Das Constraint Management ist im PCB Design entscheidend

Von Dirk Müller * |

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Design-Iterationen verursachen hohe Kosten während der PCB-Entwicklung. Bleiben Design-Fehler bis zur PCB-Produktion verborgen, sind die Folgekosten immens. Der Constraint Manager deckt verborgene Fehler auf.

Bild 1: Alle Regeln werden an der Spitze der Hierarchie einmal definiert und in alle Ebenen weitergegeben.
Bild 1: Alle Regeln werden an der Spitze der Hierarchie einmal definiert und in alle Ebenen weitergegeben.
(Bild: FlowCAD)

Das Ziel einer effizienten Entwicklung ist „First Time Right“, also von Anfang an Fehler zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen. Die zusätzlichen Kosten, die ein spät im CAD Flow geprüftes und korrigiertes Problem verursachen, lassen sich ohne Aufwand einsparen. Es gibt keinen Zeitverlust durch redundante sowie eventuell fehlerhafte Entwicklung und die Eingabe von Regeln als Properties. Die Anzahl der Design-Regeln und die anschließende regelkonforme Umsetzung steigert die Qualität des Designs und vermeidet zusätzliche Kosten sowie Zeitverlust durch Redesigns, Prototypen und Tests.

Durch fortschreitende Miniaturisierung in der Elektronik und eine höhere Funktionsdichte sowie wachsende Anforderungen an die Zuverlässigkeit einer Leiterplatte steigt die Anzahl der Design-Regeln exponentiell an. Darüber hinaus sind Design-Vorgaben komplexer und umfangreicher geworden und widersprechen sich sogar teilweise gegenseitig. Die Toleranzen der Design-Regeln werden mit jedem Technologiesprung enger. Kleinste Verletzungen der Vorgaben können heute schon dazu führen, dass eine Schaltung nicht mehr zuverlässig funktioniert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entwicklungszeiten immer kürzer werden. Leiterplattenentwicklungen mit tausenden zu beachtenden Regeln sind mittlerweile keine Seltenheit und können ohne Softwareunterstützung nicht mehr effizient umgesetzt werden. Daher hat die effektive Verwaltung und Einhaltung der Design-Regeln eine Schlüsselposition in der Leiterplattenentwicklung eingenommen.

Moderne Layout-Systeme verfügen über einen Constraint Manager mit integriertem Design Rule Check. Verstößt der Designer gegen eine Regel, wird er durch eine Fehlermarkierung ähnlich der Rechtschreibkorrektur in der Textverarbeitung in Echtzeit auf den Verstoß hingewiesen und kann den Fehler sofort korrigieren.

Das komplexe Regelwerk, sein Sinn und der Nutzen

Unter Design-Regeln (Design Rules) versteht man die Vorgaben für das Layout von Leiterplatten. Physikalische Vorgaben kommen aus der Fertigung, Bestückung und dem Test. So gibt es minimale Abstände und Leiterbahnbreiten, die nicht unterschritten werden dürfen, da kleinere Strukturen im chemischen Ätzprozess nicht aufgelöst werden können. Eine Herstellung ist in dem Fall nicht sichergestellt und es kann zu Kurzschlüssen und Unterbrechungen kommen. Weitere Regeln aus der Fertigung sind minimale Abstände von Bohrung zu Bohrung, Abmessungen für Restringe oder Abstände zu Fräs- oder Ritzkanten. Diese Abstände sind abhängig vom verwendeten Fertigungsprozess und den eingesetzten Maschinen.

Bild 2: Dynamische Anzeige des Laufzeit DRC-Fehlers. Im rechten Bild ist dieser Fehler behoben.
Bild 2: Dynamische Anzeige des Laufzeit DRC-Fehlers. Im rechten Bild ist dieser Fehler behoben.
(Bild: FlowCAD)

Neben den physikalischen Abständen kommen auch elektrische Vorgaben hinzu. Etwa sind bei höheren Spannungen größere Abstände zwischen zwei Leitungen notwendig, die ein Überschlagen als Luft- oder Kriechstrecke verhindern. Bei höheren Strömen sind größere Leitungsquerschnitte nötig, die durch dickeres Kupfer und oder breitere Leiterbahnen realisierbar sind.

