Stromversorgungen Zuverlässige Netzteile sind keine reine Glückssache
Informationen zur Zuverlässigkeit von Netzteilen sind oft irreführend. Deshalb analysiert man Netzteile am besten selber. Hier erfahren Sie, wie das mittels Oszilloskop, Tastkopf und Stromzange geht.
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Eigentlich ist es bei Netzteilen doch ganz einfach: Je größer die angegebene MTBF (Mean Time Between Failure), also die mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalles. Wenn man dann noch einen 300-W-Typ verwendet, obwohl man nur 200 W Leistung benötigt, dann hat man alles für ein langes Leben des Netzteiles getan. Ist es zudem mit CE-, UL-, GS- oder TÜV-Gütesiegel ausgezeichnet oder hat gar eine medizinischer Zulassung, dann kann gar nichts mehr schief gehen und das Netzteil wird ewig laufen.
Die Realität sieht leider ganz anders aus, denn Netzteile halten häufig nicht, was man von ihnen erwartet. Doch mit Oszilloskop und Stromzange kann man sich selbst helfen.
Für Netzteilausfälle kann es viele Gründe geben
Netzteilausfälle können mehrere Gründe haben. Von den Herstellern wird in der Regel erhöhter Umgebungsstress (Übertemperatur, Netzüberspannung oder elektrostatische Entladung) als Ausfallursache vermutet, weil der in der Realität – so die stereotypen Aussagen von Herstellerseite – eben doch größer ist als die Normen vorschreiben und man nie so genau weiß, wo und wie das Gerät betrieben wurde.
Auch eine schlechte Produktion oder minderwertige Bauteile zieht man bei Defekten in Betracht (z.B. eine kalte Lötstelle oder schlechte Isolation). An eine schlechte Entwicklung wird interessanterweise kaum gedacht. Ein Netzteil-Controller-IC, plus Schalttransistor, Trafo, Diode und Elko - da kann man ja nicht viel falsch machen und Softwarefehler sind bei Netzteilen meistens auch ausgeschlossen!
Firmen, die bereits schlechte Erfahrungen mit eingekauften Stromversorgungen gemacht haben, unterziehen diese oft einem harten Dauertest kurz vor dem Produktionsstart. Es werden Temperaturprofile durchgefahren, dazu kommen raffinierte Einschaltzyklen unter Volllast. Wenn die Netzteile diesen Stress eine Weile lang durchhalten, dann meint sogar der Projektleiter gut schlafen zu können. Doch auch diese Tests sagen nichts über die Zuverlässigkeit aus.
Um herauszufinden, wie zuverlässig ein Netzteil ist, bevor es zum Einsatz kommt, sind verschiedene Messungen erforderlich:
- Messung der Sperrspannungen an den Halbleitern,
- Messung der Ströme in den Elkos,
- Untersuchung induktiver Bauteile auf Sättigung.
Messen der Sperrspannungen an kritischen Halbleitern
Als erstes sollte man die Spannungen an den kritischen Halbleitern mit dem Oszilloskop richtig messen. Das sind nicht nur ICs, Schalttransistoren und Gleichrichter für die hauptsächliche Leistungswandlung, sondern auch für die Hilfsspannungsversorgung. Gemessen wird nicht nur in den normalen Betriebsfällen, also über den gesamten Eingangsspannungs- und Lastbereich, sondern vor allem auch beim Anlauf, bei Netzunterbrechung oder -ausfall und bei Sprunglasten. In diesen Fällen ist der Bauteilstress oft am größten. Richtig messen heißt mit abgeglichenem Tastkopf und kürzest möglicher Masseverbindung (Bild 1).
