Wärmesimulation für Rechenzentren Cadence kauft CFD-Spezialisten FutureFacilities

Von Kristin Rinortner

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Die amerikanische Softwareschmiede Cadence Design Systems plant FutureFacilities zu übernehmen. Der Deal soll zum 1. August 2022 abgeschlossen sein, verlautete aus Unternehmenskreisen. Details zur Übernahme wurden nicht bekannt gegeben.

Cadence kauft Future Facilities: Mit der Übernahme zum 1. August 2022 positioniert sich das amerikanische Unternehmen stärker im Bereich Rechenzentren.
Cadence kauft Future Facilities: Mit der Übernahme zum 1. August 2022 positioniert sich das amerikanische Unternehmen stärker im Bereich Rechenzentren.
(Bild: Cadence)

FutureFacilties, die 2004 als Neugründung aus einem Teilbereich der damals für branchenspezifisches CFD-Simulation bekannten Firma Flomerics hervorging, ist Anbieter spezieller Simulationssoftware zur Vorhersage von Fluidbewegungen und Temperaturen in Elektroniksystemen (Computational Fluid Dynamics, CFD).

Nach Entwicklung eines eigenen CFD-Solvers für die Klimasimulation in Rechenzentren (6SigmaDCX) und speziell deren IT-Räume, erweiterte FutureFacilities die Softwaresuite durch ein Spezialtool namens 6SigmaET für die Simulation der Temperaturcharakteristik von Elektronikkomponenten – Platinen bis hin zu voll detaillierten Elektronikgeräten – in deren virtuellem Einbauort.

6SigmaDCX ergänzt Celsius

Die Plattform „6SigmaDCX“ soll nun das Cadence eigene Simulationstool „Celsius“ ergänzen. Die Integration dürfte auf der genauen Kenntnis der Möglichkeiten der Software Suite fußen, da Cadence für eine spezielle Funktion in „Celsius“ bereits früher mit Future Facilities zusammengearbeitet hat.

„Der Einsatz von CFD bringt enorme Vorteile bei der Analyse der thermischen Effizienz im Rechenzentrum“ kommentiert Hassan Moezzi, Gründer und CEO von Future Facilities. Denn die Kühlung sei eine kritische Komponente beim Aufbau und Betrieb von Rechenzentren.

Die Kombination der eigenen Simulationssoftware für Rechenzentren und Elektronik mit der Expertise von Cadence im Bereich „Intelligent System Design“ ermögliche letztendlich eine bessere Leistungsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz angefangen vom Chip-Design bis hin zur Gesamtheit der Elemente eines Rechenzentrums, so Moezzi weiter.

Ziel der Übernahme: Multiphysik-Simulationsplattform

Cadence dürfte mit der Übernahme das Ziel verfolgen, eine übergreifende Multiphysik-Simulationsplattform aufzubauen, die von der Chip- über die Leiterplatten- bis zur Gehäuse- und Systemsimulation alles abdeckt. Hier werden sich die Amerikaner im Wettbewerbsumfeld des wachsenden Multiphysik-Simulationsmarktes künftig stärker positionieren können.

„Der Kauf von Future Facililties ist ein weiterer wichtiger Schritt für Cadence in Richtung der Multiphysik-Simulation von Systemen“, kommentiert auch Dirk Müller vom EDA-Spezialisten FlowCAD.

In der Software-Suite 6SigmaDCX sind mit 6SigmaROOM eine Lösung für das thermisch komplexe Wärmemanagement von Rechenzentren und mit 6SigmaET ein CFD-Simulationstool für die Simulation des Wärmemanagements auf allen Elektronik-Ebenen (Chip bis Gerätelevel) enthalten.

Viel Potenzial bei Signalintegrität und PCB-Schnittstellen

Deutscher Exklusiv-Distributor und weltweit größter Händler von 6SigmaET ist Alpha-Numerics aus Nastätten. Chef Tobias Best sieht in der Übernahme viel Potenzial vor allem hinsichtlich des Datenaustauschs zur Cadence-Softwarefamilie, im speziellen zur Signalintegritäts-Simulation oder den PCB-Design-Schnittstellen.

„Für die deutschen Kunden wird sich aktuell die tägliche Zusammenarbeit nicht ändern, aber es werden sich durch die neuen Potenziale für 6SigmaET neue Softwarelösungen und Funktionen ergeben.“

RZ-Systemsimulation mit digitalem 3D-Zwilling

Für Cadence vor allem interessant sind die Möglichkeiten der Systemsimulation von Rechenzentren mit 6SigmaDCX. Der „6Sigma Digital Twin“ erstellt dabei eine virtuelle 3D-Kopie des Rechenzentrums und simuliert dessen reales Verhalten in jedem Betriebsszenario.

Die Plattform umfasst das gesamte Ökosystem des Rechenzentrums, einschließlich virtueller Abbildungen der Bausteine des Rechenzentrums wie Stromversorgungs-, Kühlungs- und IT-Systemkomponenten aller großen Hersteller.