Jetzt kommt der Constraint Manager ins Spiel

Für Signale mit steilen Flanken bzw. hohen Taktraten zur Datenübertragung (High-Speed) sind impedanzkontrollierte Leiterbahnen erforderlich, die sich durch einen geeigneten Lagenaufbau und genau definierte Leiterbahnbreiten umsetzen lassen. Auch Längen, Topologien, Durchkontaktierungen und ein definierter Rückstrompfad sind einzuhalten. Diese Regeln werden typischerweise schon in einem frühen Entwicklungsstadium im Stromlaufplan definiert.

Ein Constraint Manager ähnelt auf den ersten Blick einer Excel-Tabelle. Jeder elek­trischen Verbindung (Netz) können verschiedene Regeln zugewiesen werden, wie Breite, Länge oder maximale Anzahl an Durchkontaktierungen. Aber ein Constraint Manager ist viel mehr als nur eine Tabelle. Er ist tief in den gesamten PCB Design Flow sowie in die Design Tools integriert und dient als Grundlage für die Regelprüfungen (Design Rule Checks, DRC). Moderne Design Tools wie OrCAD und Allegro untersuchen bereits während der Bauteilplatzierung oder Leitungsverlegung in Echtzeit, ob die Regeln eingehalten werden und gibt bei Verstößen sofort Rückmeldung durch visuelle Markierungen und detaillierte Textinformationen.

Bild 3: Hierarchisches Vererben oder Überschreiben von Regeln.
Bild 3: Hierarchisches Vererben oder Überschreiben von Regeln.
(Bild: FlowCAD)

Werden beim Platzieren von Bauteilen beispielsweise zwei Komponenten so weit auseinander platziert, dass die Regel für die maximale Länge selbst bei einer direkten Verbindung verletzt wird, gibt es sofort eine DRC-Fehlermeldung. Durch Umplatzieren lässt sich der Fehler direkt vermeiden.

Beim Verlegen von differentiellen Leitungen einer PCI-Express-Schnittstelle können über drei eingeblendete Displays die Werte für Leitungslänge (Propagation Delay), statische und dynamische Phasentoleranz angezeigt werden. Die differentiellen Leitungen lassen sich damit solange abgleichen, bis alle Regeln eingehalten sind. Der Nutzen des Constraint Managers steht und fällt mit der Anzahl der eingegebenen Regeln. Je mehr Regeln in einem Design zu beachten sind, desto größer ist der Nutzen eines zentralen Constraint Managers, um den Überblick über alle Regeln zu haben. Und je mehr Vorgaben das Tool im Hintergrund prüft, desto höher ist später die Qualität des Designs.

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Bild 4: Regelbeispielse. Jeder elektrischen Verbindung (Netz) lassen sich verschiedene Regeln zuweisen, etwa Breite, Länge oder maximale Anzahl an Durchkontaktierungen.
Bild 4: Regelbeispielse. Jeder elektrischen Verbindung (Netz) lassen sich verschiedene Regeln zuweisen, etwa Breite, Länge oder maximale Anzahl an Durchkontaktierungen.
(Bild: FlowCAD)

