20 Jahre Swissbit Erfolg durch Fokussierung auf innovative Industrieprodukte
Mit einem mutigen Abschied vom DRAM-Geschäft und der Fokussierung auf hochwertige Flash-Industrieprodukte hat sich Swissbit im Markt für Speicher-, Security- und Embedded-IoT-Lösungen fest etabliert. Im Gespräch mit ELEKTRONIKPRAXIS blickt Firmenchef Silvio Muschter zurück auf 20 bewegte Jahre Unternehmensgeschichte und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.
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Juli 2001: Die Wirtschaftswelt kämpft mit den teils krassen Folgen der geplatzten Dotcom-Blase. Just in dieser turbulenten Zeit übernehmen einige mutige Manager das Speichermodulgeschäft der Siemens AG Schweiz per Management-Buyout und gründen daraus ein eigenständiges Unternehmen: Swissbit. Nach aufregenden Anfangsjahren, mutigen Entscheidungen und einer klaren Fokussierung hat sich das Unternehmen heute als erfolgreicher Hersteller für industrielle Speicher-, Security- und Embedded-IoT-Lösungen etabliert.
Im Gespräch mit ELEKTRONIKPRAXIS lässt Silvio Muschter, CEO der Swissbit Gruppe, die letzten 20 Jahre seit der Gründung Revue passieren – und erklärt, wie er das Unternehmen mit seiner neuen Produktionsstätte in Berlin und innovativen Produkten für eine erfolgreiche Zukunft ausrichtet.
Turbulenter Start mit DRAM-Modulen
Los ging es mit dem Consumer-Geschäft: Swissbit belieferte zum Beispiel PC-Hersteller mit DRAM-Modulen aus eigener Fertigung. Darüber hinaus entwickelte und produzierte Swissbit auch USB-Sticks und Wechselkarten wie CompactFlash (CF).
Doch die PC-Verkäufe waren bald rückläufig, und durch weltweite Produktionsüberkapazitäten hatte ein heftiger Preiskampf bei DRAM-Modulen eingesetzt – dem Hauptgeschäft von Swissbit. „Wir mussten uns umorientieren“, bilanziert Muschter, „und haben uns zu 100 Prozent auf den Industriebereich konzentriert.“ Dieser Moment sei so etwas wie die Geburtsstunde der heutigen Swissbit AG gewesen.
2003 ergriff Swissbit die Chance, durch den Kauf einer auf Chip-on-Board und Spezialmodule fokussierten Firma eine Niederlassung in Berlin zu eröffnen – und damit einen neuen Fertigungsstandort aufzubauen. Noch bis 2008 lief die Produktion in der Schweiz, seitdem erfolgt die Fertigung ausschließlich in Berlin. Hier investierte man 2018 in den Aufbau einer hochmodernen neuen Fabrik, die schließlich Ende 2019 eröffnet wurde und die Produktionskapazität rund verdreifachte. Der Hauptsitz von Swissbit ist weiterhin in Bronschhofen in der Schweiz.
Solange DRAMs einen großen Teil des Portfolios ausmachten, war Swissbit dem launischen Speicherriegel-Markt ausgesetzt. Hinzu kam, dass eine Differenzierung für Swissbit immer schwieriger wurde: „Das war letztlich nur noch eine Logistikleistung“, sagt Muschter im Rückblick, „dafür können Anwender aber auf die Standards der Semicons zugreifen, sprich: Standardbauteile einsetzen.“
Fokussierung auf hochwertige Industrieprodukte: „Das können wir besser!“
Der Industrial-Speichermarkt war damals noch nicht so groß wie heute, die verbauten Speicherkapazitäten etwa in einer SPS meist nur klein. Doch es war absehbar, dass dies nicht so bleiben würde. Hinzu kam, dass die Module anderer Hersteller Qualitätsprobleme hatten und dem harten Industriealltag nicht gewachsen waren.
„Da haben wir gesagt: Das können wir besser!“, sagt Muschter. Swissbit konzentrierte sich fortan auf besonders hochwertige Speicher-Module. Der eingeschlagene Weg machte sich bezahlt: „Durch die Fokussierung haben wir schnell neue Kunden gewonnen und unser Unternehmen gestärkt“, blickt der CEO zurück. Doch die Marktsituation änderte sich rasant.