Dabei handelt es sich um einen neuen Simulationsansatz für das Rechenzentrums-Management. Der Schwerpunkt liegt auf Kostenkontrolle, Risikominderung und Teamabstimmung. Diese Methode vereinfacht nicht nur die Verwaltung des Rechenzentrums, sondern ändert auch den Fokus von der Leistung einzelner Bereiche auf die Gesamtleistung des Rechenzentrums.

Die Plattform wird bereits von führenden Hyperscale- und Unternehmens-Rechenzentren sowie von Anbietern von Managed Services und Colocations genutzt, darunter Firmen wie Hewlett Packard, Digital Reality, Equinix und Kao Data. Das Potenzial ist enorm.

Rechenzentren als Motor der digitalen Welt

„Die weltweiten Rechenzentren sind der Motor der digitalen Welt und hier werden mehr als 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr Investitionen investiert“, erklärt Tom Beckley, Senior Vice President und General Manager der Gruppe „Custom IC & PCB“ bei Cadence.

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„Die Übernahme von FutureFacilities erweitert unsere CFD-Software Fidelity mit einer Lösung für digitale Zwillinge sowie einem Kühlungs- und Energiemanagement für Elektronik, mit dem Rechenzentrumsbetreiber die Kapazität maximieren, die Energieeffizienz verbessern, die Kosten reduzieren und Risiken in der kritischen Infrastruktur minimieren können“, führt Beckley weiter aus.

Hintergrund: Planung und Betrieb von Rechenzentren

Planung und Betrieb von Rechenzentren umfassen eine komplexe Kette – Konstruktion, Services, IT und Elektronik – einschließlich der Entwicklung von effizienten Halbleitern und Leiterplatten für die Kühlaggregate.

In der Vergangenheit war die Verwaltung von Rechenzentren in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt, sogenannten Sektoren, die sich jeweils auf einen Aspekt der Verwaltung eines Rechenzentrums konzentrierten. Heute zeigt sich die Hauptschwäche dieses Ansatzes, nämlich dass Änderungen in einzelnen Sektoren Auswirkungen auf die Gesamtleistung des Rechenzentrums haben, die nicht vorhersehbar sind. Die Folge waren redundante Systeme.

Dieses Problem verschärft sich mit zunehmender Zahl und Komplexität digitaler Dienste. Die Rechenzentrumsbranche hat inzwischen einen Punkt erreicht, an dem die ineffiziente Nutzung von Kapazitäten zu einem erheblichen Kostenfaktor geworden ist.

Simulation des Betriebs von Rechenzentren

Durch eine Simulation, die CFD-Verfahren und unterschiedlichen DCIM-Tools (Datencenter Infrastructure Management) sowie Modelle von Leistungs- und Kühlmodulen kombiniert, lässt sich die Kapazität, die Infrastruktur und die Kühlung der Datenzentren vorhersagen.

Das Ergebnis sind längere Betriebszeit und bessere Auslastung durch die Voraussage von Hotspots. Die Lösung verbessert zudem die Energieeffizienz des Rechenzentrums, da ein redundanter Stromverbrauch vermieden wird.

An dieser Stelle kommt der 6Sigma Digital Twin ins Spiel. Das Tool vereinigt alle Komponenten, mit denen die Leistung und die Auswirkungen des Betriebs eines Rechenzentrums vorhergesagt und gesteuert werden können.

Eine umfangreiche digitale Datenbank, kombiniert mit Multiphysik-Simulation und Integrationen des Infrastruktur-Managements (von DCIM bis Microsoft365), bietet eine zentralisierte, kollaborative Plattform zur Leistungsoptimierung des Rechenzentrums. Die Software erstellt dazu einen digitalen Zwilling des Rechenzentrums oder einen virtuellen Prototyp, der die gesamte IT- und Gebäudeinfrastruktur umfasst.

Historie der CFD-Software 6Sigma

Im Jahr 2004 entwickelte FutureFacilities die Pilot-CFD-Software 6SigmaROOM, der die aufstrebende Rechenzentrumsbranche adressierte. Das Tool eignet sich dazu, um Einrichtungen zu entwerfen oder um Probleme an bestehenden Standorten zu beheben, aber auch um Kapazitätsplanungsprozesse zu beschleunigen und die Gesamteffizienz und Ausfallsicherheit zu verbessern.

Im Jahr 2009 wurde die Modellierungstechnik mit 6SigmaET auf den Bereich der etwa um den Faktor 1000 kleineren Elektronikkomponenten erweitert. Diese Software wurde speziell für die Elektronikindustrie entwickelt und bietet einen hohen Automatisierungsgrad sowie eine hohe Genauigkeit für die Wärmesimulation.

Im Jahr 2016 ging man mit 6SigmaAccess die Herausforderungen der Anlagenverwaltung und Betriebsstrategie an. Mit dem Web-Tool lassen sich Planungs- und Bereitstellungsprozesse in der IT von Wochen auf Tage beschleunigen, so der Hersteller.

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