Gute Aussichten Globaler Halbleitermarkt wächst kräftig
Beschleunigte Digitalisierung und grüne Transformation haben den Halbleitermarkt in den letzten Monaten beflügelt – und werden dies auch weiterhin tun. Davon ist der ZVEI überzeugt. Gleichzeitig fordert der Brachenverband viel größere Anstrengungen, um das Ziel der Europäischen Kommission – 20 Prozent Marktanteil bis 2030 – erreichen zu können.
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Die neuste Analyse des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI zeigt deutlich: Der Halbleitermarkt hat sich von seinem Einbruch 2018/19 erholt und steuert auf neue Rekordmarken zu. So habe der weltweite Halbleitermarkt im laufenden Jahr zwischen 21 und 27 Prozent zugelegt, sagt Stephan zur Verth, Vorsitzender der ZVEI-Fachgruppe Halbleiter-Bauelemente im Pressegespräch. Konkret würden die Umsätze auf 533 bis 559 Milliarden US-Dollar steigen. Als Treiber hat der ZVEI primär die beschleunigte Digitalisierung und die „grüne Transformation mit ihrer großen Nachfrage nach CO2-mindernden Technologien“ ausgemacht.
Auch das Sorgenkind des Verbands, der europäische Markt, habe sich 2021 sehr gut entwickelt: Unter dem Strich wachse dieser im laufenden Jahr um rund 20 Prozent auf 45 Milliarden US-Dollar. Ähnlich sei die Entwicklung in Deutschland: Hier verzeichne der Markt ebenfalls ein hohes Umsatzwachstum von etwa 20 Prozent auf 14 Milliarden US-Dollar.
Europas Chipmarkt wächst schnell – aber nicht schnell genug
Einzig: Trotz eigentlich erfreulichen Werten liegt die Wachstumsrate unter der weltweiten Entwicklung. Die Folge: Der Anteil Europas am Weltmarkt sinkt weiterhin, wenn auch derzeit nur gering. Zur Verth macht klar: Wenn Europa seine „sehr ambitionierten Ziele“ erreichen will – im Plan steht ein Weltmarktanteil von 20 Prozent – ist das nur mit erheblichen Anstrengungen möglich. Dazu zählen ohne Frage massive Subventionen, die auch ausländischen Chipherstellern und Prozessexperten ein Engagement in Europa schmackhaft machen. Der ZVEI hat dazu ein dreistufiges Konzept vorgelegt, dass kurz-, mittel- und langfristige Handlungsoptionen beschreibt.
Für das nächste Jahr gibt der ZVEI eine optimistische Prognose für den weltweiten Halbleitermarkt: Laut zur Verth ist eine Zunahme der weltweiten Umsätze von vier bis zehn Prozent auf 556 bis 615 Milliarden US-Dollar möglich. „In Europa gehen wir von plus acht Prozent auf 49 Milliarden US-Dollar aus“, sagt der Branchenexperte.
Europa im weltweiten Vergleich
Um die Position Europas im Vergleich zu den USA und China zu bestimmen, erklärt zur Verth die Chipherstellung in Bezug auf Standort der Halbleiterfabrik (Fab), Design und Entwicklung von Chips sowie die Elektronikproduktion, bei der Chips verbaut werden. So werden etwa 23 Prozent aller Chips in Fabriken produziert, die in China stehen, doch handelt es sich hierbei größtenteils nicht um chinesische Firmen. Knapp 8 Prozent aller Chips werden am Standort Europa gefertigt und rund 10 Prozent in den USA.
Weltweit werden 50 Prozent aller Chips von US-Unternehmen designt und entwickelt. Dagegen werden nur 5 Prozent aller Chips von chinesischen Unternehmen designt und entwickelt. Zwar ist der chinesische Anteil am Welthalbleitermarkt bezüglich Design und Entwicklung gering, doch er wächst schnell. Europa besitzt mit einem Anteil von 9 Prozent aktuell noch einen nahezu doppelt so hohen Anteil wie China.
Hinsichtlich der Elektronikproduktion handelt es sich bei China tatsächlich um den weltweit größten Zielmarkt für Halbleiterbauelemente, denn etwa jeder dritte Chip wird dort verbaut. Im Gegensatz dazu liegt der Anteil Europas an den weltweiten Halbleiter-Abnehmermärkten nur bei 9 Prozent.
Kommende Regierung will Schlüsselbranche Mikroelektronik fördern
Positiv ist aus Sicht des ZVEI, dass die Koalitionsvereinbarung der kommenden Regierung die bedeutende Rolle der Halbleiterindustrie anerkennt und die Mikroelektronik als bedeutende Schlüsseltechnologie fördern will. Allerdings müsse der Ankündigung schnelles Handeln folgen. „Nur dann gehören Deutschland und Europa auch in Zukunft zu den weltweit sieben in der Halbleiterbranche aktiven Regionen“, erklärt zur Verth.
Gleichzeitig macht er klar: Für den aktuellen Versorgungsengpass gibt es keine kurzfristige politische Lösung. Der Grund: Die Halbleiterfertigung ist extrem komplex. Allein das Design der Chips dauert oft ein bis drei Jahre, deren Produktion vom Halbleiter-Einkristall bis zum fertig gehäusten Chips noch einmal bis zu einem Dreivierteljahr.
„Sollen in einem vorhandenen zertifizierten Reinstraum neue Kapazitäten geschaffen werden, dauert die Einrichtung zwischen 12 bis 24 Monate“, erklärt zur Verth. Reicht das nicht, müssen neue Halbleiterfabriken her. Deren Neubau dauert von der Planung bis zur Inbetriebnahme oft über vier Jahre und kann ohne weiteres mehr als 20 Milliarden US-Dollar verschlingen.
Lieferschwierigkeiten bei Fab-Ausrüstern – es fehlen Chips
Immer vorausgesetzt, die erforderlichen, sehr teuren Prozessmaschinen sind lieferbar – was derzeit nicht der Fall ist: Hersteller wie der weltweite Marktführer ASML melden aktuell Lieferzeiten von bis zu 24 Monaten. Der Grund könnte ironischer nicht sein: Es fehlen oft schlicht die Chips, um die Maschinen fertigzubauen. „Hier beißt sich die Katze in den Schwanz“, vesinnbildlicht zur Verth.
Wichtig sei daher die Konzentration auf mittelfristige Projekte wie IPCEI (Important Project of Common European Interest) für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien. Es müsse jetzt darum gehen, die technologische Souveränität Europas langfristig zu sichern. Dafür müssen vor allem die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verbessert werden.
„Der ZVEI hat von Beginn an am IPCEI mitgearbeitet und setzt sich momentan dafür ein, dass das Projekt Fahrt aufnimmt. Vorhaben wie IPCEI, der European Chips Act, die europäische Industrieallianz für Prozessoren und Halbleitertechnik müssen schnellstmöglich angegangen werden, damit wir in Deutschland und Europa ein attraktives Investitionsklima gestalten können“, so zur Verth. Leider gehe es bislang noch nicht mit dem nötigen Tempo vorwärts, bedauert der Experte.
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Anhaltend hohe Nachfrage
Mangel als Treiber: Chiphersteller erhöhen Preise
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