Quantencomputer in der Automobilbranche Vernetzte Fahrzeuge brauchen eine sichere Datenverschlüsselung
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Bessere Routenplanung und neue Materialien, aber auch Schutz vor Cyber-Angriffen: Die Automobilhersteller kommen um das Thema Quantencomputer nicht herum. Vor allem vernetzte Fahrzeuge sind auf Sicherheit angewiesen.

Quantencomputer könnten in Zukunft das Design und die Nutzung von Autos verändern. Im Gegensatz zu klassischen digitalen Rechenoperationen mit ihren binären Zuständen von Nullen und Einsen arbeiten Quantencomputer mit Quantenbits oder Qubits. Diese können gleichzeitig in mehreren Zuständen existieren. Dadurch können sie große Informationsmengen mit bisher unerreichter Geschwindigkeit verarbeiten und komplexe Probleme lösen, für die herkömmliche Computer unendlich viel Zeit benötigen würden.
Doch welche Auswirkungen hätte ein Quantencomputer auf die Automobilindustrie? Ziv Chang, Vice President des Automotive CyberThreat Research Lab des Automotive Cybersecurity-Experten VicOne, geht auch auf die potenziellen Cybersicherheitsrisiken der neuen Technologie ein und wie Automobilhersteller ihre Risiken minimieren können. In den letzten Jahren hat die Automobilindustrie begonnen, das Potenzial des Quantencomputings zu erkennen und zu verstehen, wie es die Entwicklung, Herstellung und den Betrieb von Fahrzeugen grundlegend verändern kann. Angesichts der zunehmenden Komplexität moderner Fahrzeuge mit ihren zahlreichen Sensoren, Prozessoren und Kommunikationssystemen sind die Automobilhersteller (OEMs) auf effizientere und leistungsfähigere digitale Computer angewiesen.
Verbesserte Routenplanung und neue Materialien
Die Quantensimulation ermöglicht die Optimierung komplexer Probleme, und die Automobilhersteller entwickeln neue Anwendungen des Quantencomputings mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Toyota, die Volkswagen-Gruppe, Ford Motors, die BMW-Gruppe und Mercedes-Benz sind bereits Partnerschaften mit Quantencomputing-Unternehmen oder Start-ups eingegangen.
Ein deutscher Automobilhersteller untersucht bereits die Möglichkeiten des Quantencomputings. Dazu gehören optimierte Verkehrsflüsse und verbesserte Materialien für Elektrofahrzeuge. Bereits 2019 kündigte das Unternehmen eine Kooperation mit einem kanadischen Quantencomputing-Unternehmen an, das sich auf die Technologie des Quantum Annealing konzentriert. Damit sollen die Routenführung von Fahrzeugen optimiert und neue Materialien für Elektroautos entwickelt werden. Darüber hinaus wird untersucht, wie Quantencomputer das autonome Fahren und insbesondere Fahrerassistenzsysteme verbessern können.
Datenverschlüsselung in der Automobilbranche
Der zunehmende Einsatz vernetzter Technologien in Fahrzeugen wie Infotainment, Navigation und Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Systemen verdeutlicht den wachsenden Bedarf an zuverlässiger und leistungsfähiger Cyber-Sicherheit. Ziel ist die sichere Übertragung sensibler Daten innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs. Aus diesem Grund setzt die Automobilindustrie in hohem Maße auf kryptographische Methoden, um die Anforderungen an Authentifizierung, Autorisierung, Integrität und Vertraulichkeit der Kommunikation zu erfüllen und Cyber-Angriffe und Datenpannen zu verhindern.
Kryptografische Methoden sichern Daten, die zwischen Fahrzeugen, Infrastrukturen und der Cloud übertragen werden. Zu diesen Daten gehören personenbezogene und sensible Informationen wie Standortdaten, Fahrgewohnheiten und persönliche Vorlieben oder Verhaltensmuster. Kryptographische Algorithmen oder Protokolle können den unbefugten Zugriff auf kritische Systeme wie elektronische Steuergeräte (ECUs) oder das zentrale Gateway verhindern.
Vernetzte Fahrzeuge vor Cyberangriffen schützen
Ohne Verschlüsselungsverfahren wären vernetzte Fahrzeuge anfälliger für Cyberangriffe. Dazu gehören Ransomware-Angriffe, Datendiebstahl und die ungewollte Übernahme oder Fernsteuerung des Fahrzeugs durch Dritte. Solche Angriffe gefährden nicht nur die Privatsphäre und Sicherheit der Fahrzeuginsassen, sondern auch die öffentliche Sicherheit.
Beispiele für kryptographische Verfahren in der Industrie sind Verschlüsselung, Entschlüsselung und Hashing. Bei der Verschlüsselung wird der Klartext oder die Daten in einen Geheimcode bzw. Chiffretext umgewandelt, so dass er für Unbefugte nicht mehr lesbar ist. Beim Entschlüsseln wird der verschlüsselte Text wieder in Klartext umgewandelt. Beim Hashing wird eine Zeichenfolge in einen anderen Wert umgewandelt, der in der Regel durch einen kürzeren Wert oder einen Schlüssel fester Länge repräsentiert wird, so dass die ursprüngliche Zeichenfolge leichter gefunden werden kann.