Als die DRAM-Preise Mitte der 2010er Jahre erneut in einen drastischen Sinkflug übergingen, musste eine weitreichende Entscheidung her: Muschter zog mit seinem Team 2017 mutig einen Schlussstrich unter das DRAM-Geschäft. Aus heutiger Sicht sei das genau die richtige Entscheidung gewesen: „So konnten wir die frei gewordenen Ressourcen in der Entwicklung und Fertigung auf die anderen Unternehmensbereiche fokussieren.“
Ausbau und Bündelung der Security-Kompetenzen
2013 hatte Swissbit begonnen, vorhandene Security-Kompetenz in einem eigenen Geschäftsbereich zu bündeln. Außerdem erweiterte man das Produktspektrum um Solid-State-Discs (SSD). „Wir hatten bereits umfangreiche Security-Kompetenz erarbeitet“, sagt Muschter, „allerdings kam dieses Wissen überwiegend individuell in Kundenprojekten zur Anwendung. So haben wir beispielsweise microSD-Karten als Sicherheitsanker für die Sprachverschlüsselung in sensiblen Kommunikationsinfrastrukturen geliefert, mit denen abhörsichere Handys realisiert werden konnten.“ Letztlich erweiterte Swissbit seinen Fokus und überführte die Security- in die „Embedded IoT Solutions“-(EIS-)Division, „die mittlerweile signifikant zum Umsatz beiträgt“.
Heute sei Security der Treiber für Innovation und Diversifikation, doch Swissbit könne mehr: „Wir bieten heute Lösungen mit Security-Funktionen an – aber auch umfassende Security-Lösungen, die bis in die Cloud reichen.“ Mit der eigenen Hardware- und Cloud-TSE für den Fiskalmarkt habe man etwa ein neues Ökosystem für die Umstellung auf manipulationssichere Registrierkassensysteme etabliert und einen völlig neuen Markt aufgebaut.
„Daraus haben wir viel gelernt. Mit diesem Wissen können wir nun auch andere Märkte adressieren“, freut sich Muschter. Dabei gehe es um manipulationssichere Datenspeicherung, Verschlüsselung, sichere Ende-zu-Ende Verbindungen, sicheres Booten, Hardwaresicherheitsanker oder auch sichere Identitäten und zum Beispiel Public Key Infrastrukturen (PKI) – „dieses Geschäft werden wir ausweiten!“. Dafür steht auch das aktuelle Firmenmotto: Store. Secure. Trust.
Übernahme von Hyperstone: Eigene Controller für die Trusted Supply Chain
2020 änderte sich die Aktionärsstruktur, neuer Hauptaktionär wurde die Investmentgesellschaft Ardian. „Ein Glücksgriff, der uns neue Perspektiven eröffnet hat“, sagt Muschter. Durch die Expertise von Ardian und dessen intensive Beratung konnte ein weiterer Meilenstein erreicht werden: die Übernahme des deutschen Controller-Spezialisten Hyperstone. Diese Akquisition sei ein essenzieller Baustein für die Strategie und Zukunft von Swissbit, betont Muschter.
„Durch Hyperstone haben wir jetzt eigene Controller für unsere Speicherlösungen“, erklärt der CEO. Mit dem Unternehmen sei nun ein bewährter Partner an Bord, der weiterhin eigenständig auftrete und eigene Sales-Kanäle bespiele: „Wir können uns in der Produktentwicklung jetzt viel besser abstimmen und die Supply Chain besser managen, was in der aktuellen Krise besonders relevant geworden ist.“, hebt Muschter hervor.
Wie hat sich das Geschäft verändert?
„Früher ist man zu Kunden gefahren und hat Speicherkomponenten verkauft. Heute geht es darum, Lösungen anzubieten“, erklärt Muschter. Daher sei Swissbit häufig bereits in die Vorentwicklung neuer Produkte sehr tief eingebunden, oft bereits in der Konzeptphase dabei.
Die eigenen Produkte könnten Kunden dadurch von Beginn an einen Zusatznutzen bringen – und die Kunden würden auch verstehen, dass es nicht nur um Speicher mit integrierter Encryption Engine geht, „sondern dass da viel mehr hinter steckt – bis hin zur Cloudanbindung“.
