Leistungselektronik im Visier China beschränkt Ausfuhr von Gallium und Germanium
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Ein weiterer Warnschuss aus Peking in Richtung Washington: Der Export von Gallium- und Germanium aus China erfordert demnächst eine Lizenz. Damit kontert der Einparteienstaat mögliche neue Exportbeschränkungen für US-KI-Chips. Was kommt als Nächstes?

Ab dem 1. August müssen Exporteure eine Lizenz beantragen, wenn sie Gallium oder Germanium aus China in andere Länder verkaufen wollen. Das gaben das chinesische Handelsministerium in seinem „Erlaß Nr. 23 von 2023“ und der chinesische Zoll kürzlich bekannt. Chinas neue Exportkontrollen für zwei – nicht zuletzt für die Leistungselektronik essenzielle – Metalle dürfen als gezielter Warnschuss in Richtung der USA und ihrer Verbündeten im „Halbleiterkrieg” verstanden werden.
„Das sieht nach einer Vergeltungsmaßnahme aus, da Germanium und Gallium in der Herstellung von Halbleitern verwendet werden und die Containment-Bemühungen der USA gegenüber China darauf fokussiert sind, dem Land fortgeschrittene Halbleiter und entsprechende Ausrüstungen vorzuenthalten“, schreibt der deutsche Experte Thomas Krümmer in seinem „Rare Earth Observer“, einem in der Industrie viel gelesenen Newsletter.
Peking kontert Ankündigung aus Washington
In der Tat erfolgte die Ankündigung, dass Gallium- und Germanium-Exporte aus China ohne Lizenz künftig strafbar sind, kurz nachdem das „Wall Street Journal“ berichtet hatte, dass die Regierung in Washington derzeit weitere Exportbeschränkungen für KI-Halbleiter in Richtung China erwäge.
Die USA haben zuvor bereits eine ganze Reihe von Hightech-Chips und auch Ausrüstungen für deren Herstellung auf schwarze Listen gesetzt, die ihre Lieferung nach China untersagt. Auch haben die USA, die Niederlande und Japan den Export von Lithografie-Maschinen für die Produktion besonders leistungsstarker Chips nach China gedrosselt. Nun erwägen die Niederlande Berichten zufolge, diese Maßnahmen noch weiter zu verschärfen. Aus diesem Land stammt ASML, weltweiter Marktführer für Lithografie-Maschinen und Monopolist für EUV-Scanner.
Zeitpunkt der Ankündigung genau getimed
Nicht nur die Auswahl der Materialien, auch der Zeitpunkt der Ankündigung in Peking legen nun eine sorgfältige politische Vorbereitung durch das ZK der KPCh in Peking nahe. Der Erlass des Handelsministeriums erfolgte kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen US-Finanzministerin Janet Yellen zu einem offiziellen Besuch in Peking.
Um einen „Warnschuss“ und nicht um eine bereits vollzogene Vergeltungsmaßnahme handelt es sich bei dem Gallium- und Germanium-Erlass, weil bislang nur das Beantragen einer Exportlizenz verfügt worden ist, aber noch keine Lizenz verweigert oder kein konkreter Export verhindert worden ist. China zeige den USA und seinen im „Chip War“ Verbündeten gewissermaßen „die Instrumente“, sagen in diesem Bereich gut informierte Analysten.
Folgt bald die Exportbeschränkung für seltene Erden?
Gleichzeitig äußerten Beobachter die weit bedrohlichere Möglichkeit, dass China als Nächstes zu Exportbeschränkungen von Seltenen Erden greifen könnte. Peking hatte dies vor 12 Jahren schon einmal kurzfristig gegenüber Japan getan, um das Land in einem politischen Streit abzustrafen. „Seltene Erden könnten als Nächstes folgen“, kommentierte die Nachrichtenagentur Reuters die möglichen Optionen der Chinesen im Technologie- und Handelskrieg mit den USA.
Auf der Liste in Peking stehen zunächst einmal acht Gallium-Verbindungen, die unter anderem in der Herstellung von „Compound Semiconductors” mit besonders hohen Transmissions-Raten und hoher Energieeffizienz verwendet werden, aber auch für die Produktion spezieller Solarpanele, Displays, Radargeräten und opto-elektronischen Geräten sowohl in der zivilen wie militärischen Fertigungsindustrie eingesetzt werden. Gallium-Nitride gelten derzeit auch als vielversprechendes Performance-Material zur Herstellung von besonders leistungsstarken Leistungschips für E-Autos.
Wichtige Technologiebereiche wären von Gallium- und Germaniumstopp betroffen
Die sechs Produkte aus Germanium, die ebenfalls auf der Liste stehen, spielen eine Rolle in strategisch wichtigen Bereichen des Militärs wie der Produktion von Nachtsicht-Gläsern oder auch für Solarzellen von Satelliten im All. Auch in der chemischen Industrie werden Germanium-Verbindungen verwendet, etwa als Katalysatoren in der Polymer-Produktion.
Die Import- und Exportströme dieser seltenen Metalle sind schwer nachzuverfolgen und verlässlich zu quantifizieren, aber in Studien ist zu lesen, China kontrolliere den Großteil der globalen Produktion dieser Gallium- und Germanium-Produkte.
Seltene Erden, Ga und Ge: Westliche Länder wollen sich lieber nicht die Hände schmutzig machen
Ähnlich wie bei den Seltenen Erden gibt es zwar auch außerhalb Chinas genügend Gallium- und Germanium-Vorkommen, doch in Ländern wie den USA oder auch Deutschland hat man die Weiterverarbeitung der Metalle unter anderem aus Kosten- und Umweltschutz-Gründen schon vor längerer Zeit eingestellt und lieber China überlassen. Jetzt dürfte da ein Umdenken einsetzen, doch der Wiederaufbau einer solchen Lieferkette braucht viel Zeit.
Obwohl dieser Warnschuss aus Peking erkennbar die von seinen Urhebern beabsichtigte Wirkung erzielte und weltweit für Schlagzeilen und auch einige Nervosität in Unternehmenszentralen und Regierungsbüros sorgte, werten Experten diesen Schritt dennoch als eine nur relativ moderate Gegenmaßnahme Chinas im Halbleiterkrieg mit den USA.
Wie weit wird China gehen?
China hatte erstmals im Mai dieses Jahres zum Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn gegriffen“, als es bestimmten heimischen Firmen den Kauf von Produkten des US-Chipherstellers Micron verbot. Damals, genau wie heute, hätte es für Peking Möglichkeiten gegeben, die USA und ihre Wirtschaft wesentlich härter zu treffen.
Zu den Gallium- und Germanium-Lizenzen sagte der CEO von Neo Performance, Constantine Karayannopoulos, es handele sich um die wohl „am wenigsten einflussreiche Maßnahme”, die Peking in einem Korb von Optionen zur Verfügung gestanden habe. „Das tut nicht so weh wie es andere Optionen hätten tun können,” sagte Karayannopoulos gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. (me)
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