Stromversorgungsnetze Smart Meter: Gericht stoppt Einbau-Verpflichtung
Entsprechen die derzeit verfügbaren intelligenten Strom-Messsysteme, auch Smart Meter genannt, den gesetzlichen Anforderungen? Das Oberverwaltungsgericht in Münster ist nicht dieser Ansicht – und hat die Einbauverpflichtung per Eilbeschluss gestoppt. Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist düpiert.
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Das Oberverwaltungsgericht (OVG) im nordrhein-westfälischen Münster hat per Eilbeschluss die Verpflichtung zum Einbau „intelligenter“ Stromzähler, so genannter Smart Meter, gestoppt. Zumindest vorerst. Das Hauptsacheverfahren ist noch am Verwaltungsgericht Köln anhängig.
Im Januar 2020 hatte das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit Sitz in Bonn eine Allgemeinverfügung ausgegeben, nach der es technisch möglich ist, „Messstellen für Stromverbrauch und -erzeugung mit intelligenten Messsystemen (Smart-Meter-Gateways)“ auszurüsten. Dabei geht es um Zählpunkten in der Niederspannung mit einem Jahresstromverbrauch von höchstens 100.000 kWh.
Diese Feststellung beruht auf der Annahme, dass inzwischen auf dem Markt ausreichend intelligente Messsysteme von verschiedenen Herstellern verfügbar sind, die den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit, Funktionalität und Interoperabilität genügen. Konkret nannte das BSI drei Produkte der Hersteller Power Plus Communications, Sagemcom Dr. Neuhaus und EMH metering.
BSI: „Sofortige Vollziehung wird angeordnet“
Diese Feststellung löste bundesweit zum einen für Messstellenbetreiber, insbesondere Stadtwerke, die Pflicht aus, ihre Messstellen innerhalb gewisser Zeiträume mit intelligenten Messsystemen auszurüsten. Zum anderen bewirkte die Feststellung faktisch ein Verwendungsverbot für andere Messsysteme. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nur Produkte bestimmter Hersteller verbaut werden dürfen.
Dagegen hatte ein privates Unternehmen aus Aachen, das auch andere Messsysteme vertreibt, eine Beschwerde eingelegt. Aufgrund des Eilbeschlusses dürfen nun zumindest vorläufig weiterhin auch andere Messsysteme eingebaut werden. Bereits verbaute intelligente Messsysteme müssen nicht ausgetauscht werden. Das gilt auch für Privathaushalte.
Kritikpunkt mangelnde Interoperabilität unterschiedlicher Messsysteme
Zur Begründung hat der 21. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Allgemeinverfügung mit der Feststellung der technischen Möglichkeit der Ausrüstung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen sei voraussichtlich rechtswidrig. Die am Markt verfügbaren intelligenten Messsysteme genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie seien hinsichtlich der Erfüllung der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und in Technischen Richtlinien normierten Interoperabilitätsanforderungen nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, zertifiziert. Das sei auch gar nicht möglich, weil sie die Interoperabilitätsanforderungen nicht erfüllten.
Dass sie den Anforderungen der Anlage VII der Technischen Richtlinie TR-03109-1 des BSI genügten, reiche nicht. Die Anlage VII sei nicht formell ordnungsgemäß zustande gekommen, weil die vorgeschriebene Anhörung des Ausschusses für Gateway-Standardisierung nicht erfolgt sei. Die Anlage VII sei auch materiell rechtswidrig, weil sie hinsichtlich der Interoperabilitätsanforderungen hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleibe.
Gesetzlich verfügte Mindestanforderungen müssen eingehalten werden
Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe die Anlage VII nicht vor. Dies habe unter anderem zur Konsequenz, dass Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, die nach dem Gesetz mit intelligenten Messsystemen auszurüsten seien, nicht ausgestattet werden könnten.
Die dem BSI zustehende Kompetenz, Technische Richtlinien entsprechend dem technischen Fortschritt abzuändern, gehe nicht so weit, dadurch gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen zu unterschreiten. Seien die dortigen Mindestanforderungen nicht erfüllbar, müsse der Gesetzgeber tätig werden.
Smart Meter sind wichtiger Baustein für moderne Stromversorgungsnetze
Abseits dieses Konflikts sind Smart Meter grundsätzlich ein wichtiger Baustein innerhalb der deutschen Energiepolitik. Denn sie erfassen nicht nur den Verbrauch und übermitteln ihn an die Erzeuger, sondern ermöglichen auch das Steuern des Stromverbrauchs abhängig von der aktuellen Versorgungslage.
Per Gesetz sollen daher bis 2032 alle analogen durch digitale Stromzähler ersetzt werden. Letztere müssen durch das BSI zertifiziert werden, bevor sie eingebaut werden dürfen. Dadurch will die Behörde verhindern, dass etwa Cyberkriminelle über Schwachstellen in den Zählern in die IT-Infrastruktur der Versorger eindringen und die Stromversorgung lahmlegen.
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