Fusionsanlage ASDEX Upgrade Digitale Zwillinge für Fusionsplasmen
Vorhersage statt Interpretation: Einem Team des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik sind große Fortschritte in Plasma-Modellierung und -Simulation in Fusionsreaktoren gelungen. Auf Basis dieser Ergebnisse lassen sich virtuelle Plasma-Modelle als digitale Zwillinge wirklicher Plasmen realisieren.
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Eine neuartige Transportbarriere in Fusionsplasmen, die den magnetischen Einschluss des Plasmas verbessert, hatte ein Theoretiker-Team des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) mit Hilfe von Simulationen vorhergesagt.
Hervorgerufen durch schnelle Plasma-Teilchen, sollte die Barriere Turbulenzen im Plasma lokal stark unterdrücken können. Eine derartige Barriere, genannt F-ATB (fast ion-induced anomalous transport barrier), könnte die praktische Umsetzung von Fusionsreaktoren weiter vorantreiben.
Auslösemechanismus ist eine elektrostatische Resonanz zwischen supra-thermischen Teilchen, erzeugt durch Ionen-Zyklotron-Resonanz-Heizung, und der Plasma-Mikroturbulenz.
Ein nach entsprechenden Vorgaben geplantes Experiment in der Garchinger Fusionsanlage ASDEX Upgrade bestätigte jüngst diese Prognose: Schnelle Teilchen, die durch die zielgenau eingesetzte Heizung des Plasmas mit Radiowellen erzeugt wurden, ließen im Zentrum des Plasmas einen Bereich mit den erwarteten verbesserten Einschlusseigenschaften entstehen.
Theorie in der Praxis bestätigt
„Dieser große Erfolg der Theorie“, sagt Professor Frank Jenko, Leiter des Bereichs Tokamaktheorie im IPP in Garching, „ist nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, wie dramatisch sich Plasma-Simulationen und -Modellierungen in den letzten Jahren verbessert haben.“
Künftig sind virtuelle Plasma-Modelle als digitale Zwillinge wirklicher Plasmen denkbar. Da die Computerleistung stark gestiegen ist, lässt sich mit ausgefeilten Modellen die komplexe Plasmaphysik inzwischen rechnerisch gut beschreiben.
Möglich werden damit quantitative Vorhersagen – ein „Riesenfortschritt“ im Vergleich zu den vergangenen zwanzig Jahren: „Statt wie früher bloße Interpretation von Messdaten“, so Jenko, „liefern Theorie und Simulation inzwischen auf vielen Themenfeldern Modelle mit verlässlicher Vorhersagekraft“.
Darüber hinaus kann die Simulation bislang getrennt experimentell untersuchte Erscheinungen – wie die Physik schneller Teilchen und die Turbulenz – jetzt im Supercomputer zusammenbringen und so immer komplexere Zusammenhänge aufklären.
Im europäischen Fusionsprogramm, das durch das EUROfusion-Konsortium koordiniert wird, will man die neuen Möglichkeiten nutzen, um den Betrieb des internationalen ITER-Experiments und den Entwurf des nachfolgend geplanten Demonstrationskraftwerks DEMO optimal vorzubereiten.
Fusion: Europaweit abgestimmtes Arbeitsprogramm zu Schlüsselfragen
Mit strategisch ausgewählten Projekten gibt dazu die E-TASC-Initiative (EUROfusion - Theory and Advanced Simulation Coordination) diesem Teil der Forschung eine neue Struktur. Ein europaweit abgestimmtes Arbeitsprogramm zu offenen Schlüsselfragen in Theorie, Simulation, Verifizierung und Validierung soll – unterstützt durch neu zu entwickelnde Standard-Software – die Entwicklung der Vorhersagekraft in Plasmaphysik, Materialwissenschaft und Ingenieurwesen vorantreiben.
„Das ehrgeizige Ziel, das wir mit E-TASC verfolgen, sind virtuelle Plasma-Modelle als digitale Zwillinge wirklicher Plasmen“, erklärt Jenko, einer der beiden Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats von E-TASC. Zu diesem „Plasma im Computer“ sollen schrittweise Modelle weiterer DEMO-Teilsysteme hinzukommen, um nach und nach eine möglichst umfassende digitale Entwurfs- und Simulationsfähigkeit für das Kraftwerk aufzubauen.
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