Industrielle Kommunikation Gigabit Ethernet im Automatisierungs-Netzwerk
In der Automatisierungstechnik wird für künftige Maschinen- und Anlagenkonzepte die Kommunikation über Gigabit Ethernet populär. Wir legen die Herausforderungen bei den Lösungsansätzen dar.
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In der Automatisierungstechnik wird heute zur Kommunikation der Geräte untereinander Industrial Ethernet mit großem Erfolg eingesetzt. Moderne Automatisierungslösungen wachsen über die klassischen Geräte und Steuerungen hinaus.
So werden beispielsweise Kameras zur Qualitätsinspektion, Server zur Dokumentation von Qualitätsdaten sowie Scanner zur Identifizierung von Bauteilen eingesetzt. Meist benötigen diese Geräte höhere Datenübertragungsraten. Eine weitere Aufgabenstellung ist häufig die Kommunikation der Automatisierungstechnik mit den Systemen der Fabriksteuerung und der Leittechnik zur Übermittlung der Aufträge und des Bearbeitungsstandes. Hierfür sind oftmals Datenübertragungsraten von mindestens 1 GBit/s erforderlich.
Populäre Industrial-Ethernet-Systeme mit 100 MBit/s basieren heute auf dem Fast-Ethernet-Standard 100Base-T gemäß IEEE 802.3. Dieser beschreibt eine Vollduplex-Übertragung auf zwei Aderpaaren oder einem Sternvierer. Gigabit Ethernet nach 1000Base-T benötigt jedoch vier Aderpaare.
Für beide Übertragungsverfahren werden Komponenten mit mindestens der Qualität Cat.5 benötigt. Ethernet erlaubt bereits heute eine Datenübertragung mit 10 GBit/s nach dem Standard 10GBase-T, wofür ebenfalls vier Aderpaare – jedoch mit der Qualität
Cat.6A – benötigt werden.
Generische oder applikationsspezifische Verkabelung
Um die industrielle Kommunikationsverkabelung nun für Gigabit Ethernet zu ertüchtigen, gibt es zwei prinzipielle Ansätze. Entweder kann man die generische Verkabelung nach ISO/IEC 24702 einsetzen, oder die applikationsspezifische Verkabelung der Feldbusorganisationen erweitern. Die für den Industriebereich entwickelte Variante der generischen Verkabelung nutzt das Modell der Referenzinstallation, das aufgrund seiner leichten Planbarkeit in der Regel in der Gebäudeinstallation verwendet wird und bis 10 GBit/s vollständig definiert ist.
Das Modell besagt, dass beim Einsatz bestimmter Komponenten sowie bei der Einhaltung von definierten Längenverhältnissen und deren Anordnung eine bestimmte Übertragungsgüte erreicht wird. Zum Beispiel erhält man mit Cat.5-Komponenten einen Class-D-Channel, der sich für die Übertragung von Fast- und Gigabit-Ethernet eignet (Bild 1). Abweichungen von diesem Modell, wie sie in der industriellen Praxis häufig auftreten, sind zwar theoretisch möglich, aber nur mühsam zu berechnen. Daher eignet sich diese Verkabelungsart lediglich für die Bereitstellung einer Basisinfrastruktur in einer Fertigungshalle – nicht aber für die Kommunikationsverkabelung innerhalb von Maschinen und Anlagen.
Mit einer erweiterten applikationsspezifischen Verkabelung lassen sich die obigen Einschränkungen aufheben. Feldbus-Organisationen erlauben auf Systemebene flexible Topologien und eine vereinfachte Auslegung der Verkabelung zwischen den aktiven Geräten mit einfachen Regeln.
Möglich wird dies durch ein durchdachtes System aufeinander abgestimmter Komponenten und Auslegungsregeln, das genau zu den übertragungstechnischen Anforderungen und Umweltbelastungen des jeweiligen Systems passt.
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High-Speed-Steckverbinder
Feldkonfektion ist ein Muss
Dieses Vorgehen ist für anwendungsspezifische Netzwerke sinnvoll, da die Applikation festliegt und während der Nutzungsdauer des Systems nicht geändert wird.
Bislang galt dies für die Industrial-Ethernet-Systeme mit 100 MBit/s nach 100Base-T, die eine 2-paarige oder eine mit einem Sternvierer aufgebaute Leitung benötigen. Aktuelle Richtlinien der Feldbuskonsortien berücksichtigen jedoch zunehmend auch eine für Gigabit Ethernet geeignete Verkabelungsinfrastruktur.
Hierbei versucht man, die Vorzüge der bisherigen Verkabelungstechnik – aufeinander abgestimmte Komponenten, einfache Installation im Feld, hohe Immunität gegenüber EMV-Einflüssen – weiterhin zu unterstützen. Dazu muss man sich die Unterschiede zwischen Fast- und Gigabit Ethernet vergegenwärtigen.