Swissbit will Enabler für seine Kunden sein, der von Einzelprodukten bis hin zu Gesamtlösungen alles aus einer Hand bietet, unterstreicht der CEO. Das unterscheide sich deutlich vom klassischen Speichergeschäft. Dort seien zusätzliche Dienstleistungen wie Live-Time-Monitoring oder Firmware-Updates wichtig, aber doch begrenzt.
Heute rückt Swissbit seine Trusted Supply Chain weiter in den Vordergrund. „Die sichere Lieferkette wird im Zusammenhang mit Cyber-Security immer wichtiger“, weiß Muschter. Mit den eigenen Security-Produkten könne man nun durchgängig die Supply Chain kontrollieren – für viele Kunden heute ein entscheidender Vorteil.
Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für den schweizer-deutschen Hersteller gegenüber direkten Konkurrenten sei zudem, dass man Wafer direkt verarbeiten könne. „Wir bieten ab dem Wafer über das Packaging bis zur Gesamtlösung alles aus einer Hand an. Auch als OEM.“
Was bringt die Zukunft?
Für die Zukunft arbeitet Swissbit an mehreren Innovationen – etwa Speicherlösungen mit Funktionen, die sich bei Bedarf im Feld aktivieren lassen. „Diese könnten etwa von vornherein in die Firmware des Controllers integriert sein, sich aber erst später freischalten lassen“, erklärt Muschter. So könnten Kunden die IP mitkaufen, bräuchten sie aber erst dann bezahlen, wenn die jeweilige Funktion zum Einsatz käme. Das wäre ein neuer Ansatz bei Speicherprodukten.
„Darüber hinaus arbeiten wir an Produkten, bei denen der Speicher nicht mehr im Fokus steht, sondern nur noch ein Feature ist“, verrät Muschter. Ähnlich wie bei den Smartphones, bei denen Telefonieren nur noch eine Funktion von vielen ist.
Security by Design immer wichtiger
Darüber hinaus arbeitet Swissbit an neuen Packaging-Techniken, die beispielsweise resistenter gegen Reverse Engineering oder Seitenkanal-Angriffe sind. Laut Muschter ist es auch denkbar, diese Expertise als Dienstleister für Fremdprodukte anzubieten.
„Wir sind ISO 27001-zertifiziert – und werden noch stärker als bislang auf das Thema Security by Design setzen“, verrät der Firmenchef. Beispielsweise sollen sämtliche Produkte, die in der geschlossenen Lieferkette mit Hyperstone entwickelt und produziert werden, konsequent dem Security-by-Design-Ansatz folgen.
NAND-Flash bleibt im Fokus
In Punkto Technologie ist Muschter überzeugt, dass Flash auch in den nächsten Jahren die vorherrschende Technik für Speichermedien bleiben wird: „Solange die großen Fabs noch Milliarden in NAND-Flash-Werke investieren, bleibt uns die Technik noch einige Jahre erhalten.“
Eine neue Technologie werde erst dann im großen Stil eingesetzt, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimme. „Und das ist bislang bei Flash einfach noch ungeschlagen.“ Gerade im 3D-Flash-Bereich würde sich aktuell sehr viel tun. Zwar ist mit der 3D-NAND-Technologie die Komplexität und vor allem auch die Herausforderung, Flash durch intelligente Firmware-Algorithmen zuverlässig und industrietauglich zu machen, gestiegen. Dafür sind heute aber deutlich größere Speicherdichten realisierbar. Neuere Speichertechnologien wie MRAM, FRAM oder RERAM sieht er eher in Nischen oder Anwendungen mit weniger Speicherbedarf, wo die Stärken dieser nicht volatilen Speicher einen deutlichen Nutzen erbringen.
„Relevant für die nächsten Jahre ist sicher der Trend hin zu kleineren wechselbaren Formfaktoren wie Micro SD Memory Cards oder SD Express, aber auch zu lötbaren Komponenten, wie eMMC oder NVMe BGAs für die nächsten Generationen unserer Kundenplattformen. PCIe wird langfristig das dominante Interface werden und Security Features werden in Speichersystemen eine wesentliche Rolle spielen.“
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