Der Constraint Manager ist zentral im Flow mit Schaltplan, Layout und Simulation integriert. Als Cadence den Constraint Manager im Jahr 2000 als erste EDA-Firma einführte, standen die elektrischen Regeln im Vordergrund. Vor der Einführung gab es durch die unterschiedliche und doppeldeutige Verwendung von Begriffen und Maßeinheiten durch Entwickler, Einkäufer, Layouter und der externen Fertigung oftmals Missverständnisse und damit fehlerhafte Entwürfe. Durch die zentrale Verwaltung der Regeln wurden die Begriffe vereinheitlicht und es gab nur noch einen Ort für die Regeln (Sin­gle Source of Truth). Somit wurde die Verwendung von veralteten Regeln und Anweisungen ausgeschlossen und es gab keine Verwirrungen aufgrund unterschiedlicher Regelbezeichnungen mehr. Auch die Inkonsistenzen durch Änderungen zwischen dem Stromlaufplan, PCB Layout und anderen am PCB Flow beteiligten Werkzeugen ist damit ausgeschlossen. Alle Projekt-Team-Mitglieder verwenden immer die gleichen Werte für dasselbe Objekt im Stromlaufplan und dem Leiterplatten-Layout.

Aufgrund der vielen Vorteile ist Constraint Management heute ein Muss für professionelle PCB Design Software. Cadence hat diese Technologie seit der Einführung vor etwa 20 Jahren Schritt für Schritt verbessert und perfektioniert. Im gleichen Maße, wie die Zahl der elektrischen Regeln stieg, erhöhte sich auch die Zahl der physikalischen Regeln. Mittlerweile werden alle Vorgaben im Constraint Manager verwaltet.

Bild 5: Aus der Bestückung kommt das Regelwerk zum Platzieren und Testen. Es gibt unterschiedliche Vorgaben für z.B. Abstände. Sie sind abhängig vom verwendeten Fertigungsprozess und den Maschinen. Hier ein Beispiel zum Test mit der automatischen optischen Inspektion.
Bild 5: Aus der Bestückung kommt das Regelwerk zum Platzieren und Testen. Es gibt unterschiedliche Vorgaben für z.B. Abstände. Sie sind abhängig vom verwendeten Fertigungsprozess und den Maschinen. Hier ein Beispiel zum Test mit der automatischen optischen Inspektion.
(Bild: FlowCAD)

Für eine normale Leiterplatte mit CPU, Speicher und Schnittstellen kann die Anzahl der zu beachtenden Regeln schnell über 10.000 steigen. Im ersten Moment scheint diese Zahl der Regeln eher unübersichtlich. Um diese Zahl zu verwalten werden hierarchische Regelsätze verwendet. Es können in einem Regelsatz beispielsweise alle Parameter eines differentiellen Signals beschrieben werden. Anschließend wird der Regelsatz auf alle Leitungen eines Datenbusses angewandt und alle Regeln in Sekundenschnelle den Netzen zugewiesen. Durch die Hierarchie wird die Regel vom Datenbus auf alle untergeordneten Netze vererbt.

In gleicher Weise kann der Mindestabstand zwischen Leitungen und anderen Kupferelementen von 100 µm einmal für das ganze Design definiert werden und alle Busse, Netze und erweiterte Netze (Xnet) erben den gleichen Wert. Ist für die Stromversorgung aber ein größerer Abstand erforderlich, so kann der vererbte Wert an den betroffenen Leitungen gezielt überschrieben werden. Für mehr Übersichtlichkeit werden die Werte überschriebener Standardregeln in blau gekennzeichnet.

Alle Entwurfsregeln werden an der Spitze der Hierarchie einmal definiert und an alle darunterliegenden Elemente weitergegeben. Ebenso werden Regeländerungen von unten nach oben konsistent, schnell, automatisch und somit fehlerfrei überschrieben.

Internationale und interdisziplinäre Teams können sich die Werte in der bevorzugten Ansicht darstellen lassen. Die Leitungslänge ist zwischen mil und mm umschaltbar oder der Entwickler kann die Signallaufzeit über Innen- und Außenlagen in Nanosekunden sehen. Die eigentliche Regel bleibt unverändert. Die Umrechnung findet im Constraint Manager mit Hilfe eines Field Solvers im Hintergrund statt und in der Ansicht kann zwischen Zeit und Länge gewechselt werden.

