Eine gedruckte Struktur, die sich selbst überwacht

Redakteur: Dr. Anna-Lena Gutberlet

Durch die Kombination von 3D-Druck mit piezoelektrischen Tinten eröffnen sich neue Freiheitsgrade bei der Entwicklung von Piezoelektrika. Eingesetzt werden können diese in Sensoren, Wearables oder in intelligenten Infrastrukturen.

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Die piezoelektrische Folie wurde 3D-gedruckt und kann nicht nur die Stärke von Stößen messen, sondern diese auch lokalisieren.
Die piezoelektrische Folie wurde 3D-gedruckt und kann nicht nur die Stärke von Stößen messen, sondern diese auch lokalisieren.
(Bild: Virginia Tech)

Bisher sind piezoelektrische Materialien in nur wenigen definierten Formen erhältlich: In einem teuren und komplexen Prozess unter Reinraumbedingungen werden aus spröden Kristallen und Keramiken Folien oder Blöcke hergestellt. Ein neues Verfahren, entwickelt von Forschern um Xiaoy 'Rayne' Zheng, Assistenzprofessor für Maschinenbau am College of Engineering der Virginia Tech, soll es nun möglich machen, die Größe und Form der Piezoelektrika frei zu gestalten.

Ausschlaggebend für die heutige Piezotechnik ist der verwendete natürliche Kristall. Die Orientierung der Atome ist auf atomarer Ebene festgelegt. Zhengs Team hat nun einen Ersatzstoff entwickelt, der den Kristall nachahmt, aber es ermöglicht, die Gitterausrichtung durch ein bestimmtes Design zu verändern. Die Forscher können so sogar die Empfindlichkeit der resultierenden piezoelektrischen Struktur anpassen.

Zhengs Team entwickelte ein Modell, das es ihnen ermöglicht, beliebige piezoelektrische Konstanten durch unterschiedliche 3D-druckbare Topologien zu manipulieren und zu gestalten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Piezoelektrika, bei denen elektrische Ladungsbewegungen durch die intrinsischen Kristalle vorgegeben werden, kann der Anwender mit dem neuen Verfahren Spannungsreaktionen programmieren - und so in jede beliebige Richtung vergrößern, umkehren oder unterdrücken.

3D-Strukturen entstehen mit UV-Licht aus „geschmolzenen Kristall“

„Durch die Programmierung der aktiven 3D-Topologie kann man nahezu jede Kombination von piezoelektrischen Koeffizienten innerhalb eines Materials erreichen und sie als Wandler und Sensoren verwenden, die nicht nur flexibel und robust sind, sondern auch auf Druck, Vibrationen und Stöße in Form von elektrischen Signalen reagieren, die den Ort, die Größe und die Richtung der Stöße an jedem Ort dieser Materialien angeben.“

Die Forscher haben piezoelektrische Tinten – hochkonzentrierten piezoelektrischen Nanokristallen eingebettet in UV-empfindlichen Gelen – synthetisiert. Mit einem hochauflösenden digitalen 3D-Drucker lassen sich aus dem „geschmolzenen Kristall“ komplexe dreidimensionale Strukturen formen – von dünnen Blechen bis hin zu einem steifen Block.

Anwendungen von der Energiegewinnung bis zur intelligenten Infrastruktur

Die Forscher haben die Strukturen zu Wearables verarbeitet, beispielsweise zu einer Einlage für Boxhandschuhe, welche Aufprallkräfte aufzeichnen und so die Gesundheit des Trägers überwachen können. Auch im Bereich Robotik, Energiegewinnung und taktile Sensorik sieht Zheng mögliche Anwendungsbereiche.

Eine intelligente Infrastruktur, welche vollständig aus piezoelektrischem Material besteht, kann Stöße, Vibrationen und Bewegungen nicht nur erfassen sondern auch Lokalisieren. Als Machbarkeitsnachweis hat das Team eine kleine Brücke gedruckt, welche das Gewicht und die Position von herabfallenden Gegenständen erfasst und gleichzeitig robust genug ist, um die Stoßenergie zu absorbieren.

Huachen Cui, Doktorand bei Zheng und Erstautor der in der Fachzeitschrift 'Nature Materials' erschienenen Veröffentlichung erklärt: „Wenn man die Festigkeit einer Struktur überwachen will, muss man viele einzelne Sensoren über die gesamte Struktur verteilen, von denen jeder eine Reihe von Leitungen und Anschlüssen hat. Hier ist die Struktur selbst der Sensor – sie kann sich selbst überwachen.“

Originalveröffentlichung:
H. Cui et al: Three-dimensional printing of piezoelectric materials with designed anisotropy and directional response. Nature Materials, 2019; DOI: 10.1038/s41563-018-0268-1

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