Professor Dr. Andreas Syska von der Hochschule Niederrhein stellt die These auf, dass Industrie 4.0 so, wie sie momentan gedacht und umgesetzt wird, nicht funktioniert. Unsere Kollegen von „Industry of Things“ haben mit ihm über darüber gesprochen.
Industrie 4.0 wird mit der aktuellen Herangehensweise nicht funktionieren - schlimmer noch: Potentiale werden nicht erkannt und liegen gelassen - dieser Überzeugung ist Prof. Dr. Andreas Syska.
Es ist naiv zu glauben, man könne ein komplexes, chaotisches und soziales System wie eine Fabrik mit Algorithmen steuern. Das hat noch nie funktioniert und wird auch dieses Mal nicht funktionieren, so ausgeklügelt diese Algorithmen auch sein mögen.
Es ist naiv zu glauben, dass der einzige Sinn der Vernetzung digitaler Objekte die Performance-Steigerung in den Fabriken ist. Was für ein mächtiges Instrument hat man mit dem Internet der Dinge in den Händen und wie kleinmustrig gedacht sind viele Anwendungsbeispiele.
Einigkeit herrscht darin, dass Industrie 4.0 die Wertschöpfung grundlegend verändert – schließlich spricht man ja auch von einer Revolution. Ist es da nicht naiv, zu glauben, alles um einen herum würde sich verändern, nur das eigene Geschäftsmodell nicht, wie sich das die meisten Fabrikausrüster derzeit vormachen?
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit die Umsetzung von „Industrie 4.0“ gelingt?
Man darf das Thema nicht nur den Produktionsingenieuren überlassen - wir müssen es vom Markt und von der Gesellschaft her angehen. An der Stelle wird sichtbar, wie hinderlich die Bezeichnung „Industrie 4.0“ eigentlich ist, denn sie limitiert das Denken auf die Themen Fabrik und Produktivität.
Der eigentliche Sinn der webbasierten Vernetzung besteht in datenbasierten Geschäftsmodellen, ihre Potenziale liegen außerhalb der Fabriken. Diese Potenziale findet man aber nicht, wenn der Denkhorizont nur bis ans eigene Werkstor reicht.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede im Vergleich zum Beispiel mit der Konkurrenz aus den USA?
Die Deutschen tüfteln hingebungsvoll an Schnittstellen und verlieren sich in technischen Details, die Amerikaner entwerfen Geschäftsmodelle. Die Deutschen fragen sich: „Wie bringe ich das technisch ans Laufen?“ Die Amerikaner fragen sich: „Wie kann ich damit Geld verdienen?“
Die Rollenverteilung ist klar. Die Amerikaner stecken die digitalen Claims ab und schaffen neue Märkte, während sich die Deutschen widerstandslos den Platz in der zweiten Reihe haben zuweisen lassen – als austauschbare Hardwarelieferanten von Internetunternehmen. Dabei haben unsere Fabrikausrüster, die Industrie 4.0 lediglich als Konjunkturprogramm begreifen und sich angesichts erwarteter Umsatzzuwächse derzeit freudig die Hände reiben, nicht verstanden, dass es genau diese Entwicklung ist, die sie selber hinwegfegen wird, wenn sie nicht gegensteuern.
Illusion 4.0 - das Buch
Buchtitel „Illusion 4.0“
(Bild: Syska)
Industrie 4.0 – die Idee der webbasierten vernetzten Fabrik – ist mehr als fünf Jahre alt. Dies ist der Anlass für die Treiber von Industrie 4.0, sich einmal mehr gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Völlig zu Unrecht, denn die Industrie muss auf verlorene Jahre zurückblicken. Dabei ist nicht die technische Umsetzung der Vernetzung das Problem, sondern der Mangel an Mut und Phantasie unserer Industrie.
Einst gestartet als Initiative für den produzierenden Mittelstand, wird Industrie 4.0 derzeit vornehmlich von Fabrikausrüstern und der Forschung getrieben. Kein Wunder, denn sie profitieren hiervon als erste. Sie beglückwünschen sich gegenseitig für technische Lösungen, die aber oftmals gar nicht so innovativ sind, wie behauptet. Unhaltbare Heilsversprechen, zahlreiche Trittbrettfahrer und eine enorme mediale Aufmerksamkeit – Industrie 4.0 erfüllt alle Kriterien für einen Hype. Zudem basiert Industrie 4.0 auf dem Denkfehler, dass ein nicht lineares und soziales System wie eine Fabrik mit Algorithmen steuerbar ist. Das hat noch nie funktioniert und dies wird auch dieses Mal so sein.
An dieser Stelle möchten die Autoren Andreas Syska und Philippe Lièvre eine Orientierungshilfe bieten, aus einer konstruktiv-kritischen Warte heraus Illusionen vorbeugen und damit vor überzogenen Erwartungshaltungen sowie Fehleinschätzungen bewahren. Dass dies nur der erste Schritt sein kann, sollte klar sein. Doch es ist der notwendige und wie so häufig schmerzhafte erste Schritt der Erkenntnis. Erst wenn die hierfür Verantwortlichen den gegenwärtig zu kurz greifenden Ansatz von Industrie 4.0 durchdrungen haben, kann diesem zu einem Vorzeichenwechsel verholfen werden.
Es bedarf neuer Geschäftsmodelle und der Bereitschaft, das Bestehende unsentimental zu zerstören, statt es linear fortzuschreiben. Industrie 4.0 hat nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn sie sich die Frage stellt, wie wir alle wirtschaften, arbeiten und leben wollen und aus den Antworten die richtigen Schlüsse zieht.
Das Buch ist zum Preis von 29,95 Euro bei CETPM Publishing erschienen. Die ISBN lautet 978-3-940775-18-4.
(ID:44241040)
Stand vom 15.04.2021
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