Die nächste Stufe der Kommunikation 6G: Einsatzszenarien und technische Hürden

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Der Mobilfunkstandard 5G ist längst ausgerollt, es werden bereits die Grundlagen für die nächste Generation gelegt. Im ersten Teil des ELEKTRONIKPRAXIS-Interviews mit Roger Nichols von Keysight geht es unter anderem um einen Einsatz und die technischen Hürden von 6G.

Weltweite Kommunikation: 5G ist bereits verfügbar, werden bereits die Grundlagen für die nächste Gerneration gelegt.
Weltweite Kommunikation: 5G ist bereits verfügbar, werden bereits die Grundlagen für die nächste Gerneration gelegt.
(Bild: Sumanley xulx / Pixabay)

Viel Bandbreite und wenig Latenz: das ist 5G. Doch mit 6G steht schon die nächste Stufe der Kommunikation in den Startlöchern. 6G erhöht die Downloadgeschwindigkeit auf nahezu einen Terabit pro Sekunde, senkt die Latenzzeit auf eine Mikrosekunde und bietet unbegrenzte Bandbreite. Für Anwender entstehen einzigartige Möglichkeiten. Eine verzögerungsfreie Kommunikation, vernetzte Robotik und autonome Systeme sowie die drahtlose Interaktion mit künstlicher Intelligenz. Dazu notwendig sind einheitliche Standards für 6G. Für deren Definition arbeitet Keysight mit verschiedenen Innovatoren zusammen.

Im ersten Teil des Interviews erklärt Roger Nichols, Programm-Manager für 6G bei Keysight, wie sein Unternehmen auf der Führungsrolle und Expertise bei 5G aufbaut und Kunden für die Vision 6G Wirklichkeit werden lässt.

Während bei 4G Latenzzeiten von 50 ms auftraten, sind es bei 5G nur fünf Millisekunden, bei 6G sollen die Latenzzeiten sogar auf eine Millisekunde sinken. Umfangreiche Datenmengen lassen sich nahezu verzögerungsfrei übertragen. Für welche Anwendungen lässt sich 6G nutzen?

Die gemeinsame Vision von 6G entstand aus der frühen Arbeit der International Telecommunication Union (ITU), Whitepapers von DOCOMO, Samsung und Ericsson sowie einer Webinar-Reihe, die vom 6G Flagship Program der Universität Oulu geleitet wurde. Mit 4G ist das mobile Internet entstanden und das Smartphone wurde sinnvoll nutzbar. Mit 5G sind Anwendungsfälle möglich, die über das Smartphone hinausgehen und die Industrie, das Gesundheits-, das Transport- und das Finanzwesen betreffen.

6G wird hingegen die mobile drahtlose Kommunikation weiter festigen. Es werden nicht nur neue und spezielle Anwendungsfälle entstehen, sondern 6G wird integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Mit Blick auf die Latenzzeit verbessert 6G die zeitkritischen Netzwerke. Die maximale Latenz für kritische Anwendungen liegt bei nur 100 Mikrosekunden. Damit lassen sich nicht nur Informationen schnell übermitteln, sondern auch ortsbezogene Dienste mit höherer Genauigkeit nutzen.

Außerdem gibt es das Konzept der Mindestlatenzzeit. Hier geht es um die präzise Zeitplanung bei der Informationsübertragung, auch bei langen Latenzen. Daten können beispielsweise zu früh ankommen und sind somit nutzlos. Mit dem Konzept des Time Engineering lässt sich das verhindern. Es wird genau geplant, wann die Information tatsächlich empfangen wird.

Einige Prognosen gehen davon aus, dass 6G geschäftlichen, militärischen und industriellen Einsätzen vorbehalten sein wird. Nur wenige Anwendungen sind direkt für Endanwender adressiert. Dazu gehören beispielsweise immersive Unterhaltungsangebote. Daher wird es nicht praktikabel sein, jedes Gerät mit 6G streamen zu lassen – stimmen Sie zu? Warum oder warum nicht?

6G wird weder der Wirtschaft noch dem Militär vorbehalten sein. Der Standard wird nicht auf nur auf wenige kommerzielle Anwendungsfälle beschränkt sein. Damit wären Investitionen in 6G unerschwinglich, da sich eine wirtschaftliche Nutzung nicht lohnen würde.

Sollen Unternehmen von 6G profitieren, ist eine Mischung an traditionellen Unternehmen notwendig. Sowohl die Entwickler als auch die Anwender der drahtlosen Funktechnik können profitieren. Mehr mögliche Einsatzgebiete von 6G wird den Unternehmen in einer Weise zugutekommen, die heute noch schwer vorhersehbar ist. Ohne Mobilfunk wären Unternehmen wie Facebook, Twitter, Google, Uber, Door-dash, WeChat, TenCent entweder bedeutungslos oder würden schlicht nicht existieren. Man kann also davon ausgehen, dass es jeweils ein 6G-Äquivalent dieser Unternehmen geben wird. Wie diese aussehen werden, ist jedoch schwer vorherzusagen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme auf dem Weg ins 6G-Zeitalter und wie kann Keysight den Weg dorthin zu ebnen?

Roger Nichols, Programm-Manager für 6G bei Keysight: 6G wird nicht nur der Industrie und dem Militär Vorteile bieten.
Roger Nichols, Programm-Manager für 6G bei Keysight: 6G wird nicht nur der Industrie und dem Militär Vorteile bieten.
(Bild: M. J. Wickham)

Es gibt mehrere technische Hürden, die sich auf die fünf Bereiche der technischen Investitionen erstrecken: 1. Funk der nächsten Generation, 2. Integrierte Netze mit heterogener Technik (ManyNets der ITU), 3. Zeitmanagement in Netzen, 4. KI-gestützte und optimierte Netze und 5. Sicherheit der nächsten Generation.