Anforderungen an die Steckverbinder RJ45 und M12
Die Anzahl der Aderpaare ist offensichtlich und bedingt eine 4-paarige Leitung – statt zwei Paare oder einem Sternvierer. Theoretisch ist auch eine Leitung mit zwei Sternvierern denkbar, welche aber nicht in einem runden Außenmantel unterzubringen ist und daher ausscheidet.
Für 4-paarige Verkabelungen hat sich heute die Farbcodierung nach TIA 568 in den Varianten A oder B durchgesetzt, so dass spezifische Farbcodierungen der Konsortien hier nicht mehr notwendig sind.
Neben den Leitungen müssen auch die Steckverbinder für vier Paare ausgelegt sein. Beim RJ45 nach IEC 60603-7 ist dies von vornherein gegeben und auch die Aderbelegung ist durch die TIA-Normen definiert. Dies gilt auch für alle geschützten Varianten des RJ45 nach IEC 61076-3-X, wobei X die Konsortium-spezifische Nummer darstellt.
Anders ist es beim Rundsteckverbinder M12, wo bislang die 4-polige Ausführung mit D-Codierung für Fast Ethernet eingesetzt wurde. Für die 4-paarige Verkabelung wird auch hier ein 8-poliger Steckverbinder benötigt, der mit der neu entwickelten und nach IEC 61076-2-109 genormten Ausführung in X-Codierung auch hier zur Verfügung steht.
Die Immunität gegenüber externen Störungen ist ein wichtiger Faktor für den störungsfreien und zuverlässigen Betrieb automatisierungstechnischer Netzwerke. Erschwerend kommen die zunehmend geringeren Spannungsabstände der Signal-
codierung und höheren Frequenzen bei Gigabit Ethernet hinzu (Bild 2).
Maßstab für die Störungsimmunität ist die Kopplungsdämpfung, die in der Automatisierungstechnik einen Wert von 80 dB erreichen sollte. So wird auch die Trennklasse „d“ nach EN 50174-2 erreicht – damit können Kommunikationsleitungen direkt neben Leistungsleitungen verlegt werden. Dies ist ein wichtiges Kriterium bei engen Platzverhältnissen und Leitungspaketen – etwa an Robotern.
Störungen in Adernpaaren weitgehend vermeiden
Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Störungsempfindlichkeit sind nicht mit ihrer Impedanz abgeschlossene Adernpaare in Leitungen (Bild 3). Aus Sicht der Signaltheorie sind Adernpaare immer mit ihrem Wellenwiderstand an den Enden abzuschließen, damit sich keine Reflexionen des eingespeisten Signals auf dem Adernpaar ausbreiten können. Gleiches gilt für Störungen, die durch elektromagnetische Effekte extern auf das Adernpaar eingekoppelt werden.
Durch einen korrekten Abschluss wird die eingekoppelte Energie absorbiert, sie kann sich dann nicht mehr auf dem Adernpaar ausbreiten und benachbarte Adernpaare stören. Kritisch sind nun Geräte, die zwar einen 4-paarigen Anschluss per RJ45 suggerieren, aber intern nur eine 2-paarige Beschaltung für Fast Ethernet beinhalten. Mit Konformitätstests sorgen die Konsortien dafür, dass nur Geräte als geeignet bezeichnet werden, die vollständig geeignete Abschlussbeschaltungen haben.
Diese Problematik kann auch dann auftreten, wenn ein Kabelsegment in der Mitte 4-paarig ausgeführt ist und der Channel an beiden Enden mit einer 2-paarigen Verkabelung fortgeführt wird. In diesem Fall ist eine in den Geräten vorhandene Abschlussbeschaltung nicht mit den zwei ungenutzten Paaren verbunden, wodurch diese dann Störungen in die zwei anderen Paare einkoppeln können. Aus diesem Grund empfehlen Fachleute immer durchgehend 2- oder 4-paarig zu verkabeln und auf eine Mischverkabelung zu verzichten.
Mit der 4-paarigen Gigabit-geeigneten Verkabelungstechnik eröffnen sich zukunftsweisende Möglichkeiten. So können leistungsfähige Geräte aus dem IT-Umfeld zur automatisierungstechnischen Gesamtlösung beitragen. Die robuste und einfache Installationstechnik wird dabei für den Industriebereich übernommen.
Geräte und Kommunikationsstrukturen werden logisch und physikalisch integraler Bestandteil der gesamten Automatisierungslösung. Mit dem umfangreichen Steckverbinderangebot von Phoenix Contact werden diese Konzepte heute schon auf einfache Weise umgesetzt und zuverlässig betrieben.
* Dipl.-Wirt.-Ing. Bernd Horrmeyer ist Fachreferent für Standardisierung bei Phoenix Contact in Blomberg.
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