Qualcomm kauft RF360: München wird „Zentrum der 5G-Revolution“
Nach der endgültigen Übernahme von RF360 – ehemals Epcos – will Qualcomm seinen Münchener F&E- und Produktionsstandort massiv ausbauen. Die frühere Siemens-Ausgründung avanciert damit zum zentralen Baustein in Qualcomms langfristiger 5G-Strategie.
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5G-Modemchip-Marktführer Qualcomm hat sämtliche Anteile an RF360 Holdings Singapur übernommen. Was sich wie eine herkömmliche Unternehmensmeldung liest, hat das Potenzial, den 5G-Mobilfunkmarkt zu revolutionieren – mit weitreichenden Auswirkungen nicht nur auf den Münchener Standort. Insgesamt sollen in den europäischen Qualcomm-Niederlassungen mehr als 3500 Mitarbeitern an den neuesten drahtlosen Innovationen arbeiten, einschließlich 5G und Automotive.
RF360 war ein 2016 gegründetes Joint Venture mit TDK Electronics, ehemals Epcos, das wiederum aus einem Joint Venture von Siemens und Matsushita hervorgegangen ist. Hauptstandort war seit jeher München. Die hiesige Forschung, Entwicklung und Fertigung von Hochfrequenz-Oberwellenfiltern (OFW, englisch SAW für Surface Acoustic Wave) wurde Anfang 2017 in die RF360 überführt. Die Technologie ist essentiell für moderne Mobilfunktechniken.
„Hohe Qualität“ – München als einziger Produktionsstandort
Durch die jetzige vollständige Übernahme avanciert die Niederlassung zum weltweit einzigen Produktionsstandort von Qualcomm für HF-Frontends. Das gaben Qualcomm-President Cristiano Amon und Christian Block, Senior Vice President und General Manager von Qualcomm Germany RFFE in München bekannt. RFFE steht für „Radio Frequency Front End“, also Hochfrequenz-Front-End-Schaltungen. Laut Block werde in München „alles gefertigt – vom Modem bis zur Antenne, und zwar für alle Frequenzen vom Low-Frequency-Band bis in den Millimeterwellenbereich“.
Für diese Entscheidung hat laut Amon nicht zuletzt „die hohe Fertigungsqualität in Deutschland“ gesprochen. München wird in Qualcomms 5G-Strategie eine wichtige Rolle einnehmen: „Wir bauen das F&E-Team sowie die Fertigung hier aus. Ziel ist es Produkte zu fertigen, mit denen sich die hochkomplexe 5G-Technologie in jedes erdenkliche Gerät integrieren lassen.“
Einer statt acht – Qualcomm drängt viele Spezialisten aus dem Rennen
Bisher besteht die Signalkette in Mobilfunkgeräten vom Modem bis zur Antenne beziehungsweise den Antennen mangels Alternativen stets aus Komponenten mehrerer Hersteller. Typischerweise seien 6 bis 8 Hersteller involviert, erklärt ein RFFE-Mitarbeiter bei der Live-Präsentation in München. Der Mix mache es schwer bis unmöglich, die gesamte Signalkette programmierbar zu machen.
Daher galt das dynamisch abstimmbare HF-Frontend bislang als so etwas wie der heilige Gral der Mobilfunktechnik. Nach eigenen Angaben hat Qualcomm Germany RFFE diese Nuss nun geknackt: „Seit zweieinhalb Jahren haben wir an der Realisierung des software-programmierbaren Hochfrequenz-Front-Ends gearbeitet“, sagt Block. „Jetzt sind wir soweit!“ Zusammen mit dem eigenen Modem-Knowhow sei Qualcomm nun in der Lage, Kunden eine vollständig integrierte, dynamisch anpassbare Ende-zu-Ende-Lösung für 4G und 5G anzubieten.
Alles in einem – vollintegrierte HF-Front-End-Lösung
Dieses „Snapdragon 5G Modem-RF-System“ integriert die laut Qualcomm weltweit ersten kommerziell verfügbaren 5G-New-Radio-(NR-)Lösungen für Sub-6-GHz- und mmWave-Frequenzbänder sowie Leistungsverstärker, Filter, Multiplexer, Antennenabstimmung, LNAs, Switching- und Hüllenkurven-Tracker.
Damit baut Qualcomm seine Vormachtstellung in diesem für den Mobilfunk wichtigen Bereich aus: Kein anderer Hersteller hat bislang auch nur annähernd eine ähnliche umfassende Gesamtlösung im Programm. Die Quasi-Monopolstellung verdeutlichen auch die laut Amon bislang über 150 Design-Wins für 5G-Projekte.
Sehr breites Portfolio an HF-Komponenten
Qualcomm verfügt nun über ein sehr breites Portfolio an RFFE-Produkten, darunter integrierte und diskrete mikroakustische Komponenten mit RFFE-Filtertechnologien wie BAW (Bulk Acoustic Wave), SAW, TC-SAW (Temperature Compensated SAW) sowie Thin Film SAW. Diese Technologien sind essenziell für das Entwickeln und Herstellen von Filtern, Duplexern, Multiplexern für Leistungsverstärker und Diversity-Module sowie N-Plexern und Extraktoren, die in komplexen HF-Front-Ends zum Einsatz kommen. Für heutige und zukünftige Mobilfunkanwendungen wie Smartphones oder Connected Cars sind diese wiederum von zentraler Bedeutung.
Die Beteiligung von TDK Electronics an dem Joint Venture wurde im August 2019 auf 1,15 Mrd. US-Dollar geschätzt. Insgesamt wird Qualcomm das Engagement etwa 3,1 Mrd. US-Dollar kosten – einschließlich der Erstinvestition, der Zahlungen an TDK auf Basis der Umsätze des Joint Ventures und der Entwicklungsverpflichtungen.
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