Hochentropie-Oxide – Wie Unordnung Batterien stabilisiert

Redakteur: Dipl.-Ing. (FH) Thomas Kuther

Hochentropie-Oxide können die Speicherkapazität und Zyklenfestigkeit von wiederaufladbaren Batterien wesentlich verbessern. Doch welche Rolle spielt dabei die ungeordnete Verteilung und wie wirken sich die Oxide auf elektrochemische Eigenschaften aus?

Anbieter zum Thema

Hochentropie-Oxide (HEO) eröffnen neue Möglichkeiten für die reversible Energiespeicherung.
Hochentropie-Oxide (HEO) eröffnen neue Möglichkeiten für die reversible Energiespeicherung.
(Bild: Clipdealer)

Eine nachhaltige Energieversorgung verlangt zuverlässige Energiespeicher. So ist die Nachfrage nach wiederaufladbaren elektrochemischen Energiespeichern für stationäre und mobile Anwendungen in den vergangenen Jahren stark gestiegen und wird zukünftig weiter wachsen. Wichtige Eigenschaften einer Batterie sind unter anderem ihre Speicherkapazität und ihre Zyklenfestigkeit, das heißt die Zahl der ohne Kapazitätsverlust möglichen Lade- und Entladevorgänge.

Dabei verspricht eine völlig neue Klasse von Materialien, die Hochentropie-Oxide (high entropy oxides – HEO), dank ihrer besonderen Stabilität wesentliche Verbesserungen. HEO eröffnen darüber hinaus die Möglichkeit, über eine Änderung ihrer Zusammensetzung elektrochemische Eigenschaften maßzuschneidern. Wissenschaftler haben nun erstmals die Eignung von HEO als Konversionsmaterialien zur reversiblen Lithiumspeicherung gezeigt.

Hochentropie-Oxide (HEO) eröffnen neue Möglichkeiten für die reversible Energiespeicherung: Das aktive Material, untersucht mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM) und energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX).
Hochentropie-Oxide (HEO) eröffnen neue Möglichkeiten für die reversible Energiespeicherung: Das aktive Material, untersucht mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM) und energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX).
(Bild: Nature Communications)

500 Ladezyklen ohne signifikanten Kapazitätsverlust

Konversionsbatterien, die auf elektrochemischer Materialumwandlung basieren, erlauben eine Erhöhung der gespeicherten Energiemenge bei gleichzeitiger Verringerung des Batteriegewichts. Mit HEO fertigten die Wissenschaftler konversionsbasierte Elektroden, die mehr als 500 Ladezyklen ohne signifikanten Kapazitätsverlust überstehen. Ihre Arbeit stellen sie in der Zeitschrift Nature Communications vor.

Die Forschungsgruppe „Nanostructured Materials“ um Professor Horst Hahn, Direktor des INT des KIT, gehört zu den Pionieren der Erforschung von Hochentropie-Oxiden. Von den Karlsruher Forschern stammen einige der noch raren Publikationen über die neuartigen Materialien, die erst seit wenigen Jahren bekannt sind. Die besonderen Eigenschaften der HEO basieren auf Entropiestabilisierung; darin sind sie mit den bereits bekannteren Hochentropie-Legierungen vergleichbar.

Bei entropiestabilisierten HEO handelt es sich um komplexe Oxide, die fünf oder mehr verschiedene Metallkationen in gleicher Menge enthalten und eine einphasige Kristallstruktur aufweisen. Auch wenn die typischen Kristallstrukturen der einzelnen Elemente sich deutlich voneinander unterscheiden, bilden diese ein gemeinsames Gitter, wobei sie sich ohne erkennbare Ordnung auf die Positionen im Kristall verteilen. Diese Unordnung – fachsprachlich als hohe Entropie bezeichnet – stabilisiert das Material, vermutlich unter anderem deshalb, weil sie das Wandern von Fehlern im Kristallgitter erschwert.

Elektrochemische Verhalten – Jedes einzelne Element wirkt sich individuell aus

„Dank der hohen Stabilität, der Interaktionen zwischen den verschiedenen Metallkationen und der Vielzahl der denkbaren Elementkombinationen eröffnen HEO bisher ungeahnte neue Möglichkeiten“, erklärt Professor Horst Hahn. Die nun in Nature Communications präsentierte Studie konzentrierte sich auf HEO auf der Basis von Übergangsmetallen (transition-metal-based high entropy oxides – TM-HEO), die sich durch eine hohe Lithiumionen-Leitfähigkeit auszeichnen. Anhand von Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) untersuchten die Forscher die Struktur der TM-HEO und ihren Einfluss auf die Konversionsreaktion.

Sie stellten fest, dass die Entfernung nur eines Elements die Entropie herabsetzt und die Zyklenfestigkeit verschlechtert. Jedes einzelne Element wirkt sich individuell auf das elektrochemische Verhalten der TM-HEO aus, sodass sich die Materialien für verschiedene Anforderungen maßschneidern lassen. Mithin ergibt sich ein modularer Ansatz zur systematischen Entwicklung von Elektrodenmaterialien. „Unsere Studie hat gezeigt, dass entropiestabilisierte HEO sich deutlich von klassischen Konversionsmaterialien abheben“, erklärt Horst Hahn. „Um ihr volles Potenzial für Energiespeicheranwendungen zu erschließen, bedarf es allerdings weiterer Forschungsarbeiten.“

(ID:45547552)