Kabelkonfektion: Wie Sie EMV-Probleme entschärfen

Autor / Redakteur: Bernd Müller * / Kristin Rinortner

Die zunehmende Automatisierung in Fabriken führt immer wieder zu elektromagnetischen Störungen. Mit hochwertigen Komponenten in der Verbindungstechnik lassen sie sich vermeiden.

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EMV-Probleme entschärfen: Steckverbinder wie der EPIC ULTRA mit großen metallischen Flächen und 
durchgängigen elektrischen Verbindungen bieten eine gute Abschirmung. Durch die leitfähige Nickelschicht an der Steckverbinderoberfläche wirkt das Steckergehäuse wie ein Faradayscher Käfig.
EMV-Probleme entschärfen: Steckverbinder wie der EPIC ULTRA mit großen metallischen Flächen und 
durchgängigen elektrischen Verbindungen bieten eine gute Abschirmung. Durch die leitfähige Nickelschicht an der Steckverbinderoberfläche wirkt das Steckergehäuse wie ein Faradayscher Käfig.
(Bilder: Lapp)

Automatisierung und Digitalisierung nehmen in Fabriken weiter rasant zu. Viele Maschinen und Anlagen arbeiten mit hohen Strömen, gleichzeitig werden immer mehr Datenleitungen verlegt, etwa um Informationen von Sensoren einzusammeln. Damit rückt auch das Thema Störfestigkeit oder elektromagnetische Verträglichkeit, kurz EMV, vermehrt in den Fokus.

EMV hat immer zwei Seiten: Elektromagnetisch verträglich ist ein System, wenn es sich von elektromagnetischen Feldern anderer Systeme nicht in seiner Funktion stören lässt und diese selbst auch nicht stört. Oft genug bleibt dieser Idealzustand nur ein Wunsch, denn in der Praxis gibt es immer wieder Möglichkeiten, dass die Störstrahlung in ein System hinein oder hinaus gelangen kann.

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Die häufigsten Ursachen sind schlecht geschirmte Verbindungen, insbesondere in der Kabelverschraubung oder im Steckverbinder, aber auch ungeeignete Komponenten oder eine nicht fachgerechte Verarbeitung.

Die beste Barriere gegen elektromagnetische Felder bei Kabeln ist die Abschirmung. Sie besteht aus einem Geflecht aus hochleitfähigen Drähtchen, die um die Adern im Inneren wie ein Zopf geflochten sind, oder aus metallisierter Folie, die um die Adern gewickelt wird. Sie wirken wie ein Faradayscher Käfig, der keine Störstrahlung hinein oder hinaus lässt.

Schirmung von gebogenen und tordierten Leitungen

Doch nicht jede Schirmung ist perfekt dicht. Erst ab einem Bedeckungsgrad von rund 80% ist das Geflecht engmaschig genug für eine effektive Barriere gegen elektromagnetische Felder. Bei bewegten Leitungen in Schleppketten mit millionenfachen Wechselbiegezyklen oder in der Robotik, wo die Schirmung zusätzlich zur Biegung noch Torsion ausgesetzt ist, muss dieser Bedeckungsgrad auch im gebogenen oder tordierten Zustand erreicht werden.

Im „Zopf“ dürfen also keine Lücken klaffen. Das lässt sich über den Flechtwinkel steuern. Für bewegte Anwendungen wird der Draht in einem stumpferen Winkel um die Adern geflochten; er macht dann auf einer kürzeren Strecke eine volle 360-Grad-Windung um die Adern.

Der Bedeckungsgrad ist damit von vornherein höher, die Elastizität besser, allerdings wird auch mehr Kupfer benötigt, wodurch die Kosten höher liegen.

Über den Aufbau der Adern im Inneren des Kabels lässt sich das Störverhalten weiter verbessern. Einzelne Adern im Kabel können mit alukaschierter Folie um die Isolierung zusätzlich abgeschirmt werden. Ideal ist es, wenn man den Schutzleiter auf drei Leiter aufteilt und diese erdsymmetrisch um das Aderbündel verteilt.