Jetzt bleibt nur noch die spannende Frage: Wieviel Reserve wird benötigt? Man sollte bedenken, dass die Messergebnisse von den Streuungen der Bauteile abhängen, oft sind es deren parasitäre Eigenschaften, und die können 20% oder mehr Toleranz haben. Außerdem misst man fast immer auf dem Labortisch bei Zimmertemperatur und offenem Gehäuse. Wie groß wird die Spannung bei kleinster oder größter Bauteiletemperatur? Wenn man also nur ein Muster analysiert, dann wären 30% Reserve in allen vorkommenden Fällen schon wünschenswert, für den Kunden ist dies aber oft zu teuer. Ein möglicher Kompromiss wäre, zu analysieren, wie unterschiedlich hoch die auftretende Spannung sein kann. Je definierter die Verhältnisse sind, desto kleiner kann man die Marge auslegen. Von Entwicklerseite hört man oft das Argument, dass man eigentlich immer bis an die Grenze gehen kann, weil der Bauteilehersteller auch noch Reserve in seine Spezifikation legt oder das Bauteil „avalanche rated“ ist, also bei Überspannung eine bestimmte Energie absorbieren kann bevor es kaputt geht. Meiner Meinung nach sollte man den speziellen Anwendungsfall in Betracht ziehen. Bei einer Stromversorgung, die in einem Gerät eingebaut und fest mit einer definierten Last verbunden ist, könnte man im Kurzschlussfall auf eine Spannungsreserve verzichten und sogar die Avalanche-Energie mit einbeziehen. Für ein Steckernetzteil mit offen liegender Ausgangsspannung wäre dies unakzeptabel, da wären auch im Kurzschlussfall 30% Marge für eine hohe Zuverlässigkeit sinnvoll (siehe Kasten: Beispiel A, Ausfallursache 2).
Messen der Ripple-Ströme in den Elektrolyt-Kondensatoren
Als zweites sollte man die Ripple-Ströme in den Elkos messen. Dazu braucht man ein gutes Oszilloskop, das den Effektivwert berechnen kann, und eine Stromzange mit ausreichender Bandbreite (z.B. 10 MHz). Oft ist es am einfachsten, den Elko auszubauen, dann auf der Unterseite der Leiterplatte am Minuspol direkt anlöten und die Anode per Kabel mit dem ursprünglichen Lötauge verbinden (Bild 2).
Das Kabel sollte so kurz wie möglich sein, gerade so, dass die Stromzange hineinpasst. Aus dem Elko Datenblatt kann man die maximal zulässigen Rippleströme entnehmen, eventuell gibt es noch Multiplikatoren für Temperatur oder Frequenz. Ist der gemessene Ripplestrom größer als der im Datenblatt spezifizierte, ist die Formel zur Berechnung der erwarteten Lebensdauer ungültig und es wird zu Frühausfälle kommen. Die Ströme sollten in allen vorkommenden Dauerzuständen gemessen werden. Manchmal ist die Strombelastung im Elko bei kleinerem Ausgangsstrom oder sogar im Standby-Betrieb höher!
Wichtig ist auch, dass die Datenblätter aller in der Stückliste zugelassenen Elkos genau überprüft werden. In welchen Elkos sollte der Ripplestrom gemessen werden? In allen! Auch am Hilfsnetzteil, das oft ständig läuft, und auch an den internen Versorgungsspannungen, sei es auf der Primär- oder der Sekundärseite (Kasten: Beispiel B).
Untersuchung der induktiven Bauelemente auf Sättigung
Als drittes werden induktive Bauteile, also Drosseln und Transformatoren, nach eventueller Sättigung untersucht. Sättigung bedeutet, dass die Hauptinduktivität verloren geht und nur noch der ohmsche Widerstand des Wickeldrahtes und die Luftinduktivität vorhanden ist. Der Strom steigt dann plötzlich steil an (Bild 3).