Next Gen Radio: Der Wechsel zu 100 bis 330 GHz als Trägerfrequenzen und Informationsbandbreiten von bis zu 30 GHz. Die Bänder und Bandbreiten sind ähnlich problematisch, wie bereits bei den 5G-Frequenzbereich FR2. Die dazu notwendige HF-Halbleitertechnik hat eine begrenzte Verstärkerleistung, Effizienz, Linearität und Rauschen. Digitale Basisband-Probleme, bei denen die erforderliche Abtastrate die aktuellen Taktraten von FPGAs und sogar ASICs weit übersteigt. Es ist schwierig, mit neuen Möglichkeiten Basisband-Datenraten von Hunderten von GBit/s zu erreichen. Hinzu kommen Schwierigkeiten beim Antennendesign und -einsatz für Mobilfunksysteme mit Wellenlängen von weniger als zwei Millimeter.

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ManyNets: Eine weltweit fragmentierte Frequenzpolitik bedeutet, dass Funksysteme verschiedener Techniken in unterschiedlich breiten Frequenzbereichen betrieben werden. Sie unterscheiden sich regional. Mit den bestehenden drahtlosen Kommunikationssystemen und den neu hinzugekommenen Bändern und Techniken ist die verfügbare Kommunikationsbandbreite recht groß. Es ist schwierig, sie effizient zu nutzen. Zu bestimmten Tageszeiten liegen einige Bänder völlig brach, während andere an ihrer Belastungsgrenze stoßen. Die Vision von ManyNets nutzt die Systeme, die je nach Standort und Bedarf flexibel sind. Allerdings sind viele dieser Systeme nicht dafür konzipier, miteinander zu arbeiten.

Time Engineering: Eine sehr niedrige Latenzzeit zusammen mit einer präzisen Zeitsteuerung des Nachrichtenflusses eröffnet neue Möglichkeiten. Das Konzept einer Hochlatenzsituation mit sehr präzisem und garantiertem Zeitablauf ist in den heutigen Netzen schwierig. Sie neigen dazu, zustandslos und nach dem Best-Effort-Prinzip mit Overlay-Protokollen zu arbeiten, um den Eindruck einer zeitabhängigen Vernetzung zu vermitteln.

Die für ein echtes Time Engineering erforderlichen Umgestaltungen betreffen nicht nur das 3GPP, sondern die Internet Engineering Task Force (IETF) und andere Gremien. Aus dem Paper des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) geht hervor, dass der Prozentsatz für den Einsatz von IPv6 in Festnetzen im einstelligen Bereich liegt. Ein Übergang zu neuen grundlegenden Protokollen in den IP- und Transportschichten kommt nur schleppend voran. Der Mobilfunk profitiert davon, dass 5G von vornherein als reines IPv6-System konzipiert wurde. Der wahre Wert von 6G wird sich jedoch aus einer besseren Verbindung zwischen mobilen und stationären Netzen ergeben.

AI-Enable Netzwerke: Mit künstlicher Intelligenz sind neue Möglichkeiten in der Medizin, der Quantenforschung und bei Softwaretests möglich. Trotzdem haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Die Komplexität der heutigen Netze und die mit dem Betrieb verbundenen Daten sind ein ideales Umfeld für den Einsatz von KI, um Leistung und Effizienz zu optimieren und gleichzeitig die Flexibilität zu erhöhen. Solche Netze werden ein integraler Bestandteil der Gesellschaft sein. Unsere Netzverwaltungssysteme können es sich nicht leisten, dass eine KI ein Foto falsch identifiziert oder auf einer offenen Autobahn eine Notbremsung durchführt.

Security: Die Schlagzeilen der letzten Monate haben gezeigt, wie wichtig die Netzsicherheit ist. Kann das System gehackt werden? Kann der Angreifer eindringen und an die Daten gelangen? Wird ein solcher Angriff überhaupt bemerkt? Wie schnell wird sich das Netz erholen?

Sie haben gerade das Thema Sicherheit erwähnt. Wo liegen die besonderen Herausforderungen bei der Cybersicherheit?

Jede neue Mobilfunkgeneration muss bei der Cybersicherheit zuerst Schwachstellen der vorherigen Generation beheben und anschließend neue und noch unbekannte Schwachstellen beheben. 5G ist besser verschlüsselt und bietet eine eine bessere Sicherheitsarchitektur als 4G. Allerdings wird der Standard in einer viel breiteren Palette von Anwendungen und mit mehr angeschlossenen Geräten eingesetzt werden.

Die Vision für 6G ist eine noch viel größere Auswahl an Nutzungsmodellen und bietet damit eine deutlich größere Angriffsfläche für dynamische, softwarebasierte Cyber-Bedrohungen. Da das Internet der Dinge stetig wächst, stellt jedes der Milliarden mit den Netzen verbundenen Geräte einen potenziellen Einstiegspunkt für Angreifer dar.

Alle 6G-Teilnehmer, vom Mobilfunkanbietern über Lieferanten und deren Kunden bis hin zu Entwicklern von Over-the-Top- (OTT-)Anwendungen, müssen neue Sicherheits-, Test- und Schulungsstandards einführen. Robuste Standards, Netzsicherheits-, Test- und Sichtbarkeitslösungen tragen dazu bei, das Risiko der 6G-Entwicklung und des Betriebs im gesamten Ökosystem zu verringern.

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