EMV ist umso besser, je kleiner der Widerstand ist

Zu einer guten Störfestigkeit tragen auch der Steckverbinder und die Kabelverschraubung bei. Die optimale Verbindung von Kabel, Kabelverschraubung und Steckverbinder aus EMV-Sicht hat einen elektrischen Widerstand nahe Null zwischen Kabelschirm und Erdpotential.

Dafür ist eine möglichst große Kontaktfläche notwendig. Ein zur Wurst verdrilltes Schirmgeflecht, angelötet an einer Steckerfahne, leistet das nicht. Vielmehr sollte der Kabelschirm am Übergang von der Kabelverschraubung zum Steckverbinder rundherum und ohne Lücken aufliegen, damit sich der faradaysche Käfig vom Kabel auf den Steckverbinder fortsetzt und Störsignale ausgesperrt bleiben. Diese Schirmkontaktierung muss an beiden Enden des Kabels stattfinden und mit dem Erdpotenzial verbunden sein.

Ein Beispiel, bei dem dies gut gelöst ist, ist der Rechtecksteckverbinder EPIC ULTRA von Lapp. Er hat ein vernickeltes Metallgehäuse, die Dichtung liegt innen, sodass sich die beiden metallischen Gehäuseteile großflächig berühren. Für ein gut abgeschirmtes Gesamtsystem muss auch der Übergang vom Steckverbinder zum Kabel dichthalten.

Dafür sorgt die Kabelverschraubung SKINTOP MS-M BRUSH. Statt den Schirm mit einer Feder zu fixieren, übernehmen dies hier tausende ringförmig angeordnete Bürstenhärchen (Bidl 1). Der große variable Klemmbereich macht die Montage, Demontage und Zuordnung einfacher und schneller. Ein einziger Arbeitsgang zentriert, fixiert, zugentlastet und dichtet das Kabel hermetisch ab.

Ströme, die durch Störsignale von außen induziert werden, fließen über die hoch leitfähige und 360° umlaufende Bürstenschirmung ab, was besonders für die Übertragung empfindlicher Signale wichtig ist. Auch beim Drehen und Biegen des Kabels bleibt die Kontaktfläche zwischen Abschirmgeflecht der Leitung und dem Bürsteneinsatz der unverändert erhalten. Das ist nützlich bei Anwendungen mit Bewegung und Torsion, etwa vorne an einem Roboterarm, wo auf engstem Raum mehrere Power- und Datenleitungen verlaufen.

Der Mensch als größter Unsicherheitsfaktor beim Thema EMV

Die größten EMV-Sünden finden die Experten meist im Schaltschrank. Zum Beispiel wenn Erdungsbänder an den Türen fehlen. Oder wenn es im Schaltschrank eng zugeht und die empfohlenen Biegeradien der Kabel unterschritten werden. Dann sind die Kabel direkt hinter dem Kabelabgang geknickt und das Abschirmgeflecht liegt nicht großflächig auf oder rutscht heraus.

„Powerleitungen“ mit hohen Strömen in der Nähe können dann starke elektromagnetische Impulse einstreuen und zu Störungen in der gesamten Anlage führen. Manchmal schneidet der Monteur beim Abmanteln aus Versehen zu tief und verletzt die Schirmung. Wenn er es merkt, kann er die beschädigte Stelle mit einem leitfähigen und selbstklebenden Abschirmband reparieren.

EMV wird durch das schwächste Glied in der Kette bestimmt

Ungeeignete Bauteile oder eine fehlerhafte handwerkliche Ausführung der Kontaktierung können zu erheblichen Verlusten der Abschirmleistung des gesamten Übertragungsweges führen. Schwierige PE-Potentiale können zur Verschleppung nieder- wie auch hochfrequenter Störungen über andere Pfade der Anlage und deren Komponenten beitragen, die dort unter Umständen unvorhergesehene elektromagnetische Unverträglichkeiten verursachen.

Abschließend kann gesagt werden: Das schwächste Glied in dieser Abschirmkette bestimmt letzlich die EMV des gesamten Übertragungsweges. Die einzelnen Systemkomponenten müssen deswegen schon in der Entwicklungsphase aufeinander abgestimmt werden. Geprüft wird immer das Gesamtsystem – schließlich ist die Funktion der Lösung entscheidend, nicht die der einzelnen Komponenten.

* Bernd Müller ist freier Journalist in Bonn.

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