Vor allem PFC Drosseln und Transformatoren in DC/DC Wandlern muss man bezüglich Sättigung analysieren. Dazu durchtrennt man eine zuführende Leiterbahn und verbindet sie wieder mit einem möglichst kurzen Kabel, um das man die Stromzange anbringt. Der kritischste Fall ist nicht nur bei kleinster Eingangsspannung und größter Last, sondern oft auch während dem Anlauf. Am besten, man testet alle vorkommenden statischen und dynamischen Betriebsfälle. Die Sättigung ist abhängig von Temperatur und Bauteiltoleranz. Wenn man auf dem Labortisch z.B. beim Start ein „bisschen Sättigung“ erkennt, so kann diese im Gerät bei höherer Innentemperatur oder über eine größere Stückzahl wesentlich deutlicher sein und zu Feldausfällen führen.
Warum ist Sättigung gefährlich? Eine Induktivität ist ziemlich robust. Der Halbleiterschalter aber muss den schnell ansteigenden und viel größeren Strom ausschalten und hat dann große Ausschaltverluste. Wenn dadurch der sichere Arbeitsbereich (SOA) verlassen wird geht der Schalter kaputt. Außerdem erzeugt der größere Strom wegen den Streuinduktivitäten beim Ausschalten eine höhere Überspannung, die den Halbleiter zerstören kann, wenn diese durch das Entlastungsnetzwerk nicht mehr ausreichend gedämpft wird. Deswegen sollte auch ein „bisschen Sättigung“ der Zuverlässigkeit zuliebe vermieden werden (Kasten: Beispiel A, Ausfallursache 1).
Weitere Aspekte in Sachen Zuverlässigkeit
Bei der Analyse der Zuverlässigkeit sollte noch folgendes beachtet werden:
- Auch offensichtlich richtiges Messen ist immer fehlerbehaftet und beeinflusst das Netzteil.
- Oft sind 95% der Bauteile gut dimensioniert! Die 5% schlecht ausgelegten Bauteile muss man finden und optimieren! Das schwächste Glied führt zum vorzeitigen Ausfall! Da nützt es nichts, wenn die restlichen Bauteile überdimensioniert sind.
- Große Beachtung sollte man der Stückliste (BOM) mit allen Bauteilen widmen. Mit den Zweite-Wahl-Typen wird das Netzteil zwar funktionieren, für die Zuverlässigkeit könnte es aber schlechter sein.
- Spätere Änderungen der Bauteile, z.B. zur Kostenreduktion oder aus Gründen der Verfügbarkeit, können Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit haben, auch wenn die Funktionalität des Netzteils gleich bleibt.
- Selbstverständlich sollten alle wichtigen Messungen nachvollziehbar dokumentiert und zusammen mit dem Muster gut verwahrt werden. Das erleichtert die Fehlersuche, falls es doch zu Ausfällen kommen sollte.
Gründe für Entwicklungsfehler und wie man sie erkennen kann
Oft wird der Bauteilstress nur im nominalen Dauerbetrieb gemessen, also über den gesamten Eingangsspannungsbereich und von min. Last bis max. Last, manchmal noch im Leerlauf.
Wesentlich kritischer sind jedoch oft folgende Fälle:
- Anlauf, z.B. beim Anlegen der Netzspannung oder Übergang vom Standby in ON-mode,
- Ausschalten des Netzteils oder Übergang in Standby mode,
- Netzunterbrechung,
- Lastsprünge (auch Abwurf),
- Kurzschluss,
- Überstrom.
Vor allem Netzunterbrechungen können gefährlich sein, nämlich genau dann, wenn die Netzspannung in dem Moment wieder zugeschaltet wird, wenn die Ausgangsspannung oder die interne Versorgungsspannung zu fallen beginnen (Kasten: Beispiel C). Am besten man analysiert alle diese genannten Fälle genau, um mögliche Schwachstellen zu finden. Bei auftretenden Problemen muss man eine passende Lösung natürlich auch noch erarbeiten, aber besser vor der Markteinführung als danach.
* Markus Rehm ist Inhaber des Ingenieurbüros Markus Rehm in Villingen-Schwenningen.
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