„Chaos” beim Aufbau der chinesischen Halbleiter-Fertigung
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Genügen Milliarden von der Regierung, um eine High-Tech-Industrie aus dem Boden zu stampfen? Offenbar nicht. Chinas Aufholjagd bei Halbleitern wird hier gerade zum Schulbeispiel.

Einzelne Projekte, in die hunderte Milliarden Yuan gepumpt worden sind, werden gerade als weiße Elefanten enttarnt und als Totalverlust abgeschrieben. Von „Chaos” in Chip-Segment der chinesischen Fertigungsindustrie – schlimmer noch, von einer gefährlichen „Blase” – berichtet das angesehene Wirtschaftsmagazin Caixin.
Versandet ein Milliardenprogramm?
Seit die US-Regierung im Mai 2019 begonnen hat, chinesischen Technikkonzernen wie Huawei den Zugang zu fortschrittlichen Halbleitern zu verwehren, werden in China Milliarden in den Aufbau einer eigenen, heimischen Chip-Industrie investiert. Die Parteimedien wüten über die versuchte „Strangulierung” seitens Trumps, und Lokalregierungen haben begonnen, irrwitzige Summen an Fördergeldern für heimische Projekte auszuschütten, die es bisweilen nur auf Power-Point-Präsentationen gibt.
Ein solcher weißer Elefant, mit Milliarden gefördert und dann sanft entschlummert, ist chinesischen Medienberichten zufolge ein Projekt der Chip-Produktion in Wuhan. Die Firma HSMC oder „Hongxin Semiconductor Manufacturing Co.” hat Investitionen in Höhe von 128 Mrd. Yuan (rund 16,4 Mrd. Euro) zugesagt bekommen, um eine fortgeschrittene Wafer-Fertigung für 7 und 14 nm aufzubauen. Viele Milliarden Yuan sind bereits geflossen, doch nun sei das Projekt „gefloppt”, schreibt die parteinahe Zeitung Global Times in Peking.
Projekte stagnieren oder sterben unvollendet
Die exakten Gründe werden wohl bald der Gegenstand von gerichtlichen Ermittlungen sein, doch Caixin attestiert vielen Unternehmen in China, die nun plötzlich moderne Halbleiter produzieren wollen, zu den „Drei-Nein-Firmen” zu gehören: Erfahrung: Nein. Technologie: Nein. Mitarbeiter mit dem nötigen Know-How: Nein.
Wuhan ist leider nur ein Beispiel. Es gibt wohl recht viele davon, weshalb es jetzt sogar in Chinas heftig zensierter und weitgehend gleichgeschalteter Presse zu brodeln beginnt. „An vielen Orten haben Projekte begonnen zu stagnieren oder unvollendet zu sterben. Einige davon haben hunderte von Milliarden von Yuan gekostet”, schreibt Caixin. Von einer ganzen „Welle unvollendeter Projekte in Chinas Chip-Industrie” schreibt auch das chinesische Nachrichtenmagazin Zhongguo Xinwen Zhoukan.
China ist das Land, in dem die meisten Computer, Handys und Autos der Erde produziert werden, und somit auch der größte Anwendungsmarkt für Halbleiter. Die modernsten, sprich kleinsten Halbleiter müssen dabei jedoch allesamt importiert werden. TSMC in Taiwan produziert 5-Nanometer-Chips, die es nun nicht mehr an Huawei liefern kann, und bereitet sich gerade auf die Massenproduktion von 3-Nanometer-Chips vor. Chinesische Firmen beherrschen bis jetzt lediglich die Herstellung von 14-Nanometer-Chips, hinken technisch also mindestens drei bis fünf Jahre hinter ausländischen Firmen her.
Der Handelskrieg hat den Geldhahn der Regierung weiter aufgedreht
Während die Technologiekluft bei der Fertigung besonders weit ist, gibt es in China auch Rückstände bei den anderen zwei Phasen der Produktion eines Halbleiters – beim Design und Packaging. Schon im Jahr 2014 hat Chinas kommunistische Führung diesen gefährlichen Engpass in ihrer industriellen Entwicklung erkannt und über einen „Big Fund” 130 Mrd. Yuan (etwa 16,6 Mrd- Euro in heimische Foundries und Chip-Designfirmen investiert. Die Summe ist später noch einmal verdoppelt worden.
Doch seit dem Ausbruch des Technologiekrieges mit Washington ist das Thema zu einer nationalen Obsession geworden. Die Geldhähne sind nun ganz weit aufgedreht worden, oft gerade von Parteikadern in abgelegenen Provinznestern, die so gut wie nichts von Halbleiter-Fertigung verstehen, dafür aber politisch besonders ehrgeizig sind.
„Die weniger entwickelten Teile Chinas mit schwacher Kapazität zur Unterstützung des Chip-Sektors sind ironischerweise besonders enthusiastisch für einen ‚Großen Sprung’”, schreibt Caixin. Das Blatt zieht damit eine Analogie zu der verheerenden Kampagne des „Großen Sprungs nach Vorn” unter Mao Tsetung, der einst sämtliche Kochtöpfe und Woks einschmelzen ließ, um den imperialistischen Klassenfeind bei der Stahlproduktion einzuholen. Das Ergebnis war eine Hungerepidemie.
Kurzfristige Blasen stehen langfristigen Zielen gegenüber
Chinas nationalistischer Eifer in Sachen Halbleiter hat bereits zu erheblichen Marktverzerrungen geführt. Bis Oktober 2020 gab es in China mehr als 50.000 Unternehmen mit Bezug zur Halbleiterproduktion, 12.740 davon Neugründungen aus dem laufenden Jahr. Oft sind örtliche Regierungen die einzigen Investoren, die wirklich Kapital einbringen – um dann von unerfahrenen oder sogar betrügerischen Firmengründern geprellt zu werden.
Langfristig wird es der US-Regierung der Einschätzung von Experten zufolge kaum gelingen, die Entwicklung der chinesischen High-Tech-Industrie aufzuhalten. Kurzfristig aber sorgen nationalistischer Übereifer und die Missachtung von Marktgesetzen für eine gigantische Ressourcenverschwendung. Diese „Blase” müsse zum Platzen gebracht werden, fordern die Reporter von Caixin.
Eine Stimme der Vernunft in all dem „Chaos” (Caxin) ist die des chinesischen Halbleiterverbandes. China könne nicht im Alleingang eine fortgeschrittene Halbleiterproduktion aufbauen, sagt Wei Shaojun, der Leiter der Abteilung IC Design der China Semiconductor Industry Association. Internationale Kooperation sei immer noch der beste Weg.
„Wir müssen Extremismus und Schubladendenken verhindern”, sagt Wei. „Die wichtigsten Themen sollten Offenheit und Kooperation sein.” Was er meint, ist internationale Kooperation. Also genau das Gegenteil dessen, was Trump und andere Techkrieger wollen.
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