwartungsgemäß hatte der Automobilsektor mit einem Umsatzrückgang bei den meldenden Unternehmen von über 89 Mio. Euro einen starken Einfluss auf die Umsätze der Unternehmen. In Frankreich und Italien, wo die Automobilanteile höher sind als in D-A-CH waren auch deutlich höhere Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Derzeit werden die Auswirkungen auf europäischer Ebene weiter hochgerechnet und dürften für die EMS-Industrie in Summe mehr als 200 Mio. Euro Minus ausmachen.
Starker Einbruch im Segment Industrieelektronik
Überraschenderweise war jedoch der Einbruch im Segment Industrieelektronik sowie „Messen-Steuern-Regeln“ mit minus 272 Mio. Euro noch deutlich höher. Hier rechnet in4ma derzeit mit einem Gesamtrückgang in Europa von über 500 Mio. Euro 2020. Genaue Zahlen zu den Hochrechnungen für Gesamteuropa werden bis Mai zur Verfügung stehen.
Die Zukunft sehen die Meldefirmen größtenteils zuversichtlich und prognostizieren im Mittel in Europa ein Plus von 6,5% für 2021. Diese Zuversicht kann in4ma jedoch nicht teilen. Einerseits war interessant, dass je größer der Umsatzeinbruch im Jahr 2020 war, umso höher waren die Erwartungen der Meldefirmen für 2021 und 2022. Diese Erwartungshaltung ist gefährlich, denn sie wird nach Ansicht von in4ma nicht eintreten.
Mit einem Umsatzanteil von ca. 20% ist die Automobilindustrie ein wichtiges Marktsegment in Europa und würde auch gerne wachsen. Leider scheitert dies derzeit an Allokationsproblemen bei Halbleitern. Insbesondere 16-Bit-Microcontroller für Multiplexer Anwendungen sind stark gefragt und kaum verfügbar. Es ist absehbar, dass dieses Problem mindestens bis Ende des 3. Quartals anhalten dürfte, zumal im Februar einige Wafer-Fabs in Texas wegen Unwettern die Produktion einstellen mussten.
Kleinere Unternehmen klagen über Distributoren
Insbesondere kleinere Unternehmen, die 2020 schon im Schnitt mehr Federn lassen mussten, beklagen sich bereits massiv, dass sie von den Distributoren hängen gelassen werden. Da spielen anscheinend einige Distributoren mit dem Feuer, denn das wird sich irgendwann rächen.
Erfreulich ist derzeit lediglich der Zuwachs von 23% bei den Meldefirmen für die in4ma-Jahresstatistik. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Statistik und die mittlerweile 71 Seiten umfassende Auswertung für teilnehmende Meldefirmen kostenlos ist und keine Mitgliedsbeiträge erfordert. In4ma finanziert die Jahresstatistik komplett aus Spenden und Crowdfunding durch die EMS-Industrie.
Die höhere Akzeptanz bei den Unternehmen ist auch auf die massive Unterstützung durch diverse Branchenverbände zurück zu führen. So unterstützt der Niederländische Verband Federatie van Technologiebranches aus Leusden, der Schweizer Verband IG Exact aus Männedorf und der Estnische Verband Estonian Electronics Industries Association aus Tallinn die Arbeit von in4ma und motiviert seine Mitglieder zur Teilnahme an der Statistik.
Unterstützung für die EMS-Branche
Die Unterstützung durch einen deutschen Verband steht weiterhin aus, obwohl paradoxerweise die Mehrheit seiner EMS-Mitglieder eines deutschen Verbandes an der in4ma-Statistik teilnehmen und die Auswertung zu schätzen wissen. Zudem unterstützen im deutschsprachigen Raum viele dieser Firmen die Arbeit von in4ma im Crowdfunding auch finanziell. Nun ist der globale Verband IPC stattdessen eingesprungen, weil der IPC die Wichtigkeit dieser Statistik verstanden hat, ist Premiumsponsor von in4ma geworden und wirbt zudem für die Arbeit von in4ma auf globaler Ebene.
Der IPC unterstützt nicht nur die Arbeit von in4ma, sondern er unterstützt die gesamte EMS-Branche in Europa, führt Management-Gesprächskreise durch, veröffentlicht Marktzahlen, pflegt und veröffentlicht die weltweit anerkannten Spezifikationen für die Elektronikindustrie, organisiert Schulungen und Zertifizierungen zu den Spezifikationen und versteht sich als Interessenvertreter der Elektronikindustrie gegenüber den öffentlichen Organen weltweit.
Die Jahresstatistik wird nicht nur von den Meldefirmen als wichtiges Benchmark genutzt, sondern kann auch von nicht meldenden EMS-Unternehmen sowie von der EMS-Zulieferindustrie bei in4ma käuflich erworben werden, um die aktuellen Trends und Erwartungen der EMS-Industrie kennenzulernen. Den Verfasser der EMS-Studie und Autor dieses Beitrages, Dieter G. Weiss, können Sie persönlich auf dem 19. EMS-Tag am 17. Juni in Würzburg treffen.
* Dieter G. Weiss von in4ma ist EMS-Marktforscher und analysiert seit vielen Jahren die Europäische EMS-Industrie.
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