Auch komplexe Regeln wie die Gleichlänge von Signal- oder Adressleitungen in einem Bus pro Bytegruppe und den Bytegruppen untereinander werden z.B. einmal für die PCI-Express-Schnittstelle definiert und als Regelsatz im Design zugewiesen. Die Regel ist automatisch mit den Pin-Delays der ICs verrechenbar, sodass der Layouter sein gesamtes Timing-Budget sieht. Die Vorgaben lassen sich auch zum automatisierten Längen- oder Phasenabgleich mit AiDT (Delay Tune) und AiPT (Phase Tune) nutzen.

Im Design Review kann schnell abgeglichen werden, ob alle Regeln aktuell und auch allen erforderlichen Netzen zugewiesen sind. Da die Regelsätze selbsterklärende Namen haben, wie beispielsweise „230V-Netz“, „10 A, max+30 °C“, „PCI-EXP-IMP“, sind sehr schnell hunderte Regeln mit einem Blick überprüfbar.

Die Wiederverwendung von geistigem Eigentum

Regelsätze lassen sich in der Bibliothek ablegen und bei anderen Designs wieder anwenden. Diese Regelsätze können flexibel gehalten werden, sodass sie sich auch bei unterschiedlichen Lagenaufbauten anwenden lassen. Das Wiederverwenden von bewährten Regelsätzen hat den großen Vorteil, dass Regeln nicht immer neu zu definieren sind und so mit der gleichen Qualität in mehreren Designs zur Anwendung kommen. Das spart Zeit und vermeidet Fehler gegenüber einer mehrfachen manuellen Erstellung der Regeln.

Bei den DfM-Regeln (Design for Manufacturing) können unterschiedliche Regelsätze, je nach Fertiger, Bestücker oder Testverfahren, einem Design zugewiesen werden. Wenn ein Design für zwei Bestücker keine Fehler aufweist, lassen sich beide Bestücker als Second Source verwenden.

Einmal entwickelte Constraint Sets können auch von unerfahrenen oder neuen Team-Mitgliedern eingesetzt werden. Dadurch profitieren sie und das Unternehmen von dem Wissen, das in den Constraint Sets gespeichert ist. Die Entwicklung von Con­straint Sets für Protokolle wie DDR X, PCI oder anderen Anwendungen kann zu einer Knowhow-Datenbasis ausgebaut werden. Dadurch wird das Intellectual Property (IP), also das geistiges Eigentum, eines Unternehmens gesichert. Die Con­straint Sets kann man sich wie ein Baukasten-System vorstellen, aus dem der Designer die für seinen Entwurf relevanten vordefinierten und vorqualifizierten Regelsätze zusammenstellt.

Gesicherte Qualität in der Fertigung

Auch Fertigungsprozesse sind durch Design-Regeln beschrieben. Je mehr Regeln definiert und eingehalten wurden, desto besser passen die Design-Daten zur Fertigung. Anwendbare Regelsätze und DRCs in Echtzeit im Layout stellen für den Leiterplatten-Entwickler keinen zusätzlichen Zeitaufwand dar.

Neben unternehmensspezifischen Fertigungsregeln können DfM- (Design for Manufacturing), DfT- (Design for Test) sowie DfF-Regeln (Design for Fabrication) auch über das DFM-Portal (www.flowcad.de/dfm) online beim Hersteller angefragt und die Regelsätze in OrCAD oder Allegro importiert werden. In OrCAD werden ca. 200 unterschiedliche DFx-Regeln verwendet. Höhere Allegro-Ausbaustufen bieten einen noch detaillierteren Regelsatz mit rund 2500 Regeln. Diese Regeln prüfen die Vorgaben des Herstellers und berücksichtigen unter anderem Maschineneigenschaften wie Abstände zu Halterungen oder Vorgaben für Bestückungsautomaten oder Toleranzen von Bohrdurchmessern. Je nach Fertigungslinie bei einem Hersteller werden ggf. unterschiedliche Maschinen verwendet, und es müssen z.B. unterschiedliche Abstände eingehalten werden.

* * Dirk Müller ... ist Geschäftsführer bei FlowCAD, Feldkirchen.

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