Da die Automobilindustrie stark auf Verschlüsselungsalgorithmen angewiesen ist, bietet das Quantencomputing Kriminellen eine Möglichkeit, Verschlüsselungscodes zu knacken.
Quantencomputer knacken Verschlüsselungsverfahren
Experten rechnen noch mit mindestens zehn Jahren, bis sich Quantencomputer vollständig entwickelt haben. Auf dem Gebiet der Kryptoanalyse haben Quantencomputer allerdings bereits wichtige Fortschritte erzielt. Solche Systeme sind in der Lage, bestimmte mathematische Operationen durchzuführen, die für klassische Computer unlösbar sind. 1994 entdeckte der amerikanische Mathematiker Peter Shor, dass Quantencomputer die Entschlüsselung von RSA-Verschlüsselungsverfahren beschleunigen können.
1994 entdeckte der amerikanische Mathematiker Peter Shor, dass Quantencomputer die Entschlüsselung von RSA-Verschlüsselungsverfahren beschleunigen können. Selbst das scheinbar unknackbare RSA mit 2.048 Bit oder ECC kann potenziell mit Quantencomputern geknackt werden. Darüber hinaus können Quantencomputer den Grover-Algorithmus verwenden, um die Suche in unsortierten Datenbanken zu beschleunigen, wodurch symmetrische Verschlüsselungsalgorithmen wie AES und Hash-Algorithmen wie SHA potenziell geknackt werden können.
Beide sind weit verbreitete Standards, um Daten zu sichern und ihre Integrität bei der Übertragung zu gewährleisten. Ein kürzlich erschienenes Paper des chinesischen Physikers Shijie Wei zeigt, dass ein RSA-Schlüssel mit 2.048 Bit von einem Quantenschaltkreis mit 372 physikalischen Qubits und einer Tiefe von Tausenden geknackt werden kann.
Neue Algorithmen für Post-Quantum-Kryptostandard
Der bevorstehende Durchbruch von Quantencomputern birgt erhebliche Risiken für die Automobilindustrie und erfordert die Implementierung von Post-Quantum-Kryptographie (PQK). Unter anderem das National Institute of Standards and Technology (NIST) in den USA ist sich dieser Risiken bewusst und ergreift Maßnahmen, um ihnen zu begegnen.
Seit 2015 sucht das NIST nach neuen Verschlüsselungsalgorithmen, um jene zu ersetzen, die potenziell von Quantencomputern geknackt werden können. Im Juli 2022 stellte das NIST die ersten vier quantensicheren kryptografischen Algorithmen für allgemeine Verschlüsselung und digitale Signaturen vor. Diese Algorithmen werden in den Post-Quantum-Kryptostandard des NIST einfließen, der in etwa zwei Jahren fertiggestellt sein soll.
Die Automobilindustrie kann es sich nicht leisten zu warten, da bereits verkaufte Fahrzeuge eine Lebensdauer von zehn bis 15 Jahren haben. Eine groß angelegte Rückrufaktion und der Austausch aller Fahrzeugalgorithmen zwei Jahre nach der Zulassung ist nicht akzeptabel.
Softwareupdates und Verschlüsselungsalgorithmen übertragen
Eine praktikable Möglichkeit, die potenziellen Risiken im Zusammenhang mit veralteten Verschlüsselungsalgorithmen in vernetzten Fahrzeugen zu mindern, ist der Einsatz von Over-the-Air- (OTA-)Techniken. Neue Software, Firmware oder anderer Daten für mobile und IoT-Geräte werden drahtlos bereitgestellt. Damit werden zukünftige Aktualisierungen ermöglicht oder der Austausch neuer Verschlüsselungsalgorithmen vorbereitet.
Die Fahrzeuge bekommen aktuelle Software und sind mit den sichersten Verschlüsselungsmethoden ausgestattet. Gleichzeitig verringert sich das Risiko von Cyberangriffen und die allgemeine Fahrzeugsicherheit wird erhöht. In der Vergangenheit erfolgten Software-Updates persönlich von einem Techniker im Autohaus. Das war kostspielig und zeitaufwändig. Dank Secure OTA können Aktualisierungen nun drahtlos an die Fahrzeuge gesendet werden.
- Automobilhersteller können Schwachstellen in ihrer Software schnell und einfach beheben. Das ist besonders wichtig bei Sicherheitslücken in der Software, die von Hackern ausgenutzt werden könnten, um Zugriff auf sensible Fahrzeugsysteme zu erlangen oder die Fahrzeuge zu beschädigen.
- Secure OTA hilft Automobilherstellern, die Funktionalität ihrer Fahrzeuge im Laufe der Zeit zu verbessern. Durch die drahtlose Übertragung von Software-Updates können OEMs ihre Fahrzeuge auch lange nach dem Verkauf mit neuen Funktionen und Fähigkeiten ausstatten. Dies kann die Kundenzufriedenheit und -bindung erhöhen und den Automobilherstellern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
- OEMs können veraltete Verschlüsselungsalgorithmen oder neue Post-Quantum-Algorithmen aktualisieren, kompromittierte private Schlüssel ersetzen oder mehrschichtige Verschlüsselungsmechanismen stärken.
- Weniger Fahrzeuge müssen für Software-Updates zurückgerufen werden.
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* Ziv Chang ist Vice President of Automotive CyberThreat Research Lab beim Automotive Cybersecurity Experten VicOne.
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