Mit Leistungselektronik zum schnelleren Kohlestromausstieg

Redakteur: Gerd Kucera

„Dank Leistungselektronik lieferten 2018 erneuerbare Energien 40% des elektrischen Stroms. In zehn Jahren können es 100% sein. Die „FridaysForFuture“-Jugend fordert zu Recht den schnelleren Kohlestromausstieg.“

Anbieter zum Thema

Prof. Dr. Josef Lutz: An der TU Chemnitz ist er verantwortlich für die Studiengänge Regenerative Energietechnik und Elektromobilität.
Prof. Dr. Josef Lutz: An der TU Chemnitz ist er verantwortlich für die Studiengänge Regenerative Energietechnik und Elektromobilität.
(Bild: Josef Lutz)

Die klimapolitischen Maßnahmen Deutschlands und anderer Länder sind völlig unzureichend, um die eingesetzten Veränderungen des Weltklimas hin zu einer katastrophalen Situation aufzuhalten. Europaweit ist nun binnen weniger Wochen eine Bewegung von Schülerinnen, Schülern und jungen Studierenden gewachsen, die statt in Schul- und Hörsäle allwöchentlich unter dem Motto #FridaysForFuture auf die Straßen gehen.

In Berlin, wo es am 25.1.19, dem Tag der Verhandlung der Kohlekommission, eine Demonstration von mehr als 5000 Jugendlichen gab, wurde dem BMWi ein Brief übergeben: „Wir jungen Menschen wissen, dass wir längst keine Zeit mehr für politisches Hinhalten haben.“

Nach Veröffentlichung des sogenannten „Kohlekompromisses“ wurde eine Petition gestartet: „Der Kompromiss der Kohlekommission setzt unsere Zukunft aufs Spiel. 2038 ist #KeinKonsens. Wir fordern einen Ausstieg aus der dreckigen Kohleverstromung vor 2030!“ Ich gebe diesem Anliegen ausdrücklich Recht. Es ist ein fauler Kompromiss. Kein Konsens!

An der Stelle sind nun auch unsere technischen Argumente einzubringen. Die erneuerbaren Energien lieferten 2018 bereits 40% des elektrischen Stroms. Es ist technisch möglich, in zehn Jahren auf 100% zu kommen – mittels Leistungselektronik. Leistungselektronische Systeme können Energiespeicher regulieren, ebenso wie sie es ermöglichen, dass Regenerative Erzeuger zur Netzstabilisierung beitragen. Eine auf Leistungselektronik basierende Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) kann wesentlicher Beitrag für eine sichere Versorgung auch bei Dunkelflauten sein, so sie großräumig europaweit genutzt wird.

Die technisch führenden Firmen bei leistungselektronischen Umrichtern für HGÜ sind derzeit Siemens und ABB. Die Realisierung der effektiven auf IGBT-Umrichtern basierenden Technologie erfolgt aber vor allem in China. In Deutschland kommen als nächstes nur kleine Projekte: eine Leitung nach Baden-Württemberg, eine nach Belgien, und beide starten im rheinischen Braunkohlerevier; mit erneuerbarer Energie haben sie wenig zu tun.

Der wachsende Einsatz der erneuerbaren Energien wird also ausgebremst – kürzlich im Dezember 2018 mit dem „Energiesammelgesetz“ fortgesetzt. Das EnSaG sieht eine Absenkung der Vergütung von Aufdach-Photovoltaikanlagen zwischen 40 und 750 kW um 20% vor. Ab dem 1. April 2019 werden dann nur noch 8,9 Cent pro Kilowattstunde vergütet werden. Just in diese Leistungsklasse fällt ein Großteil der im Rahmen von Mieterstromprojekten durch Bürgerenergiegesellschaften realisierten Anlagen, die u.a. auf den Dächern größerer Mietshäuser und Einkaufszentren vorgesehen sind. Dabei können gerade sie einen besonders umweltschonenden Beitrag zur 100%ig erneuerbaren Stromversorgung leisten; noch dazu ohne eine Beeinträchtigung der Landschaft zu bewirken.

Angesichts all dessen klimaschädlichen Braunkohlestrom weiterzuführen und erneuerbaren Strom zu behindern – gegen diese Politik ist Rebellion gerechtfertigt. Wir Elektrotechniker sind gehalten, das Engagement der Jugendlichen mit unserer technischen Kompetenz zu unterstützen.

Es ist auch völlig richtig, grundsätzliche Fragen aufzuwerfen. Bei den dringend erforderlichen wirksamen Gegenmaßnahmen gegen die bereits einsetzende Klimakatastrophe geht es um die Überlebensfähigkeit der Menschheit. Der „Club of Rome“ ist bekannt für Zukunftsprognosen. Sein Mitglied Karl Wagner prognostizierte eine Revolution in den 2020ern: „Die Geduld der jungen Generation wird enden. Sie wird nicht länger bereit sein, die Zerstörung der Umwelt zu dulden.“ Ist die derzeitige weltweite Bewegung der Schüler ein Vorbote? Jedenfalls dürfen wir die Jugendlichen nicht alleine lassen. Auch die erwachsene Generation hat eine Verantwortung für die Zukunft; und auch ihr Geduldsfaden ist angespannt.

(ID:45715995)